Zimmerservice von Vapiano
Multifunktionell. Hybridbauten, die mehrere Nutzungen in sich vereinen, sollen mehr Leben in die Stadt bringen. Wie die Planer dabei vorgehen, zeigen drei aktuelle Beispiele.
Ein Geschäfts- und Wohngebäude, das gleichzeitig kultureller Begegnungsort ist oder ein Appartementhaus, in dem es Restaurant, Supermarkt und Fitnesscenter gibt – die durchmischte Nutzung von Gebäuden hat für Architekten und Stadtplaner Zukunft. Der Mix soll für kürzere Wege sorgen, schafft Platz für Begegnung, verhindert leere Wohnviertel am Tag, verlassene Bürokomplexe in der Nacht.
Planer schätzen die hier gegebenen Möglichkeiten: „Versteht man ein Bauwerk als Hybrid, entstehen durch Räume urbane Beziehungen, es werden öffentliche und private Interessen miteinander verhandelt“, erklärt Kathrin Aste, Architektin und Professorin am Institut für Kunst und Architektur an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Mit dem Team von Laac Architekten Innsbruck hat sie diese Vorstellungen beim Projekt P2 Urbaner Hybrid in der Tiroler Hauptstadt realisiert.
Das architektonisch beeindruckende Gebäude besteht aus einem zweigeschoßigen Sockelbauwerk, in dem sich die neue Stadtbibliothek von Innsbruck befindet, und einem elfgeschoßigen, scheibenförmigen Turm mit 173 Wohnungen. Zwischen Sockel und Turm wurde ein öffentlich zugängliches Geschoß geschaffen, das als Kulturplattform dient. Dieser öffentliche Raum ist selbst etwas Besonderes: Der langjährige Swarovski-Kristallwelten-Geschäftsführer Andreas Braun hat ihn als Erlebnisbereich konzipiert.
Für Markus Schafferer, geschäftsführender Gesellschafter des Bauherrn Pema, war es von Anfang an wichtig, keinen reinen Wohnturm zu errichten, sondern einen Bau, der sich sowohl von der privaten als auch von der öffentlichen Nutzung her in die Stadt einfügt. Durch verschränkte Innenund Außenräume, das Zusammenspiel zwischen Material, Geometrie und innenräumlicher Qualität wurde ein integrativer und sozialer Ort geschaffen, der auch bei der Bevölkerung ankommt, wie Architektin Aste bestätigt: „Nach nur 100 Tagen hatte die Neue Stadtbibliothek 2900 Neuanmeldungen, und es gab 28 Veranstaltungen mit mehr als 2500 Besuchern.“
Ein ganz anderes Konzept einer durchmischten Nutzung realisierten der Immo-Developer 6B47 und die Hotelgruppe Sans Souci am Wienerberg. Das ehemalige Philips-Bürogebäude, in den Sechzigerjahren nach Plänen von Architekt Karl Schwanzer errichtet, wurde in zweijähriger Bauzeit in ein Gebäude mit 135 möblierten Serviced Apartments und einer öffentlichen Zone mit Merkur, Hofer, McFit, Erste Bank und dem Restaurant Vapiano umgebaut.
Ziel dieses Mixes war es, erzählt Norbert Winkelmayer von Sans Souci, den Gästen der Serviced Apartments etwas Besonderes zu bieten. Das sei mit dem Vertical Village gelungen, meint er: „Nirgends sonst gibt es Serviced Apartments, bei denen die Gäste im Haus die Möglichkeit haben, im Supermarkt einzukaufen, ins Fitnesscenter oder ins Restaurant zu gehen und sich Speisen aufs Zimmer liefern zu lassen.“Die Rechnung scheint für die Investoren aufgegangen zu sein: Das Appartementhaus hatte im April und Mai eine Auslastung von über 80 Prozent, alle Flächen in der Gewerbezone sind vermietet. Für Architekt Josef Weichenberger war es eine planerische Herausforderung, diese Mischnutzung in dem ursprünglich geschlossenen Gebäude zu realisieren. „Ein Teil des Hauses wurde durch diese Zone zu einem öffentlichen Raum, den jeder betreten kann“, sagt er. Technisch anspruchsvoll war die Realisierung der Terrasse für das Restaurant, für die – das ursprüngliche Dach der Zone war nicht tragfähig genug – zusätzliche Stützen eingebaut werden mussten. Der Bereich mit seinen Nahversorgern wird künftig noch an Bedeutung gewinnen. In der Nachbarschaft entstehen weitere Wohn- und Bürohäuser.
Im 21. Wiener Bezirk realisierte Bauträger Kallinger einen multifunktionalen Systembau für ein Sofortwohnbauprogramm der Stadt Wien. Vorerst wurden dort Wohnungen für Menschen mit niedrigem Einkommen geschaffen. Die gemischte Nutzung beschränkt sich deshalb zurzeit auf das Erdgeschoß, in dem sich Gewerbebetriebe und vor allem Büros sozialer Einrichtungen finden. Das Projekt sei auf gewerblich genutztem Grund errichtet worden, der für zehn Jahre zur Wohnnutzung freigegeben sei, erzählt Architekt Mark Gilbert. „Danach, so die Forderung, muss es wirtschaftlich möglich sein, das Bauwerk wieder einer gewerblichen Nutzung zuzuführen.“Realisierbar wurde diese Doppelfunktion durch ein von Kallinger entwickeltes Bausystem, das dank schlanker tragender Säulen hohe Flexibilität bietet: „Wir können damit unterschiedlichste Wohnungsgrundrisse realisieren, langfristig aber auch durch Änderung bei den Trennwänden gewerbliche Nutzungen ermöglichen“, berichtet Gilbert. Verschiedenste Formen der gemischten Nutzung sind natürlich ebenfalls denkbar.