Wer ist Herbert Kickl?
FPÖ. Er ist die Reizfigur in der Politik in Österreich. Und angeblich schuld am Ende von Türkis-Blau. Porträt eines letztlich schwer zu Fassenden.
Herbert Kickl ist ein interessanter Mensch. Ein aufmerksamer Gesprächspartner, mit Sinn für Ironie, durchaus streitlustig, aber nicht unangenehm. Hart im Austeilen, hart im Nehmen. Wobei Reste von Misstrauen nie ganz verschwinden. Rhetorisch einer der Besten seiner Zunft. Und einer, dessen bodenständige Selbstinszenierung – etwa als Bergsteiger auf seinem Instagram-Account oder kulinarisch vor ein paar Monaten beim „Frühstück bei mir“auf Ö3 – fast schon wieder etwas Rührendes hat: Seht her, ein Arbeiterbub aus Kärnten, der etwas aus sich gemacht hat – und dennoch nicht abgehoben ist.
Diesen Eindruck hatte auch die ÖVP recht lang von Herbert Kickl. Selbst als die BVT-Affäre die Republik in Beschlag nahm, neigte Sebastian Kurz lange Zeit eher der Sichtweise seines Innenministers zu als jener rund um die Seilschaften der ÖVP-alt im Innenministerium. Dass die Reaktion von Kickl, insbesondere seines Innenministeriumsgeneralsekretärs Peter Goldgruber, überschießend gewesen sein könnte, dämmerte dann zwar auch bald dem ÖVP-Führungszirkel, aber man ließ Kickl und Co. einmal gewähren, schließlich könnte ja auch was dran sein an den Vorwürfen gegen die schwarzen Vorgänger im Ressort.
„Kickl ist gefährlich“
Als die türkis-blaue Regierung begann, meinte ein namhafter Freiheitlicher hinter vorgehaltener Hand: „Eine super Regierungsmannschaft, nur auf den Kickl muss man aufpassen, der ist gefährlich.“Kickl hatte auch in der FPÖ nicht immer den besten Ruf: Strache war zwar formell Parteichef, viele Entscheidungen traf jedoch Kickl. Und das, ohne viel mit der Wimper zu zucken.
Das traf dann auch den rechten Parteiflügel. Strache, aber auch Kickl waren darum bemüht, das rechtsextreme, antisemitische Image, das der FPÖ mitunter noch immer anhaftete, loszuwerden. So musste Andreas Mölzer nach seinem „Negerkonglomerat“-Sager ebenso gehen wie Susanne Winter nach einem antisemitischen Posting. Die treibende Kraft dahinter war stets Herbert Kickl.
Er wollte die FPÖ zu einer rechten, zuwanderungs-, vor allem islamkritischen Partei machen, aber eben ohne anrüchige und radikale Untertöne. Zu den Burschenschaftern hielt er lange Zeit Distanz. Ebenso zur „Buberlpartie“Jörg Haiders, die um den Wörthersee die Nacht zum Tag machte.
Nach Ibiza galt Herbert Kickl dann auf einmal auch in der ÖVP als gefährlich. Dafür freundete sich die SPÖ im Parlament mit ihm an – und führte ihn nun als Kronzeugen gegen die Kaltschnäuzigkeit des Kanzlers Kurz.
Von den Konflikten, die es offensichtlich schon zuvor zwischen Bundeskanzler Kurz und Innenminister Kickl gegeben hatte, bekam die Öffentlichkeit wenig bis nichts mit. Kickl tat, was er wollte. Zum einen, weil er immer gern tut, was er will. Zum anderen, weil er die Gefahr sah, dass die FPÖ gegenüber der ÖVP ins Hintertreffen geraten könnte, wenn sie zu nachgiebig ist. Die von Kurz immer wieder eingeforderten Distanzierungen und Rechtfertigungen passten Kickl gar nicht. Anfangs akzeptierte er sie, dann wurde es ihm zu viel.
Rund um die Ibiza-Affäre gibt es zwei Lesarten. Die türkise geht so: Herbert Kickl sei völlig uneinsichtig gewesen, wollte Rache und nur die Auftraggeber des Videos ausforschen. Kickl hätte der Reputation Österreichs somit noch größeren Schaden zugefügt. Die blaue Version geht so: Die ÖVP wollte die Gunst der Stunde nützen und Kickl loswerden. Damit man mit dem willfährigeren Norbert Hofer – so sagt das die FPÖ natürlich nicht – weitermachen könne.
Das hätte die FPÖ allerdings zerrissen, ein zweites Knittelfeld wäre absehbar gewesen. Herbert Kickl verkörpert den Kern der FPÖ, bei Parteiveranstaltungen erhält er verlässlich den größten Applaus. Denn Herbert Kickl hält Linie.
„Kickl ist ein Kämpfer“, sagt ein ÖVP-Regierungsmitglied. Der Kampf sei sein Lebenselixier – ob gegen den Berg oder den politischen Gegner. Der drahtige Kärntner geht auch gern die Extrameile, wenn andere schon Schluss machen. Und wenn er in Bedrängnis gerät, kämpft er erst recht. Da ist er Peter Pilz nicht unähnlich.
Wie gefährlich ist Herbert Kickl nun wirklich? Schwer zu sagen. Er bewegt sich auf dem Boden des Rechtsstaats, reizt diesen aber gern bis an die Grenze aus. Rhetorisch ist er in der Lage, sein Tun – aus seiner Sicht – nachvollziehbar zu argumentieren. Was am Gesagten – durchaus schon mal mit verschwörerischem Duktus vorgetragen – ernst gemeint, was Taktik ist, weiß man allerdings auch nie so recht. Und was in seinem Kopf wirklich vorgeht, schon gar nicht. Abkehr von 1968
Seine politische Vision ist ein nicht-linkes Österreich, eine Abkehr von der Ideologie der 68er. Über die Wahl der Mittel, das zu erreichen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Seit Jörg Haider, seinem Mentor, mit dem er dann brach, hat kein Politiker das Land mehr so polarisiert als Herbert Kickl. Wahrscheinlich nicht einmal Heinz-Christian Strache.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen meinte vor Kurzem, er würde Kickl nicht mehr als Innenminister angeloben. Der vormalige ÖVP-Kanzleramtsminister Gernot Blümel meinte, die ÖVP würde Kickl gar nicht mehr als Minister akzeptieren. Was ÖVP-Klubchef August Wöginger diese Woche wieder ein wenig abschwächte.
In den nächsten Wochen ist Herbert Kickl jedenfalls wieder einmal in seiner Paraderolle zu sehen – jener des Wahlkämpfers. Mit Betonung auf Kämpfer.