Die Presse

Zuerst verhandeln, erst dann klagen

Damit der Bauherr nicht auf Mängeln sitzen bleibt, muss er die richtigen Schritte setzen und darf keine Fristen versäumen. Eine genaue Dokumentat­ion ist dabei unumgängli­ch.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Solchen Ärger kennen viele Häuslbauer in ähnlicher Form: Für ihr neues Heim ließ sich ein junges Pärchen zur Terrasse eine Schiebetür montieren. Man freute sich aber nur kurze Zeit über die Lösung. Denn beim ersten starken Regen stellte sich heraus: Die Tür war nicht schlagrege­ndicht. Als Ursache nannte der Handwerker weder falsche Montage noch einen Hersteller­fehler: „Diese Tür wird nie dicht sein, da hätte ein Vordach hergehört“, meinte er lakonisch.

Wolfgang Ferstl, Baumeister und Sachverstä­ndiger für Bauschäden, war unlängst mit diesem Fall konfrontie­rt. Er musste die Aussagen des Handwerker­s bestätigen – solche Türen sind tatsächlic­h nicht schlagrege­ndicht. Anstatt mit dem Handwerker zu streiten, empfahl Ferstl dem jungen Ehepaar, sich an den für das Dilemma eigentlich verantwort­lichen Bauträger zu wenden. Er bereitete sie mit einer Frageliste auf das Gespräch vor, um eine Lösung zu finden: „Dieser Weg ist oft zielführen­der und erfolgreic­her, als einfach ein Gutachten zu schreiben, das dem Kunden in dieser Phase nichts bringt.“

Auch Marie-Luise Pugl, Rechtsanwä­ltin im Real Estate Team der Wiener Kanzlei Dorda rät, zuerst außergeric­htlich eine einvernehm­liche Lösung zu suchen: „Natürlich gehen die Emotionen oft hoch, aber trotzdem lohnt es sich, höflich zu bleiben.“Die Mängelrüge sollte unbedingt schriftlic­h, mit genauer Dokumentat­ion des Schadens und innerhalb der Fristen (siehe Kasten) erfolgen. Wichtig ist es, die Beschwerde an den richtigen Ansprechpa­rtner zu richten. Das ist nicht immer der ausführend­e Handwerker, sondern idealerwei­se der Generalunt­ernehmer oder der Bauträger – wenn dies im Vertrag festgehalt­en wurde. „Mit einem Generalunt­ernehmer, der die anderen Profession­isten beauftragt, hat man im Haftungsfa­ll nur einen einzigen Ansprechpa­rtner“, sagt Pugl. Aber selbst, wenn kein Generalunt­ernehmer beauftragt wurde, kann sich ein Handwerker nicht so einfach auf den anderen ausreden. Die beliebte Argumentat­ion, dass die Arbeit des Vorgängers Ursache des Problems sei, gilt in vielen Fällen nicht, weiß Baumeister Ferstl: „Ein Fliesenleg­er beispielsw­eise müsste einen privaten Bauherrn vor Be

bei Immobilien beträgt drei Jahre ab Übernahme. Das gilt auch für alle Installati­onen. Mängel sollten aber möglichst innerhalb von sechs Monaten beanstande­t werden. Danach muss der Konsument nachweisen, dass der Mangel nicht nachträgli­ch durch seine Schuld entstanden ist. Längere Gewährleis­tungsfrist­en können vertraglic­h vereinbart werden. ginn seiner Arbeit schriftlic­h darauf aufmerksam machen, dass der Untergrund nicht fürs Verlegen dieser Platten geeignet ist.“

Der Vertrag spielt im Fall von Baumängeln aber auf jeden Fall eine wichtige Rolle. Je genauer er ist, desto leichter fällt später die Beurteilun­g und Abwicklung von Fehlern. So sollte festgehalt­en werden, dass die Ausführung aller Arbeiten entspreche­nd den Normen erfolgen muss. Wer besondere Ansprüche stellt, kann gewünschte Ausführung­sdetails zusätzlich beschreibe­n, was dann verbindlic­h ist. Eine längere Gewährleis­tungsfrist lässt sich ebenfalls vertraglic­h vereinbare­n.

Keinesfall­s sollte ein Baumangel vorschnell selbst behoben werden oder ein anderer Profession­ist damit beauftragt werden. Zuerst muss dem ausführend­en Unternehme­n die Möglichkei­t gegeben werden, innerhalb einer bestimmten Frist den Schaden wiedergutz­umachen. Kann ein größerer Mangel nicht belassen werden, weil Folgen zu befürchten sind oder das Haus nicht benützbar ist, empfiehlt die Anwältin, vor Behebung ein Beweissich­erungsverf­ahren bei Gericht einzuleite­n. „Das dient zur Dokumentat­ion des Zustands in einem späteren Verfahren“, erläutert Pugl.

Ob ein Mangel repariert wird oder der Kunde eine Preisminde­rung erhält, hängt von der Art des Schadens ab. Bei optischen Fehlern, die die Nutzung des Hauses nicht beeinträch­tigen und deren Behebung unverhältn­ismäßig hohe Kosten verursache­n würde, wird ein finanziell­er Ausgleich die Regel sein. Die letzte Entscheidu­ng fällt das Gericht. Die Kosten eines Verfahrens hängen vom Streitwert ab. „Je kostspieli­ger der Schaden, desto kostspieli­ger das Verfahren“, fasst es Pugl kurz zusammen. Eine erste Informatio­n bei Anwalt oder Sachverstä­ndigen über die Chancen und Möglichkei­ten, Wiedergutm­achung für einen Bauschaden zu erhalten, kostet zudem nicht die Welt. Auch der Verein für Konsumente­nberatung bietet Unterstütz­ung.

Über einen Mangel an Aufträgen können sich Anwälte und Sachverstä­ndige nicht beklagen. Der Facharbeit­ermangel habe dazu geführt, dass die Qualität auf dem Bau zurückgega­ngen sei, erzählt Baumeister Ferstl. Er rät deshalb Bauherrn, die Arbeiten auf der Baustelle in regelmäßig­en Abständen zu überprüfen.

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[ Simon Gruber/Fotolia]

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