Britischer Balanceakt in Iran-Krise
Diplomatie. Außenminister Jeremy Hunt sprach sich für Sanktionen gegen die iranischen Revolutionsgarden aus. Unter Boris Johnson als Premier könnte sich der Kurs verschärfen.
Wien/London. Während in London die letzten Stunden des Countdowns für die Briefwahl des neuen Tory-Chefs und Premierministers liefen und die Stimmung im Regierungsviertel Whitehall von fieberhafter Nervosität gezeichnet war, nahm die Iran-Krise die auseinanderstrebende Regierung Theresa Mays in Beschlag. Der Nationale Sicherheitsrat trat unter Führung der Premierministerin in einer ihrer letzten Amtshandlungen zusammen, und Außenminister Jeremy Hunt gab im Parlament eine Stellungnahme über die weitere Vorgangsweise ab, die womöglich bereits Boris Johnson, sein direkter Kontrahent im Duell um die Downing Street, exekutieren und womöglich verschärfen wird.
Im Fall des vom Iran festgesetzten Öltankers Steno Impero stand Hunt unter großem Druck, auf den härteren Kurs der USA gegen das Mullah-Regime in Teheran einzuschwenken. Vehement verteidigte er die Aufbringung des iranischen Öltankers Grace 1 vor Gibraltar, die zur iranischen Gegenmaßnahme geführt hat. Konsens im Sicherheitsrat war die Verhängung von Sanktionen gegen Kommandeure der iranischen Revolutionsgarden, die im Konflikt im Persischen Golf an vorderster Front agieren. Unter bestimmten Bedingungen werde sich Großbritannien auch einer internationalen Escort-Flotte im Golf anschließen, hieß es.
Druck der Hardliner
Zuvor hatte sich Hunt mit Heiko Maas und Jean-Yves Le Drian, seinen Amtskollegen in Berlin und Paris, auf eine gemeinsame Linie geeinigt. Großbritannien wies Öltanker unter britischer Flagge an, die Straße von Hormuz bis zur Beilegung der Krise zu meiden.
Für Hunt ist es ein Balanceakt zwischen den US-Gegnern des Atomabkommens mit dem Iran, den Verbündeten und Hardlinern in Washington und den europäischen Partnern, die nach Kräften versuchen, an dem Pakt festzuhalten. Britische Diplomaten fürchten, eine komplette Einbindung in eine Allianz unter US-Führung könnte in einer militärischen Eskalation münden. Die Trump-Regierung drängt die Briten, der Operation Sentinel, einer Schutzflotte auf den Weltmeeren, beizutreten. Um die Regierung in London noch mehr in Zugzwang zu bringen, erklärte USAußenminister Mike Pompeo, es liege zuallererst in der Verantwortung der Briten, ihre Schiffe zu beschützen.
Ex-Außenminister Boris Johnson, Hunts Vorgänger, gab sich bisher zwar bedeckt zum Tankerkonflikt zwischen London und Teheran. Doch Iain Duncan-Smith, ein Vertrauter und potenzieller Ministerkandidat, kritisierte, dass Großbritannien den Ernst der Lage falsch eingeschätzt und das Angebot der USA als Schutzmacht bisher ausgeschlagen habe. Aufklärung forderte er überdies, warum die britische Fregatte HMS Montrose im Golf zu weit entfernt gewesen sei, um in das Geschehen in der Meerenge einzugreifen.
Vize-Verteidigungsminister Tobias Elwood monierte den Sparkurs bei der Royal Navy seit dem Ende des Kalten Kriegs: „Wenn wir – unter verändertem Bedrohungsszenario unterhalb der Kriegsstufe – weiter eine Rolle auf der internationalen Bühne spielen wollen, müssen wir mehr in unsere Verteidigung investieren.“
Der Iran veröffentlichte derweil Aufnahmen des Tankers Steno Impero, der unter iranischer Flagge im Ölhafen Bandar Abbas vor Anker liegt, und seiner 23-köpfigen Besatzung, die augenscheinlich in guter Verfassung ist. Das Video zeigt die Männer, zum Großteil Inder, bei einer Besprechung an Bord und in der Küche.
Zugleich treibt Teheran den Propagandakrieg gegen den Westen voran. Der iranische Geheimdienst will ein CIA-Netzwerk im Iran aufgedeckt haben. Im Lauf eines Jahres sollen 17 USAgenten aufgeflogen sein, manchen von ihnen droht jetzt die Todesstrafe. Seit einem Putsch gegen Premier Mohammed Mossadegh 1953 ist der US-Auslandsgeheimdienst im Iran besonders verhasst. Pompeo stellte die Aktion in Abrede: Das iranische Regime sei dafür bekannt, notorisch zu lügen.
Wenn wir weiter eine Rolle auf der internationalen Bühne spielen wollen, müssen wir mehr in unsere Verteidigung investieren.
Tobias Elwood, Vizeverteidigungsminister