„Interessiert, ob andere erpresst werden“
Interview. Ex-Innenminister und FPÖ-Klubchef Herbert Kickl will nicht ausschließen, dass vergangene Rücktritte mit kompromittierenden Videos zusammenhängen. Ein Gespräch über Symbolpolitik, Zynismus und die Folgen von Ibiza.
Ex-Innenminister Kickl will nicht ausschließen, dass vergangene Rücktritte mit kompromittierenden Videos zusammenhängen.
1 Ohne Sie gäbe es TürkisBlau noch, oder? Das glaube ich nicht. Die Voraussetzung dafür wäre ein freiheitlicher Minister gewesen. Wir haben gesagt: Na gut, dann finden wir einen anderen Freiheitlichen. Aber das war ja auch nicht gewollt.
2 Heißt das, eine Regierung mit der ÖVP wäre ohne Herbert Kickl möglich? Ich habe gehört, dass eine Koalitionsbedingung der ÖVP ist, dass ich nicht mehr dabei sein soll. Meine ist: Es muss etwas weitergehen in dem Land. Das ist bisher gelungen, weil die Freiheitlichen Schlüsselressorts übernommen haben. Meine Güte, Sebastian Kurz hat schon des Öfteren seine Meinung diametral geändert.
3 Sie sagen, die Regierung war wahnsinnig erfolgreich. Warum musste man dann das Innenressort umstrukturieren, warum gab es den BVT-Skandal? Der sogenannte BVT-Skandal war ein Kriminalfall. Vorwürfe stehen im Raum, die Staatsanwaltschaft ermittelt und die Dinge nehmen ihren Lauf.
4 Sie wirken mitunter zynisch. Wieso wählt man eine Formulierung wie Ausreisezentrum, wo es doch darum geht, dass sich Asylwerber dort hinwenden? Weil es für jene ohne Asylgrund die erste und letzte Station ist. Es gibt auch Menschen, die bleiben dürfen und Asyl bekommen. Es ist eine Minderheit. Unterschätzen Sie niemals die Macht der Symbolpolitik. Ich bedaure, dass es wieder rückgängig gemacht worden ist, weil die ÖVP mit dem Austausch des Taferls bei der SPÖ erreichen wollte, dass der schwarze Innenminister den Misstrauensantrag übersteht. Vielleicht haben Sie ihn ja wegen des Taferls abgewählt. Das war eine abenteuerliche Aktion: Dass der jetzige Altkanzler dem Bundespräsidenten eine Liste mit Unabhängigen herknallt, bei denen man die Unabhängigkeit mit der Lupe nicht findet. Und dass niemand auf die Idee kommt, dass man dafür im Parlament eine Mehrheit braucht.
5 Wissen Sie schon, wer der Urheber des Ibiza-Videos ist? Beim Auftraggeber tappen wir noch im Dunkeln – genauso bei demjenigen, der es eingesetzt hat. Da ist die Frage: Wem nutzt es? Und? In dem Fall vor allem der ÖVP. Die haben Sie abgewählt. Sie sitzt nicht mehr in der Regierung. Es kann ja sein, dass eine Sprengladung zu stark dosiert ist. Das heißt aber nicht, dass man keine Sprengung wollte. Aber Sie kennen Kurz und sein Team ziemlich gut. Ohne Plan B, C und D machen die selten was. Dass man quasi über Nacht eine Regierungsmannschaft zusammenhatte, das klingt nach Plan B. Bei der Abwahl hat es keinen Plan C gegeben. Insofern ist Ihre Theorie vielleicht nicht passend. Das ist ja das Schöne, es dürfen ja auch noch andere mitspielen.
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Sie haben laut einigen Medien eine Art Prätorianergarde engagiert und sich auch eine Pferdestaffel genommen. Was ist das, Napoleonwahn? Die Prätorianergarde ist Unsinn. Ich habe die Begleitung durch die Cobra am Weg in die Arbeit abbestellt. In Ausnahmefällen hat der Verfassungsschutz übernommen.
7 Haben Sie noch Kontakt zu Heinz-Christian Strache? Durchaus. Wie geht es ihm? Es ist wahrscheinlich ein emotionales Auf und Ab. Aber wir sitzen nicht wöchentlich beisammen. Mit Strache kommuniziert man ja meistens über SMS.
8 Haben Sie nach der Videoveröffentlichung ein klärendes Gespräch mit ihm geführt? Als Betroffener hört man die Frage nach dem Rückzug nicht gern. Aber ich habe es als meine Pflicht gesehen, ihm das ins Gesicht zu sagen. Deswegen war ich überrascht, als Kurz gesagt hat, dass mir in diesem Bereich die Sensibilität fehlt.
9 Sie sollen die Hintermänner und weniger die Inhalte des Videos im Fokus gehabt haben. Die Fragen, wer so etwas plant und ob man ausschließen kann, dass andere Leute erpresst werden, interessierten mich als Minister. Sie glauben, dass andere Personen mit Videos erpresst werden? Das ist ein Verdacht, der in mir aufsteigt. Als Innenminister hat man Nachschau zu halten: Wie haben die fragwürdigen Rücktritte in den vergangenen Jahren ausgesehen? Wen meinen Sie? Es gab Leute, die plötzlich die innenpolitische Bühne verlassen haben, die ihnen alles bedeutet hat. Es könnte sein, dass ich in einer rosa gefärbten Welt lebe. Für mich klingt das ein bisschen nach Weltverschwörung. Wenn ich weiß, wer das Video technisch umgesetzt hat, warum schnappe ich mir die Leute nicht? Was ist da los? Da fehlt mir die Sensibilität bei der ÖVP.
10 In dem Video ist von Parteifinanzierung über Vereine die Rede. Warum ist das laut dem neuen Gesetz noch erlaubt? Das ist eine falsche Interpretation. Unabhängige Organisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die eine Partei unterstützen, werden der Partei zugerechnet.
11 Stimmt es, dass die türkisen und Ihre Ministerien zum Teil akribisch dokumentiert haben, wer wann gestritten hat, um es zu veröffentlichen? Nein. Wir hatten andere Dinge zu tun, als über so einen Schwachsinn Buch zu führen.
12 Wieso ist Norbert Hofer Spitzenkandidat? Scheuen Sie die Öffentlichkeit? Nein, aber ich muss sie auch nicht unbedingt haben. Norbert Hofer war lange Vizeparteichef und hat erfolgreich wahlgekämpft. Er ist die optimale Persönlichkeit.
13 Im Gegensatz zu Hofer waren Sie für viele ein Feindbild. Hat Sie das stolz gemacht, gekränkt, haben Sie überhaupt Gefühle gehabt? Gefühle hat jeder, Sie wie ich. Bei mir merkt man es vielleicht leichter. Wir sind ja keine Maschinen. Stolz macht einen Kritik nicht, aber es bricht einen auch nicht.