Zurück zum Langweiligen
Legal Tech. Nach dem Digitalisierungshype geht in vielen Kanzleien tatsächlich so etwas wie Existenzangst um. Und ein Wunsch: Reden wir bitte über einfache Lösungen.
Was haben wir nicht alles über den digitalen Anwalt gehört. Über künstliche Intelligenz in Kanzleien, Machine Learning, die Blockchain und Robotergehilfen. Und über hochseriöse Prognosen, wonach in wenigen Jahren bis zu 70 Prozent aller Kanzleijobs obsolet wären. Ein, zwei Jahre ist das her.
Was davon ist gekommen, was auf dem Weg? Die großen Kanzleien haben inzwischen Digitalbeauftragte. Andrea Miskolczi ist eine von ihnen. Die gebürtige Ungarin arbeitet seit elf Jahren bei Wolf Theiss, zunächst als Juristin, begeistert von Digitalisierungsthemen, heute als Chief Innovation & Business Development Officer.
Sind Kanzleien heute also voll digitalisiert? Darum gehe es gar nicht, sagt Miskolczi. Nicht um Software, sondern um den Nutzen für den Mandanten und um die Akzeptanz in der Kollegenschaft. Denn nichts wäre von weniger Erfolg gekrönt als eine Software, die ein beharrlicher Verkäufer einem Kanzleipartner einredete. Die richtige Frage laute immer: Was hilft uns beim Klienten, und wie nehmen es die Kollegen an?
Solche Lösungen haben wenig mit gehyptem Digitalwahn zu tun. Im Gegenteil, sie sind simpel, aber nützlich. Die Sehnsucht nach dem Langweiligen, aber Hilfreichen lässt sich unter dem Twitter-Hashtag bringbackboring nachlesen: Legal Tech ja, aber bitte keine Raketenwissenschaft.
Das Projektmanagement-Tool, das Miskolczi bei Wolf Theiss einführte, hat dennoch mit Raketen zu tun. Sein interner Name lautet Space: Keine Excel-Sheets, sondern automatische Aufgabenlisten und Direktkommunikation auch mit Mandanten. Was für einige sogar Bedingung für die Zusammenarbeit gewesen sei, sagt Miskolczi.
Offiziell heißt die Software HighQ – viel zu sperrig, fand das Team. So würde das keiner verwenden. Also bekam die Benutzeroberfläche einen verspielten Weltall-Anstrich. Da steht jetzt „Lift off“statt „Login“, auf dem Hilfeknopf „Houston, we have a problem“, der Administrator ist der „Captain“, und ruft man ihn an, ertönt „Return of the Space Cowboy“. Was nicht bedeutet, dass man einer Kanzlei mit ein bisschen Behübschung jede Software überstülpen kann. „Wenn man in ein Tool investiert, muss man zehnmal so viel in die Kommunikation investieren“, weiß Miskolczi.
Hier hieß das: Kick-off-Veranstaltungen, Schulungen, Support. Diese Anleitung sei Organisationen aller Branchen ans Herz gelegt: Ohne ideenreiche Einführung und Ausloben der Vorteile lehnen Mitarbeiter neue Software grundsätzlich ab.
Drei Faktoren machen eine erfolgreiche (weil von den Usern genutzte) Einführung aus.
Erstens, die Organisation muss grundsätzlich risikofreudig und innovationsunterstützend sein. Ist sie übervorsichtig und zögerlich, färbt das auf die Anwender ab.
Zweitens, der Kunde muss im Fokus stehen. Denkt eine Kanzlei nur an sich und ihre Vorteile, entsteht kein Mehrwert für den Klienten.
Drittens, die Mitarbeiter müssen an Effizienzsteigerungen interessiert sein. Das behauptet zwar jeder von sich, die Praxis sieht aber anders aus.
Abgewandelt gilt das Zitat von Managementpapst Peter Drucker: Die Firmenkultur verspeist die Digitalisierung zum Frühstück. Auch die von Anwaltskanzleien.