Karge Töne und Sturzbäche in a-Moll für die arme Seele
Noch mehr „Lacrimae“bei der Ouverture spirituelle in Salzburg.
Was für ein Kontrast! Nach Zelenkas elektrisierenden Höllenvisionen am Vormittag erwies sich Arvo Pärt am Abend im Mozarteum gleichsam doppelt als Meister des Weglassens. Wie völlig erschöpft trug der Solotenor seine Bitte um Erbarmen vor – und die Klarinette kommentierte die Stille mit kargen Tönen, als tropften Tränen auf das Notenpapier. Ja, Tränen: „Lacrimae“sind heuer das Leitthema der Ouverture spirituelle, das Österreichische Ensemble für Neue Musik und der Chor des Bayerischen Rundfunks erkundeten Pärts vielfach zurückgenommene Vertonung des Psalmentexts.
Auch die kommt freilich nicht ohne monumentale Wirkungen aus: Im eingeschobenen „Dies irae“aus dem Requiem prasseln Sturzbäche in a-Moll auf die arme Seele, gefasst in einen dreistimmigen Proportionskanon. Mögen da auch Pauken dröhnen und Glocken schlagen, am intensivsten wirkt Pärt in der Reduktion, in den von den Solisten exakt getroffenen Sekundreibungen, elementar, nackt, ehrlich. Weitere Chorwerke Pärts fügten sich zur Huldigung an den anwesenden 84-jährigen Komponisten.
Nach ihm und Alfred Schnittke schließlich der dritte Komponist, der in der Sowjetunion leben und arbeiten musste: Schostakowitschs Schwanengesang, seine Sonate für Bratsche und Klavier. Antoine Tamestit und Markus Hinterhäuser lieferten eine Deutung wie aus einem Guss, kantabel und zugleich präzise bis in die letzten Zuckungen aufgesetzten Walzer-Frohsinns hinein, vor allem aber bis in eine reich schattierte Düsternis, die in einem selbstquälerischen Nachgrübeln über Beethovens „Mondscheinsonate“kulminiert. (wawe)