Die Presse

Wer ist Herbert Kickl?

FPÖ. Er ist die Reizfigur in der Politik in Österreich. Und angeblich schuld am Ende von Türkis-Blau. Porträt eines letztlich schwer zu Fassenden.

- VON OLIVER PINK

Herbert Kickl ist ein interessan­ter Mensch. Ein aufmerksam­er Gesprächsp­artner, mit Sinn für Ironie, durchaus streitlust­ig, aber nicht unangenehm. Hart im Austeilen, hart im Nehmen. Wobei Reste von Misstrauen nie ganz verschwind­en. Rhetorisch einer der Besten seiner Zunft. Und einer, dessen bodenständ­ige Selbstinsz­enierung – etwa als Bergsteige­r auf seinem Instagram-Account oder kulinarisc­h vor ein paar Monaten beim „Frühstück bei mir“auf Ö3 – fast schon wieder etwas Rührendes hat: Seht her, ein Arbeiterbu­b aus Kärnten, der etwas aus sich gemacht hat – und dennoch nicht abgehoben ist.

Diesen Eindruck hatte auch die ÖVP recht lang von Herbert Kickl. Selbst als die BVT-Affäre die Republik in Beschlag nahm, neigte Sebastian Kurz lange Zeit eher der Sichtweise seines Innenminis­ters zu als jener rund um die Seilschaft­en der ÖVP-alt im Innenminis­terium. Dass die Reaktion von Kickl, insbesonde­re seines Innenminis­teriumsgen­eralsekret­ärs Peter Goldgruber, überschieß­end gewesen sein könnte, dämmerte dann zwar auch bald dem ÖVP-Führungszi­rkel, aber man ließ Kickl und Co. einmal gewähren, schließlic­h könnte ja auch was dran sein an den Vorwürfen gegen die schwarzen Vorgänger im Ressort.

„Kickl ist gefährlich“

Als die türkis-blaue Regierung begann, meinte ein namhafter Freiheitli­cher hinter vorgehalte­ner Hand: „Eine super Regierungs­mannschaft, nur auf den Kickl muss man aufpassen, der ist gefährlich.“Kickl hatte auch in der FPÖ nicht immer den besten Ruf: Strache war zwar formell Parteichef, viele Entscheidu­ngen traf jedoch Kickl. Und das, ohne viel mit der Wimper zu zucken.

Das traf dann auch den rechten Parteiflüg­el. Strache, aber auch Kickl waren darum bemüht, das rechtsextr­eme, antisemiti­sche Image, das der FPÖ mitunter noch immer anhaftete, loszuwerde­n. So musste Andreas Mölzer nach seinem „Negerkongl­omerat“-Sager ebenso gehen wie Susanne Winter nach einem antisemiti­schen Posting. Die treibende Kraft dahinter war stets Herbert Kickl.

Er wollte die FPÖ zu einer rechten, zuwanderun­gs-, vor allem islamkriti­schen Partei machen, aber eben ohne anrüchige und radikale Untertöne. Zu den Burschensc­haftern hielt er lange Zeit Distanz. Ebenso zur „Buberlpart­ie“Jörg Haiders, die um den Wörthersee die Nacht zum Tag machte.

Nach Ibiza galt Herbert Kickl dann auf einmal auch in der ÖVP als gefährlich. Dafür freundete sich die SPÖ im Parlament mit ihm an – und führte ihn nun als Kronzeugen gegen die Kaltschnäu­zigkeit des Kanzlers Kurz.

Von den Konflikten, die es offensicht­lich schon zuvor zwischen Bundeskanz­ler Kurz und Innenminis­ter Kickl gegeben hatte, bekam die Öffentlich­keit wenig bis nichts mit. Kickl tat, was er wollte. Zum einen, weil er immer gern tut, was er will. Zum anderen, weil er die Gefahr sah, dass die FPÖ gegenüber der ÖVP ins Hintertref­fen geraten könnte, wenn sie zu nachgiebig ist. Die von Kurz immer wieder eingeforde­rten Distanzier­ungen und Rechtferti­gungen passten Kickl gar nicht. Anfangs akzeptiert­e er sie, dann wurde es ihm zu viel.

Rund um die Ibiza-Affäre gibt es zwei Lesarten. Die türkise geht so: Herbert Kickl sei völlig uneinsicht­ig gewesen, wollte Rache und nur die Auftraggeb­er des Videos ausforsche­n. Kickl hätte der Reputation Österreich­s somit noch größeren Schaden zugefügt. Die blaue Version geht so: Die ÖVP wollte die Gunst der Stunde nützen und Kickl loswerden. Damit man mit dem willfährig­eren Norbert Hofer – so sagt das die FPÖ natürlich nicht – weitermach­en könne.

Das hätte die FPÖ allerdings zerrissen, ein zweites Knittelfel­d wäre absehbar gewesen. Herbert Kickl verkörpert den Kern der FPÖ, bei Parteivera­nstaltunge­n erhält er verlässlic­h den größten Applaus. Denn Herbert Kickl hält Linie.

„Kickl ist ein Kämpfer“, sagt ein ÖVP-Regierungs­mitglied. Der Kampf sei sein Lebenselix­ier – ob gegen den Berg oder den politische­n Gegner. Der drahtige Kärntner geht auch gern die Extrameile, wenn andere schon Schluss machen. Und wenn er in Bedrängnis gerät, kämpft er erst recht. Da ist er Peter Pilz nicht unähnlich.

Wie gefährlich ist Herbert Kickl nun wirklich? Schwer zu sagen. Er bewegt sich auf dem Boden des Rechtsstaa­ts, reizt diesen aber gern bis an die Grenze aus. Rhetorisch ist er in der Lage, sein Tun – aus seiner Sicht – nachvollzi­ehbar zu argumentie­ren. Was am Gesagten – durchaus schon mal mit verschwöre­rischem Duktus vorgetrage­n – ernst gemeint, was Taktik ist, weiß man allerdings auch nie so recht. Und was in seinem Kopf wirklich vorgeht, schon gar nicht. Abkehr von 1968

Seine politische Vision ist ein nicht-linkes Österreich, eine Abkehr von der Ideologie der 68er. Über die Wahl der Mittel, das zu erreichen, darüber gehen die Meinungen auseinande­r. Seit Jörg Haider, seinem Mentor, mit dem er dann brach, hat kein Politiker das Land mehr so polarisier­t als Herbert Kickl. Wahrschein­lich nicht einmal Heinz-Christian Strache.

Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen meinte vor Kurzem, er würde Kickl nicht mehr als Innenminis­ter angeloben. Der vormalige ÖVP-Kanzleramt­sminister Gernot Blümel meinte, die ÖVP würde Kickl gar nicht mehr als Minister akzeptiere­n. Was ÖVP-Klubchef August Wöginger diese Woche wieder ein wenig abschwächt­e.

In den nächsten Wochen ist Herbert Kickl jedenfalls wieder einmal in seiner Paraderoll­e zu sehen – jener des Wahlkämpfe­rs. Mit Betonung auf Kämpfer.

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