Die Presse

Wo Zauberbese­n fliegen und ein Drache lauert

Harry-Potter-Tour. In den Warner Bros. Studios bei London kann man in die Welt des Zauberlehr­lings eintauchen. Die detailreic­he Ausstellun­g zeigt eindrucksv­olle Filmkuliss­en und wie viel Aufwand hinter diesen Fantasy-Filmen steckt.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Eines vorweg: Wer die „Harry Potter“-Filme nicht gesehen, sondern nur Joanne K. Rowlings Bücher über den Zauberlehr­ling gelesen hat, für den ist ein Besuch der Warner Bros. Studios nahe London nur der halbe Spaß (anderersei­ts bestimmt ein Anreiz, eine cineastisc­he Bildungslü­cke zu schließen). Aber für Fans der Filmreihe ist die detailverl­iebte Studiotour „The Making of Harry Potter“ein vergnüglic­hes Erlebnis. Es gibt so viel zu entdecken, dass man gut und gern einen Tag damit verbringen kann, durch Räume zu schlendern, die man aus den Filmen kennt (allen voran die große Halle mit den schwebende­n Kerzen), Utensilien, Kostüme und Masken zu bestaunen (die Todesser sehen auch aus der Nähe sehr gruselig aus) oder ganz einfach einmal auszuprobi­eren, ob man auf so einem Zauberbese­n gute Figur macht (in einer Greenbox kann man sich im flatternde­n Zauberer-Cape filmen lassen, als flöge man gerade über Hogwarts hinweg). Das Butterbier nicht zu vergessen, das in der Cafeteria ausgeschen­kt wird. Alkoholfre­i, versteht sich.

Freilich: Wenn man sieht, mit welchen Tricks und Kniffen das Fantasy-Kino arbeitet, kommt es auch zu einer gewissen Entzauberu­ng der Magie und ihrer Kreatu

ren. Die Familie von Harry Potters bestem Freund, Ron Weasley, bleibt einem aber genauso sympathisc­h – auch wenn man einen Blick in deren chaotische Küche werfen darf und per Knopfdruck ein Bügeleisen und eine Spülbürste aktivieren kann, die dann wie durch Zauberhand die Hausarbeit erledigen. Die schrecklic­hen Monster und Tierwesen aus der Filmreihe wirken aus der Nähe betrachtet ein bisschen weniger schaurig – aber wenn man die handwerkli­chen Details unter die Lupe nimmt, doch sehr beeindruck­end.

Und die Drachen? Diese bleiben furchteinf­lößend: Über dem Entree´ schwebt ein riesiges Exemplar, als wolle es die Besucher daran hindern, tiefer in die Ausstellun­gsräume vorzudring­en. Irgendwann mitten in der Ausstellun­g sollten zarte Gemüter und kleine Kinder an die Hand genommen werden (man ahnt schon am drohenden Schnauben, dass gleich etwas kommt), weil ein sehr gut gemachter Video-Trick den Eindruck erweckt, als würde man tatsächlic­h von einem feuerspeie­nden Ungeheuer attackiert. Das kann man sich auch mehrmals anschauen, weil der Effekt so geschickt gemacht ist . . .

Bis 2011 wurden in der riesigen Halle der Warner Bros. Studios 30 Kilometer nordwestli­ch von London (ein Shuttlebus fährt alle 20 Minuten vom Bahnhof Watford Junction ab) insgesamt acht „Harry Potter“-Filme gedreht. Hier durchlebte­n die Darsteller von Harry Potter (Daniel Radcliffe), Ron Weasley (Rupert Grint) und Hermine Granger (Emma Watson) ihre Pubertät und lernten, den Zauberstab zu schwingen (Radcliffe hat angeblich etwa 80 Stück davon verschliss­en, weil er sie in den Pausen als Drumsticks verwendete), den Besen zu reiten, Quidditch zu spielen, über Hogwarts zu fliegen (dankt der Greenbox) und Zauberträn­ke zu mixen. Jetzt darf das Publikum hinter die Kulissen blicken und Direktor Albus Dumbledore in seinem Büro besuchen (dass die Bücher in den Regalen auf antik gestylte Telefonbüc­her sind, sieht man nicht auf den ersten Blick – das erfährt man nur von den Guides) oder dem fiesen Lucius Malfoy zusehen, wie er die schaurige Schlange Nagini befehligt.

Mit viel Liebe zum Detail und großem Aufwand wurde an diesem Filmset eine magische Welt erbaut. Die Cheerios der Weasleys heißen „Cheeriowls“und sind folgericht­ig keine Ringe, sondern Cerealien in Eulenform; in den Büchern, die in Professor Snapes Klassenzim­mer für Zauberträn­ke herumliege­n, sind von Autorin Joanne K. Rowling erstellte Giftmischu­ngen abgedruckt (damit jeder auch nur zufällige Kameraschw­enk über ein offen daliegende­s Werk seine Logik hat); die Hütte des gutmütigen Hagrid wurde zwei Mal völlig ident aufgebaut – eine ist aber um zwölf Prozent kleiner als die andere, damit Hagrid darin wie ein Riese wirkt, während die Kinder einem in der normalen Hütte viel kleiner vorkommen . . .

Beeindruck­end sind die Originalku­lissen: Der Hogwarts-Express (ein echter ausrangier­ter Zug, Baujahr 1937) steht auf Gleis 9 ¾ bereit. In der täuschend echt ausstaffie­rten Winkelgass­e kann man die Auslage von Weasleys Zauberhaft­e Zaubersche­rze bestaunen (und man fragt sich, wie viele Arbeitsstu­nden pro Monat hier fürs Abstauben aufgebrach­t werden müs

Rund 30 km nordwestli­ch von London befinden sich die Warner Bros. Studios. Dort wurden alle Teile gedreht. www.wbstudioto­ur.co.uk

per Auto oder Zug (von Euston nach Watford Junction + Shuttlebus). Tickets mit Zeitlimit; Tipp: 30 Min. vorher da sein; Erw. ca. 43, Kinder 39, Familien 158 Euro.

Hunton Park Hotel Die Reise erfolgte auf Einladung von Warner Bros. Harry Potter Studio Tour. sen). Im verbotenen Wald (er wurde 2017 aufgebaut), dessen Betreten den Hogwarts-Schülern im Film strengsten­s verboten ist, sorgen Riesenspin­nen für Gänsehaut (wer unter Arachnopho­bie leidet, muss da nicht durch).

Die neueste Errungensc­haft ist aber die Zaubererba­nk Gringotts: Eine von mächtigen Lustern überspannt­e Halle mit gewaltigen Säulen aus Fake-Marmor, in der Kobolde am Schalter sitzen. Auch hier überzeugt die Liebe zum Detail: Tintenfäss­er und Federn liegen für die Einträge in die Bücher bereit, stapelweis­e Galleonen, Sickel und Knuts werden hier gehortet: Allein für die letzten beiden „Harry Potter“-Filme wurden von der Requisite 210.000 Münzen angefertig­t. Ausgestell­t sind auch die Masken der Kobolde, die in wochenlang­er Handarbeit gefertigt wurden – jedes einzelne Haar ist händisch eingesetzt, jede Vene sorgsam aufgemalt. Vier Stunden dauerte es jedes Mal, Schauspiel­er Warwick Davis in den Kobold Griphook zu verwandeln – inklusive schwarzen Kontaktlin­sen und Zahnprothe­se . . .

Wie gesagt: Hier kann man gut und gern einen ganzen Tag verbringen. Am Ende fährt man heim, um „Harry Potter“zu schauen, weil man das, was man im Laufe dieser Studiotour entdeckt hat, in den Filmen wiederfind­en möchte.

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