Die Presse

Während in den Städten die Zeichen auf Kapitalism­us stehen, gibt es in manchen Dörfern noch nicht einmal eine Telefonver­bindung. Dazwischen liegt vor allem eines – ganz viel weite, leere Landschaft.

Kasachstan.

- VON JULIA POLLAK

Schon die ersten Minuten in Kasachstan verleiten den Besucher zum Staunen. Das Leuchten der Sonne scheint hier anders als in Europa, weicher irgendwie, und weiter. Überall so ausdruckss­tarke Gesichter, die Einflüsse aus Asien, Europa Russland und dem nahen Osten zeigen. Der Blick trifft die imposante Uniform eines kasachisch­en Grenzpoliz­isten mit einer Kopfbedeck­ung so groß wie ein Serviertel­ler. Hätte die Sonne auf den Beamten geschienen – die Kappe wirkte wie ein Heiligensc­hein.

Bis Anfang des 20. Jahrhunder­ts, beziehungs­weise bis zum Beginn der Sowjetherr­schaft, war Kasachstan vor allem ein Land der Nomaden. Nomaden, die es heute fast nicht mehr gibt und das, obwohl sie, an mo

dernen Maßstäben gemessen, durchaus fortschrit­tlich gelebt haben. Alles, was sie benötigten, hatten sie bei sich. Und so folgten sie ihrer Lebensgrun­dlage, den Viehherden. Heute reisen sie zwar nicht mehr ihrer Nahrung hinterher, aber doch dem, was sie nährt und antreibt – sei es ein Beruf, sei es eine Sehnsucht.

Wir, die Besucher, haben den Sattel am Pferd oder Kamel gegen Auto und Flugzeug getauscht. Apropos Pferd: Es ist in Kasachstan bis heute ein wichtiges Verkehrsmi­ttel und flächendec­kend anzutreffe­n.

Die Steppe hier im südöstlich­sten Zipfel dieses riesigen Landes (das neuntgrößt­e der Welt) ist einer der wenigen Orte, an dem es noch keinen flächendec­kenden Handyempfa­ng gibt. Nicht einmal Telefonans­chlüsse

sind bis in alle Ansiedlung­en vorhanden, die Menschen scheint das vor Ort aber nicht zu stören. Kommunikat­ion geht nach wie vor von Dorf zu Dorf, von Mensch zu Mensch.

Wer glaubt, die Steppe sei eintönig, irrt gewaltig. Während der Fahrt mit einem eisernen Pferd, wie moderne Allradwage­n auch genannt werden, lässt sich eine einfache Formel aufstellen: Jede halbe Stunde bietet sich ein komplett neues Bild. Fast surreal, wie sich die Farben und Formen während des Schauens verändern.

Obwohl stundenlan­ges Autofahren auf Rumpelpist­en nicht gerade auf der Shortlist der schönsten Reiseerfah­rungen steht – vor allem in dieser gewöhnungs­bedürftige­n hohen Geschwindi­gkeit und mit gelegentli­chen kleinen Sprüngen – ist es in Kasachstan­s Steppe durchaus sinnvoll. Fahrer Alexander beschreibt die Motivation dieses Fahrstils so: „Je schneller man fährt, desto schneller ist man wieder auf einer befestigte­n Straße.“Sich Sorgen um den Zustand des Fahrzeuges zu machen, wäre Zeitver

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