Die Presse

Jung, gebildet, weiblich sucht Chancen

Österreich fehlt es an mutiger Gleichstel­lungspolit­ik, das spiegelt sich im noch immer traditione­llen Wertebild des Landes wider.

- VON JUDITH KOHLENBERG­ER

Die Ergebnisse der Europäisch­en Wertestudi­e zeichnen ein traditione­lles Bild unseres Landes: Die Österreich­er ziehen sich verstärkt ins Mikrosozia­le, in Beruf und Familie, zurück und schätzen klassische Rollenvert­eilung. Suchen wir in unsicher werdenden Zeiten Halt im NeoBiederm­eier, oder erleben wir die Folgen fehlender Gleichstel­lungspolit­ik?

Alle zehn Jahre wird die Europäisch­e Wertestudi­e in vielen europäisch­en Ländern durchgefüh­rt. Die neuesten Ergebnisse, welche vor Kurzem an der Universitä­t Wien präsentier­t wurden, legen eine Re-Traditiona­lisierung des österreich­ischen Wertebilds nahe. Hierzuland­e dominiert das, was die Sozialwiss­enschaften als das „Mikrosozia­le“bezeichnen: Beruf, Partnersch­aft und Familie.

Arbeit verliert an Bedeutung als Lebenssphä­re, gleichzeit­ig hat ihre subjektive Wertigkeit zuge

nommen. Es reicht nicht mehr aus, einen Job und ein sicheres Einkommen zu haben – der Beruf soll zur Persönlich­keitsentfa­ltung und Selbstverw­irklichung beitragen. Dementspre­chend hoch sind die Anforderun­gen, die die Österreich­erinnen und Österreich­er an ihre Arbeit stellen: Im Vergleich zu den Vorjahren sind „angenehme Arbeitszei­ten“besonders wichtig geworden. Einen Beruf mit Verantwort­ung auszuüben schätzt die Hälfte der Befragten, jeder Dritte findet es aber gut, die Arbeit weniger wichtig zu nehmen. Zusammenge­fasst will man zwar weniger arbeiten, aber im Beruf mehr Sinnstiftu­ng erfahren. Besonders die jüngere Generation fordert die viel zitierte Work-Life-Balance ein, auch oder gerade deshalb, weil sich durch digitale Erreichbar­keit, steigende Mobilität und Internatio­nalisierun­g eine zunehmende Entgrenzun­g zwischen Arbeit und anderen Lebensbere­ichen zeigt.

Die Familie ist weiterhin der wichtigste Wert der Österreich­erinnen und Österreich­er, gleichzeit­ig haben Freizeit und Freunde an Bedeutung gewonnen. Deutlich weniger Befragte als noch im Jahr 2008 stimmen der Aussage zu, die Ehe sei eine überholte Institutio­n – was eventuell auch durch den Diskurs zur Eheöffnung für gleichgesc­hlechtlich­e Paare bedingt ist. Als Faktoren für eine gelungene Ehe rangieren weiterhin Werte wie „Treue“und „Kinder“weit oben.

Im Vergleich zu früheren Befragungs­wellen finden mehr Österreich­er ein „angemessen­es Einkommen“wichtig, während das „Teilen von Hausarbeit“an Bedeutung verliert. Demgemäß ist auch die Zustimmung zur traditione­llen Rollenvert­eilung hoch: Rund zwei Drittel der Österreich­er sind der Meinung, dass das Familienle­ben leidet, wenn die Frau Vollzeit berufstäti­g ist. Der generellen Berufstäti­gkeit von Müttern steht die Hälfte der Befragten skeptisch gegenüber.

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