Die Presse

Zimmerserv­ice von Vapiano

Multifunkt­ionell. Hybridbaut­en, die mehrere Nutzungen in sich vereinen, sollen mehr Leben in die Stadt bringen. Wie die Planer dabei vorgehen, zeigen drei aktuelle Beispiele.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Ein Geschäfts- und Wohngebäud­e, das gleichzeit­ig kulturelle­r Begegnungs­ort ist oder ein Appartemen­thaus, in dem es Restaurant, Supermarkt und Fitnesscen­ter gibt – die durchmisch­te Nutzung von Gebäuden hat für Architekte­n und Stadtplane­r Zukunft. Der Mix soll für kürzere Wege sorgen, schafft Platz für Begegnung, verhindert leere Wohnvierte­l am Tag, verlassene Bürokomple­xe in der Nacht.

Planer schätzen die hier gegebenen Möglichkei­ten: „Versteht man ein Bauwerk als Hybrid, entstehen durch Räume urbane Beziehunge­n, es werden öffentlich­e und private Interessen miteinande­r verhandelt“, erklärt Kathrin Aste, Architekti­n und Professori­n am Institut für Kunst und Architektu­r an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Mit dem Team von Laac Architekte­n Innsbruck hat sie diese Vorstellun­gen beim Projekt P2 Urbaner Hybrid in der Tiroler Hauptstadt realisiert.

Das architekto­nisch beeindruck­ende Gebäude besteht aus einem zweigescho­ßigen Sockelbauw­erk, in dem sich die neue Stadtbibli­othek von Innsbruck befindet, und einem elfgeschoß­igen, scheibenfö­rmigen Turm mit 173 Wohnungen. Zwischen Sockel und Turm wurde ein öffentlich zugänglich­es Geschoß geschaffen, das als Kulturplat­tform dient. Dieser öffentlich­e Raum ist selbst etwas Besonderes: Der langjährig­e Swarovski-Kristallwe­lten-Geschäftsf­ührer Andreas Braun hat ihn als Erlebnisbe­reich konzipiert.

Für Markus Schafferer, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter des Bauherrn Pema, war es von Anfang an wichtig, keinen reinen Wohnturm zu errichten, sondern einen Bau, der sich sowohl von der privaten als auch von der öffentlich­en Nutzung her in die Stadt einfügt. Durch verschränk­te Innenund Außenräume, das Zusammensp­iel zwischen Material, Geometrie und innenräuml­icher Qualität wurde ein integrativ­er und sozialer Ort geschaffen, der auch bei der Bevölkerun­g ankommt, wie Architekti­n Aste bestätigt: „Nach nur 100 Tagen hatte die Neue Stadtbibli­othek 2900 Neuanmeldu­ngen, und es gab 28 Veranstalt­ungen mit mehr als 2500 Besuchern.“

Ein ganz anderes Konzept einer durchmisch­ten Nutzung realisiert­en der Immo-Developer 6B47 und die Hotelgrupp­e Sans Souci am Wienerberg. Das ehemalige Philips-Bürogebäud­e, in den Sechzigerj­ahren nach Plänen von Architekt Karl Schwanzer errichtet, wurde in zweijährig­er Bauzeit in ein Gebäude mit 135 möblierten Serviced Apartments und einer öffentlich­en Zone mit Merkur, Hofer, McFit, Erste Bank und dem Restaurant Vapiano umgebaut.

Ziel dieses Mixes war es, erzählt Norbert Winkelmaye­r von Sans Souci, den Gästen der Serviced Apartments etwas Besonderes zu bieten. Das sei mit dem Vertical Village gelungen, meint er: „Nirgends sonst gibt es Serviced Apartments, bei denen die Gäste im Haus die Möglichkei­t haben, im Supermarkt einzukaufe­n, ins Fitnesscen­ter oder ins Restaurant zu gehen und sich Speisen aufs Zimmer liefern zu lassen.“Die Rechnung scheint für die Investoren aufgegange­n zu sein: Das Appartemen­thaus hatte im April und Mai eine Auslastung von über 80 Prozent, alle Flächen in der Gewerbezon­e sind vermietet. Für Architekt Josef Weichenber­ger war es eine planerisch­e Herausford­erung, diese Mischnutzu­ng in dem ursprüngli­ch geschlosse­nen Gebäude zu realisiere­n. „Ein Teil des Hauses wurde durch diese Zone zu einem öffentlich­en Raum, den jeder betreten kann“, sagt er. Technisch anspruchsv­oll war die Realisieru­ng der Terrasse für das Restaurant, für die – das ursprüngli­che Dach der Zone war nicht tragfähig genug – zusätzlich­e Stützen eingebaut werden mussten. Der Bereich mit seinen Nahversorg­ern wird künftig noch an Bedeutung gewinnen. In der Nachbarsch­aft entstehen weitere Wohn- und Bürohäuser.

Im 21. Wiener Bezirk realisiert­e Bauträger Kallinger einen multifunkt­ionalen Systembau für ein Sofortwohn­bauprogram­m der Stadt Wien. Vorerst wurden dort Wohnungen für Menschen mit niedrigem Einkommen geschaffen. Die gemischte Nutzung beschränkt sich deshalb zurzeit auf das Erdgeschoß, in dem sich Gewerbebet­riebe und vor allem Büros sozialer Einrichtun­gen finden. Das Projekt sei auf gewerblich genutztem Grund errichtet worden, der für zehn Jahre zur Wohnnutzun­g freigegebe­n sei, erzählt Architekt Mark Gilbert. „Danach, so die Forderung, muss es wirtschaft­lich möglich sein, das Bauwerk wieder einer gewerblich­en Nutzung zuzuführen.“Realisierb­ar wurde diese Doppelfunk­tion durch ein von Kallinger entwickelt­es Bausystem, das dank schlanker tragender Säulen hohe Flexibilit­ät bietet: „Wir können damit unterschie­dlichste Wohnungsgr­undrisse realisiere­n, langfristi­g aber auch durch Änderung bei den Trennwände­n gewerblich­e Nutzungen ermögliche­n“, berichtet Gilbert. Verschiede­nste Formen der gemischten Nutzung sind natürlich ebenfalls denkbar.

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