Zeit für Einigung auf neue spanische Regierung läuft ab
Intensive Verhandlungen. Die Sozialisten und die linke Partei Podemos räumen Hindernisse bei Koalitionsgesprächen aus dem Weg.
In Spanien herrscht politische Hochspannung: Scheitert die Wahl des Sozialisten Pedro San-´ chez zum Regierungschef? Oder kommt es doch zu einer Einigung in letzter Minute? Kurz vor der Abstimmung im Parlament über eine neue von Sanchez´ angeführte Regierung signalisierten Sozialisten und die linke Partei Unidas Podemos Kompromissbereitschaft, um mit einer Koalitionsvereinbarung die Regierungsbildung zu retten.
Eine Koalition wäre ein Novum für Spanien, wo bisher entweder die Konservativen oder die Sozialisten allein regierten. Doch seit die politische Landschaft mit dem Auftauchen neuer Parteien zerfiel, funktioniert dieses Modell nicht mehr. Das bekamen auch Sanchez’´ Sozialisten zu spüren: Sie haben die Wahl im April mit 29 Prozent gewonnen, können aber ohne Hilfe anderer Parteien nicht regieren.
Den wichtigsten Schritt für eine Last-Minute-Einigung machte Podemos-Chef Pablo Iglesias: Er verzichtete auf die Forderung, in einer Koalition Minister oder gar Vizeregierungschef zu werden. Sozialistenchef Sanchez´ hatte zuvor das als „größtes Hindernis für ein Abkommen“bezeichnet. „Wir haben große Meinungsverschiedenheiten, die die Regierung lähmen würden“, begründete Sanchez´ sein Veto gegen Iglesias.
Der reagierte mit Gelassenheit und sagte, er wolle nicht zum Hemmnis werden: „Meine Anwesenheit im Kabinett wird kein Problem darstellen.“Zugleich diktierte er aber Bedingungen: So dürfe es keine weiteren Einsprüche von Sanchez´ gegen Podemos-Minister geben, sagte er. Und zwar auch dann nicht, wenn die Kandidaten nicht das von Sanchez´ gewünschte politische moderate Profil hätten.
Diese Bedingung birgt neuen Konfliktstoff, der zutage treten könnte, wenn Iglesias seine Lebensgefährtin und Nummer zwei der Partei, Irene Montero, ins Kabinett schicken sollte. Montero ist die Fraktionssprecherin von Podemos und vertritt ähnliche Ansichten wie Iglesias. Dazu gehört zum Beispiel die Forderung, die Monarchie abzuschaffen und den Staat in eine Republik umzuwandeln.
Zudem nannte sie die katalanischen Separatisten, die sich derzeit wegen der illegalen Unabhängigkeitsbeschlüsse 2017 vor Gericht verantworten müssen und in U-Haft sitzen, „politische Gefangene“. Sanchez´ weist dies empört zurück: Spanien sei ein demokratischer Rechtsstaat, in dem niemand wegen seiner politischen Ansichten im Gefängnis sitze.
Trotz dieses Streitpotenzials zeigten sich die Sozialisten optimistisch: „Wir sind überzeugt, dass wir ein Abkommen schließen werden“, sagte Fraktionssprecherin Adriana Lastra am Wochenende. Viel Zeit zum Verhandeln ist nicht mehr. Schon am Dienstag muss das Parlament über Sanchez’´ Kandidatur für das Amt des Regierungschefs abstimmen.
Im ersten Wahlgang benötigt Sanchez,´ dessen Partei 123 Abgeordnete hat, die absolute Mehrheit von 176 Stimmen. Die bekommt er auch mit den 42 Podemos-Parlamentariern nicht zusammen. In einem zweiten Wahlgang würde die einfache Mehrheit, also mehr Ja- als Nein-Stimmen, reichen.
Und wenn es nicht klappt? Dann müsste Spaniens König Felipe sondieren, ob es einen neuen mehrheitsfähigen Premierskandidaten gibt. Letzter Termin für eine Einigung ist der 23. September. Sollte es bis dahin nicht gelingen, einen Regierungschef zu finden, müssen die Bürger erneut an die Urnen – das wäre in Spanien die vierte Neuwahl in vier Jahren.