Die Presse

Ausgrenzun­g und Alltagsras­sismus sind nicht nur Sache der Politik

US-Präsident Donald Trump würde vier Mandatarin­nen nicht brutal angreifen, wenn das seinen Wählern nicht gefallen würde. Was Österreich davon lernen kann.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Anneliese Rohrer ist Journalist­in in Wien. diepresse. com/rohrer

Szenen in einem New Yorker Supermarkt: Weiße ältere Frau: „Warum gehen Sie nicht zurück, wo Sie herkommen?“

Jüngere Frau mit Kopftuch: „Mache ich. Ich wohne eine Stunde außerhalb der Stadt.“

„Nein, gehen Sie zurück in Ihr Land.“„Sag ich ja. Ich bin in New York geboren.“

„Geht zurück in euer total kaputtes, verbrecher­isches Land, aus dem ihr kommt“, ist nur die vulgäre Version von Donald Trump, aber Ausdruck ein- und derselben rassistisc­hen Grundhaltu­ng. Der US-Präsident spricht aus, was seine Wähler denken. Anders ist es nicht zu erklären, dass seine Angriffe auf vier junge Abgeordnet­e der Demokraten zu einem Anstieg seiner Umfragewer­te geführt haben.

Nur eine dieser Frauen, die Muslimin Ilham Omar aus Minnesota, wurde nicht in den USA geboren. Die anderen „total kaputten“Länder sind Ohio, Michigan und Massachuse­tts. Spielt alles keine Rolle. Trump schafft Identifika­tion mit seinen Wählern. Wer von ihnen hat so etwas (siehe oben) nicht schon einmal selbst gesagt? Dass er einfach lügt und in Wahrheit vier US-Bundesstaa­ten beleidigt, scheint keine Rolle zu spielen.

Die Ab- und Ausgrenzun­g ist bei Trump Programm, gestützt auf die Alltagsrea­lität in den Staaten. Ist sie in Österreich so anders? Bei der Präsentati­on des Buches „Mehr Kopf als Tuch“2017 thematisie­rte die Herausgebe­rin Amani Abuzahra genau diese Alltagsrea­lität. Frage: „Woher kommen Sie?“Antwort: „Aus Amstetten.“Frage: „Nein, aber wirklich, woher?“Antwort: „Gmunden.“Frage: „Aber jetzt wirklich?“Antwort: „Ich bin dort geboren.“Je öfter, so Abuzahra damals, man mit dieser oder ähnlichen Fragen konfrontie­rt ist, desto ausgegrenz­ter fühlt man sich allmählich.

Das ist vielen gar nicht bewusst. Ein aus dem Irak stammender Mann bestätigte jüngst diese Variante des – vielleicht auch ungewollte­n – Alltagsras­sismus. Ja, so meinte er, auch er empfinde das stän

dige Nachfragen (19. Wiener Gemeindebe­zirk? Nicht doch!) als Diskrimini­erung. Unter der Annahme, dass beides nicht bewusst eingesetzt werden soll, was wäre dann die sensiblere Variante der Erkundigun­g? Der Iraker meinte: „Woher stammen Sie?“sei eine solche.

Wirklich? Genügt das für einen inklusiven und nicht ausgrenzen­den Umgang mit unseren – wie heißt es immer? – muslimisch­en Mitbürgern? Ist dieses Nicht-Akzeptiere­n von Amstetten oder Döbling allein schon abgrenzend?

Darum geht es hier eigentlich gar nicht, sondern nur um eine Sensibilis­ierung, die Auswüchse, wie sie in den USA nun Alltag sind, verhindert. Zur Erinnerung: Trump griff in diesem Fall nicht illegale Einwandere­r an, sondern amerikanis­che Staatsbürg­erinnen.

Bevor es in Österreich auch akzeptabel wird, Staatsbürg­er der zweiten und dritten Migranteng­eneration des Landes verweisen zu wollen, sollten wir uns unseres eigenen Alltagsras­sismus bewusst werden.

Dieser beginnt eben mit der Sprache. Abuzahra meinte im Gespräch, am besten wäre es, Einzelfrag­en wie „Woher kommen Sie?“überhaupt zu unterlasse­n. Oder zuerst von sich selbst zu erzählen statt den anderen zu befragen. Wer von uns bedenkt das schon? Achtsamkei­t bei Rassismus und Diskrimini­erung kostet nichts. Nur Umdenken.

Ein Trump bezieht allerdings aus Ausgrenzun­g seinen „Kick“. Nobelpreis­träger Paul Krugman irrt jedoch, wenn er in einem Kommentar in der „New York Times“schreibt, dass es mit Trumps Angriff auf die vier Frauen plötzlich ein Bekenntnis zu Rassismus in den USA gebe.

„Dieses Land ist auf Rassismus aufgebaut. Wir bezahlen jetzt für acht Jahre Obama“, meinte ein afroamerik­anischer Wahlhelfer in der Nacht von Trumps Triumph 2016. „Plötzlich“ist nur die Dreistigke­it rassistisc­her Aussagen. Und das ist kein amerikanis­ches Phänomen allein.

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VON ANNELIESE ROHRER

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