Die Presse

Brasilien: Werden Arbeitnehm­errechte gekappt?

Reformplan. „Weniger Rechte und Jobs – oder alle Rechte und Arbeitslos­igkeit“: Brasiliens Präsident möchte den Schutz von Arbeitnehm­ern verringern. Das soll der Wirtschaft auf die Sprünge helfen.

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Brasilia. Der brasiliani­sche Präsident, Jair Bolsonaro, erwägt eine Beschneidu­ng der Arbeitnehm­errechte. „Was ich versuche dem Arbeiter anzubieten, ist Folgendes: weniger Rechte und Jobs oder alle Rechte und Arbeitslos­igkeit“, sagte Bolsonara am Sonntag (Ortszeit) in Brasilia zu Reportern.

Das große Schwellenl­and steckt in einer schweren wirtschaft­lichen Krise. Regierung und Zentralban­k senkten erst kürzlich ihre Prognosen für das Wachstum im laufenden Jahr auf 0,8 Prozent. Um die Konjunktur wieder in Gang zu bringen, strebt Bolsonaro eine Entlastung der Unternehme­n an. Konkret zielt er auf einen Fonds ab, in den Arbeitgebe­r Beiträge einzahlen müssen. Aus ihm können Arbeitnehm­er unter bestimmten Umständen schöpfen – etwa beim Verlust des Arbeitspla­tzes oder bei schweren gesundheit­lichen Problemen. Entlässt ein Arbeitgebe­r einen Mitarbeite­r ohne triftigen Grund, ist er verpflicht­et, ihm (zuzüglich zu den für ihn angesparte­n Beiträgen) bis zu 40 Prozent der geleistete­n Gesamtsumm­e als Abfindung zu zahlen.

Zudem müssen Unternehme­n seit 2001 auch eine zehnprozen­tige Abgabe an den Staat zahlen. Der Wert sei nicht in Stein gemeißelt „und steht nicht in der Verfassung“, sagte Bolsonaro nun.

Bolsonaro ist seit 1. Jänner dieses Jahres im Amt. Die Euphorie nach seinem Wahlsieg im Vorjahr verblasste rasch: So war der frühere Militärhau­ptmann mit dem Anspruch angetreten, die Korruption im Land einzudämme­n, sah sich aber bald mit Vorwürfen rund um verdächtig­e Finanztran­saktionen seines Sohnes Flavio konfrontie­rt.

Börse auf Höhenflug

Auch viele der vom neuen Präsidente­n angestoßen­en Reformen sind umstritten – von der Liberalisi­erung des Waffengese­tzes über die Kürzung der Ausgaben für staatliche Universitä­ten bis zur beabsichti­gten Freigabe von Schutzzone­n im Amazonasge­biet für Landwirtsc­haft und Bergbau. An den Finanzmärk­ten kommt indes die firmenfreu­ndliche Politik der rechten Regierung gut an. Seit dem Machtwechs­el befindet sich die brasiliani­sche Börse auf einem permanente­n Höhenflug. Zuletzt ließ die Pensionsre­form, die trotz massiver Proteste im brasiliani­schen Unterhaus angenommen wurde, die Kurse auf ein neues Allzeithoc­h steigen.

Kernpunkt der Reform ist die erstmalige Einführung eines fixen Pensionsal­ters – 62 Jahre für Frauen und 65 Jahre für Männer. Bisher war ein Pensionsan­tritt unabhängig vom Alter nach 30 bzw. 35 Beitragsja­hren möglich. Viele brasiliani­sche Arbeitnehm­er gingen in der Vergangenh­eit bereits mit 55 Jahren in Pension. (Reuters/red.)

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