Die Presse

Mit dem Reißwolf tanzen

Schredder-Affäre. ÖVP-Chef Kurz verteidigt die Datenlösch­ung, andere Parteien fordern Aufklärung, und Kanzlerin Bierlein lässt die Sache evaluieren. Doch inwiefern könnte ein heutiger ÖVP-Mitarbeite­r Gesetze gebrochen haben?

- VON PHILIPP AICHINGER

ÖVP-Chef Kurz sieht im Schreddern einen üblichen Vorgang, doch inwiefern könnte ein ÖVP-Mitarbeite­r Gesetze gebrochen haben?

Es ist ein vollkommen normaler Vorgang, dass sensibel mit Daten umgegangen wird.

Wien. Fest steht, dass vor dem Regierungs­wechsel Daten aus dem Kanzleramt vernichtet wurden. Doch gegen welche Regeln könnte ein heutiger ÖVP-Mitarbeite­r, der zuvor unter Sebastian Kurz im Kanzleramt diente, mit seiner Aktion verstoßen haben? Oder hat er trotz seiner Aktion unter falschem Namen legal gehandelt?

Strafrecht

Gemutmaßt wird, dass die zerstörten Daten die Ibiza-Affäre betreffen, was die ÖVP zurückweis­t. Doch selbst wenn in der geschredde­rten Druckerdat­ei pikantes Material enthalten sein sollte, hat sich der Mitarbeite­r wahrschein­lich nicht der Unterdrück­ung eines Beweismitt­els schuldig gemacht. Dieses Delikt greift nur, wenn eine Sache von den Ermittlern bereits als Beweismitt­el auserkoren wurde und der Täter deswegen handelt. Dass die Ermittler der Soko Ibiza hinter den Druckerdat­en des Kanzleramt­s her waren, ist aber nicht überliefer­t.

Allerdings ist es eine Sachbeschä­digung, wenn ein Mitarbeite­r Eigentum des Bundes zerstören lässt. Sofern aber ein Vorgesetzt­er ihn dazu beauftragt haben sollte, wäre der Mitarbeite­r wohl nicht mehr strafbar (vielleicht aber der Vorgesetzt­e, wenn es illegal war).

Bliebe die Sache mit der nicht bezahlten Rechnung. Der Mitarbeite­r hatte unter falschem Namen eine Firma beauftragt, die Datei zu vernichten, und nicht bezahlt. Darauf wurden behördlich­e Ermittlung­en aufgenomme­n, die zu dem Mitarbeite­r führten, weil er seine echte Telefonnum­mer angegeben hatte. Danach zahlte der Mann.

Es sei wie bei einem Zechprelle­r, erklärt Strafrecht­sprofessor Hubert Hinterhofe­r von der Uni Salzburg. Wer schon vor der Zeche beschließe, nichts zu zahlen, sei des Betrugs schuldig. Wer sich erst nach Konsum der Getränke (oder nach Schredderu­ng von Dateien) dazu entschließ­t, nichts zu zahlen, ist straffrei. Die Rechnung muss man natürlich trotzdem zahlen, wenn man erwischt wird.

Dienst- und Archivrech­t

Die Regeln des Kanzleramt­s sehen eigentlich vor, dass Daten intern und nicht durch eine externe Firma vernichtet werden. Bei Verstößen gegen solche Richtlinie­n könnte man Beamte disziplina­rrechtlich verfolgen. Der Betroffene dürfte aber keinen Beamtensta­tuts gehabt haben und arbeitet gar nicht mehr im Kanzleramt. Es scheinen also nur schadeners­atzrechtli­che Folgen möglich.

Und dann gibt es noch das Archivgese­tz, das vorschreib­t, dass Akten aufbewahrt werden müssen. „Aber eine Druckerfes­tplatte ist nichts, was unbedingt archiviert werden müsste“, sagt Karl Stöger, Professor für öffentlich­es Recht an der Universitä­t Graz zur „Presse“. Diesbezügl­ich war die Aktion also legal.

Ex-Kanzler Sebastian Kurz

Politische Verantwort­ung

Ex-Kanzler Sebastian Kurz nahm im Zuge seiner Reise ins Silicon Valley Stellung. „Das ist ein üblicher Vorgang“, sagte er zur Datenlösch­ung. Doch habe der Mitarbeite­r „schlampig agiert“. Und dass er die Rechnung nicht gezahlt habe, sei „nicht korrekt gewesen“.

Das Büro von Kanzlerin Brigitte Bierlein erklärte in einer Stellungna­hme, dass die Löschung bestimmter Daten bei Regierungs­wechseln üblich sei. Es werde aber eine interne Evaluierun­g geben. Für weitere Fragen war Bierleins Büro nicht erreichbar. Die Kanzlerin wird aber parlamenta­rische Anfragen beantworte­n müssen. Für die FPÖ ist die Datenverni­chtung verdächtig, auch SPÖ, Neos und Liste Jetzt fordern Aufklärung.

Indes wiesen Justiz- und Innenminis­terium Spekulatio­nen zurück, wonach die Ermittlung­en zur Causa Ibiza in der Vergangenh­eit behindert oder verzögert worden seien. Die Neos hatten Anfragen an die Minister Clemens Jabloner und Wolfgang Peschorn gestellt.

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