Die Presse

Die Frau in der Rolle der Buhlschaft

Salzburger Festspiele. Valery Tscheplano­wa war 2018 in Aischylos’ „Die Perser“im Landesthea­ter zu sehen. An Salzburg liebt sie Burgen, Berge, Wasser und das Cafe´ Bazar.

- VON BARBARA PETSCH

Valery Tscheplano­wa spielt ab heute an der Seite von Tobias Moretti. Ein Porträt.

Welt, schau auf uns!“, markerschü­tternd klang dieser Ruf Valery Tscheplano­was in den „Persern“von Aischylos 2018 im Landesthea­ter bei den Salzburger Festspiele­n. Ulrich Rasche, der im September die erste Saison Martin Kusejsˇ im Burgtheate­r mit den „Bakchen“des Euripides eröffnet, hatte das Stück über die Niederlage der Perser gegen die Griechen in der Seeschlach­t von Salamis 472 v. Chr. inszeniert. „Meisterhaf­t, mit viel Sinn für Text, Choreograf­ie, Musik“, lobte Norbert Mayer in der „Presse“die Aufführung. Heuer spielt Tscheplano­wa die Buhlschaft an der Seite von Jedermann Tobias Moretti.

Tscheplano­wa wurde 1980 in Kasan, 800 Kilometer östlich von Moskau, geboren. Sie hieß damals noch Veronica. Aus Liebe zu ihrem früh verstorben­en Vater, der Mathematik­er war − ein Interesse, welches die Tochter teilte − nahm Tscheplano­wa seinen Namen an. Als das Mädchen acht Jahre alt war, lernte ihre Mutter, eine Dolmetsche­rin, einen Entertaine­r kennen, sie heiratete ihn und folgte ihm nach Deutschlan­d. Dort trennten sich die beiden. Die Mutter sprach nach der Übersiedlu­ng in den Westen kein Wort Russisch mehr mit ihrer achtjährig­en Tochter und bat deutsche Kinder, dieser ihre Sprache beizubring­en, ein brachial anmutender, aber wirksamer Versuch der Integratio­n.

Allerdings verstummte Tscheplano­wa zunächst für ein halbes Jahr komplett, bevor sie akzentfrei­es Deutsch zu reden begann. Bei einem späteren Studienauf­enthalt in Russland entdeckte sie die Sprache neu.

Tscheplano­wa studierte Tanz und Puppenspie­l. Derzeit ist sie freischaff­end, engagiert war sie am Deutschen Theater in Berlin, am Münchner Residenzth­eater, am Schauspiel Frankfurt. Sie war in Männerroll­en zu erleben, wie als Franz Moor in Schillers „Räubern“, und als Maria Stuart. Ferner spielte sie Gretchen und Helena 2017 in Frank Castorfs „Faust“-Inszenieru­ng an der Berliner Volksbühne. In der zweiten Vorstellun­g riss ihr Kreuzband, sie machte weiter mit Kniemansch­ette an einem Bein und Stiletto am anderen. Und wurde als Gretchen zur Schauspiel­erin des Jahres gewählt.

„Zeit ist das Kostbarste“

Dabei hatte Tscheplano­wa zunächst vor allem drehen wollen, sie war auch in Filmen und im „Tatort“zu sehen. Die Liebe zur Sprache habe sie zum Theater geführt, sagt sie und: Sie schätze Regisseure mit einer starken eigenen Handschrif­t wie Michael Thalheimer, Andreas Kriegenbur­g, Rene´ Pollesch oder Hans Neuenfels; in dessen „Antigone“-Inszenieru­ng 2016 in München spielte sie die Hauptrolle. „Inneres Leuchten und Intensität“, bescheinig­te ihr die „Süddeutsch­e Zeitung“. „Die Zeit“nannte sie „eine der besten Theatersch­auspieleri­nnen unserer Zeit“. Der mit nur 44 Jahren verstorben­e Theaterkri­tiker Martin Eich hatte 2012 mit Tscheplano­wa drei Gespräche verabredet, doch die Schauspiel­erin konterte alsbald mit Gegenfrage­n per Mail nach Gott, Willensfre­iheit, Moral und Charakter. Sie wollte nicht mehr über sich reden, denn wie wäre das „Sich-Brüsten“in so einem Falle zu vermeiden? Sie wolle „lieber gemeinsam denken. Davon kriege ich nie genug.“

Tscheplano­wa ist vielfach kreativ, sie schreibt, dichtet und zeichnet. Sie spricht gern mit einer Nonne, was sie inspiriert, und das Kostbarste für sie ist Zeit – wie sie 2018 Daniel Kalt im Interview mit dem „Schaufenst­er“erklärte: „Wenn man sich gegen die Geschwindi­gkeit der Welt, wie wir sie heute kennen, stellen will, dann ist das keine Selbstvers­tändlichke­it. Das braucht Kraft und Zeit. Diese Zeit will ich mir nehmen.“

Über den Unterschie­d zwischen einem fixen Engagement und dem Nicht-Gebundense­in an ein Theater sagte Tscheplano­wa in diesem Gespräch: „Ich denke, dass man als Freischaff­ender so arbeiten muss, als würde man zum Ensemble gehören. Das heißt, nicht denken: ,Oh, ich darf mich nicht beschweren, ich darf nichts einfordern.‘“

Die „Salzburger Nachrichte­n“drehten mit der vielschich­tigen Künstlerin einen Clip, der auf YouTube zu sehen ist, hier spricht sie auch über die Buhlschaft: „Ich traue mich nicht zu sagen, dass das eine Rolle ist. Die Buhlschaft ist ein Auftritt. Ich freue mich auf das Spektakel auf dem Domplatz.“

Das Kleid kannte sie damals noch nicht, sie hoffte, es sei rot, rot und schön sind zwei Begriffe, die im Russischen verwandt sind. Der Wunsch nach einem roten Kleid ist mittlerwei­le jedenfalls in Erfüllung gegangen. Und auch das Ambiente scheint Tscheplano­wa zu gefallen, sagte sie doch über Salzburg, sie liebe die Berge, das Eingekesse­lte, das ihr wie ein Rahmen erscheine. Ähnliches trifft wohl auch auf den Domplatz zu. Wo hält sie sich in Salzburg am liebsten auf? An allen Orten, an denen es Wasser gibt, außerdem nahe der Festung und im Cafe´ Bazar.

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 ?? [ APA ] ?? Valery Tscheplano­wa hat Franz Moor, Maria Stuart und Gretchen gespielt, ab heute, Samstag, ist sie Jedermann Tobias Morettis Buhlschaft bei den Salzburger Festspiele­n.
[ APA ] Valery Tscheplano­wa hat Franz Moor, Maria Stuart und Gretchen gespielt, ab heute, Samstag, ist sie Jedermann Tobias Morettis Buhlschaft bei den Salzburger Festspiele­n.

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