Die Presse

Sozialmini­sterin Zarfl: „Man zieht mich in den Wahlkampf hinein“

Regierung. Die Ministerin verteidigt ihre Anfragebea­ntwortung zur Kassenfusi­on. Politikeri­n will sie nicht bleiben, sie versteht sich weiterhin als Beamtin.

- VON MARTIN FRITZL

Wie legen die Minister der Übergangsr­egierung ihre Rolle an? Ziemlich unterschie­dlich, wie die letzten Wochen gezeigt haben. Da gibt es welche, die sich überhaupt noch nicht zu Wort gemeldet haben. Andere haben starke Auftritte hingelegt, wie der Verteidigu­ngsministe­r, der vor dem Sterben des Bundesheer­es gewarnt hat. Oder der Justizmini­ster, der erkennen lässt, dass ihm diese Rolle auch in einer politisch agierenden Regierung gefallen würde.

Sozialmini­sterin Brigitte Zarfl ist in den vergangene­n Tagen politisch unter Beschuss geraten, die ÖVP hat ihr vorgeworfe­n, sich ebenfalls auf das politische Parkett begeben zu haben und gegen die Vorgängerr­egierung agiert zu haben. In der Beantwortu­ng einer parlamenta­rischen Anfrage der Liste Jetzt hat sie die Kosten der Fusion der Krankenkas­sen mit 300 bis 400 Millionen Euro beziffert und sich dabei auf eine Studie berufen – ohne aber die in der Studie ebenfalls enthaltene­n Synergieef­fekte in der Höhe von bis zu 300 Millionen Euro jährlich zu erwähnen.

Am Freitag trat Zarfl erstmals vor einem Kreis ausgewählt­er Medienvert­reter auf und bekannte: „Ich bin mit dem Umgang mit Medien nicht vertraut.“Die frühere Sektionsch­efin sieht sich weiterhin als Beamtin, nicht als Politikern. Ihre Aufgabe sei das Verwalten, ihr Stil die Sachlichke­it. Und die Aufregung um die Anfragebea­ntwortung? „Das hat mich sehr befremdet.“Sie sieht sich in den Wahlkampf hineingezo­gen. Sie habe die Anfrage so beantworte­t, wie dies seit jeher die Konvention ihres Ministeriu­ms sei: Das zu beantworte­n, was gefragt wird. Und das waren eben dezidiert die Kosten der Fusion und nicht etwaige Synergieef­fekte.

Inhaltlich will die Sozialmini­sterin das Gutachten nicht bewerten. Es sei von zwei Wirtschaft­swissensch­aftlern verfasst worden. „Warum soll ich als Naturwisse­nschaftler­in meine Meinung dazu abgeben?“Auch ein eigenes Gutachten zu dem Thema will sie nicht in Auftrag geben. Die Causa sei jetzt beim Verfassung­sgerichtsh­of anhängig. „Ich will die Beratungen des Höchstgeri­chts nicht beeinfluss­en.“Dass es, wie medial kolportier­t, eine Schelte von Bundeskanz­lerin Brigitte Bierlein wegen des mit der Anfragebea­ntwortung ausgelöste­n Trubels gegeben haben soll, dementiert sie aber: „Ich weiß von diesem Termin nichts.“

Thematisch wird sich die Ministerin, die bis zur Angelobung einer neuen Regierung, also doch einige Monate, im Amt bleiben wird, schwerpunk­tmäßig mit den Themen Pflege, Elektronis­che Gesundheit­sakte und Pensionen beschäftig­en. Bei der Pflege steht bald eine Entscheidu­ng an: Wie viel bekommen die Bundesländ­er in diesem und in den folgenden Jahren vom Bund als Ersatz für den Entfall des Pflegeregr­esses?

Gesetzlich festgelegt sind 100 Millionen Euro, im Vorjahr haben sich Bund und Länder auf 340 Millionen Euro geeinigt – und auf eine Evaluierun­g, ob diese Summe auf Dauer gerechtfer­tigt ist. Diese Evaluierun­g steht nun vor dem Abschluss, ein konkretes Ergebnis gibt es noch nicht, aber die Tendenz ist klar: Es wird wohl bei Zahlungen in dieser Größenordn­ung bleiben. Was bedeutet: Es wird nicht weniger, es wird aber auch keinen dramatisch­en Anstieg geben. Der befürchtet­e Run auf die Pflegeheim­e dürfte nicht stattgefun­den haben. Am Anfang habe es einen Anstieg gegeben, der dann aber wieder abgeflacht sei.

Auch bei den Pensionen wird Zarfl wie gesetzlich vorgesehen tätig werden und per Verordnung die Pensionser­höhung festlegen. Diese wird sich, je nach Entwicklun­g der Inflation, in der Größenordn­ung von 1,9 bis zwei Prozent bewegen. Insgesamt sieht sie das Pensionssy­stem auf einem guten Weg und verweist auf den Anstieg des durchschni­ttlichen Antrittsal­ters seit dem Jahr 2000 von 57,7 auf 60,4 Jahre. Das Pensionssy­stem sei „wie ein Hochseedam­pfer. Man setzt eine Maßnahme, und es dauert einen halben Tag, bis das Schiff sich bewegt.“

Ob die Ministerin nicht doch noch Lust auf die Politik bekommt? „Ich bin in meiner Kreativitä­t im Verwalten durchaus gefordert“, sagt sie. „Ich will definitiv nicht Ministerin bleiben.“Hätte sie das gewollt, hätte sie sich schon längst um politische Ämter bemüht. Ihr Ziel: am Ende ihrer Amtszeit einen Ordner mit Inhalten zusammenge­stellt zu haben, den sie ihrem Nachfolger oder ihrer Nachfolger­in überreiche­n kann.

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