Kitsch und Klarheit
Konzerthaus. H´el`ene Grimaud zeigte sich als famose Pianistin, aber nicht als große Interpretin.
„Memory“, die neue CD von He-´ lene` Grimaud, ist ein gefühlsseliges Sammelsurium, das sie nun auch im Konzerthaus promotete: quasi als Kitschbesinnung mittels getragener Charakterstücke, wo Monochromie das Maß aller Dinge ist. Ein Einheitsbrei im Mezzoforte, klanglich wie Wasserfarben, die ineinander verschwimmen – konturenlos, mit verwaschenen Tempi und schamlosem Pedalgebrauch.
Die Stücke wurden fast pausenlos hintereinander exekutiert, wie’s heute Mode ist. Doch wenn Andras´ Schiff dies tut, hat er viel darüber nachgedacht – aber Grimaud hat im Vergleich zu ihm wenig zu sagen. In ihrem Potpourri fehlt Debussy die Struktur, Satie die bittere Schärfe, Chopin der Anspruch auf Dramatik und Temperament, Valentin Silvestrov die Eigenständigkeit. Aber alles spielt sich in exquisiter, luxuriöser Atmosphäre traumbildhaft ab: wie vor einem Kaminfeuer bei teurem Bordeaux und Hintergrundmusik.
Nach der Pause dann Schumanns „Kreisleriana“: ein technischer Parforceritt, Grimauds eigentliches Terrain. Endlich ist der gestochen scharfe Anschlag wieder da, der hart gestimmte Steinway strahlt in der Mittellage dröhnend wie 50 Celli, im Diskant gelingt ein elegantes Cantabile – sie zeigt, was sie drauf hat und oft noch etwas mehr. Wenn Schumann ein „sehr rasch“vorschreibt, macht sie daraus ein „noch rascher“. Ihre Brillanz verführt sie zum Abheben – ohne Angst, denn sie scheint keine manuellen Grenzen zu kennen, sie kann nicht abstürzen. Um den Preis der Defizite von emotionalen Schwingungen und inhaltlicher Empfindsamkeit. Grimauds genialischer PR-Gag (sie lebte angeblich mit Wölfen) passt gut zum Erscheinungsbild einer wilden, kompromisslosen Dame. Eine große Interpretin ist sie nicht, eine famose Pianistin allemal.
Als Draufgabe pfefferte sie uns noch drei E´tudes-Tableaux von Rachmaninow um die Ohren. Permanente Explosionsgefahr.