Jung, gebildet, weiblich sucht Chancen
Österreich fehlt es an mutiger Gleichstellungspolitik, das spiegelt sich im noch immer traditionellen Wertebild des Landes wider.
Die Ergebnisse der Europäischen Wertestudie zeichnen ein traditionelles Bild unseres Landes: Die Österreicher ziehen sich verstärkt ins Mikrosoziale, in Beruf und Familie, zurück und schätzen klassische Rollenverteilung. Suchen wir in unsicher werdenden Zeiten Halt im NeoBiedermeier, oder erleben wir die Folgen fehlender Gleichstellungspolitik?
Alle zehn Jahre wird die Europäische Wertestudie in vielen europäischen Ländern durchgeführt. Die neuesten Ergebnisse, welche vor Kurzem an der Universität Wien präsentiert wurden, legen eine Re-Traditionalisierung des österreichischen Wertebilds nahe. Hierzulande dominiert das, was die Sozialwissenschaften als das „Mikrosoziale“bezeichnen: Beruf, Partnerschaft und Familie.
Arbeit verliert an Bedeutung als Lebenssphäre, gleichzeitig hat ihre subjektive Wertigkeit zuge
nommen. Es reicht nicht mehr aus, einen Job und ein sicheres Einkommen zu haben – der Beruf soll zur Persönlichkeitsentfaltung und Selbstverwirklichung beitragen. Dementsprechend hoch sind die Anforderungen, die die Österreicherinnen und Österreicher an ihre Arbeit stellen: Im Vergleich zu den Vorjahren sind „angenehme Arbeitszeiten“besonders wichtig geworden. Einen Beruf mit Verantwortung auszuüben schätzt die Hälfte der Befragten, jeder Dritte findet es aber gut, die Arbeit weniger wichtig zu nehmen. Zusammengefasst will man zwar weniger arbeiten, aber im Beruf mehr Sinnstiftung erfahren. Besonders die jüngere Generation fordert die viel zitierte Work-Life-Balance ein, auch oder gerade deshalb, weil sich durch digitale Erreichbarkeit, steigende Mobilität und Internationalisierung eine zunehmende Entgrenzung zwischen Arbeit und anderen Lebensbereichen zeigt.
Die Familie ist weiterhin der wichtigste Wert der Österreicherinnen und Österreicher, gleichzeitig haben Freizeit und Freunde an Bedeutung gewonnen. Deutlich weniger Befragte als noch im Jahr 2008 stimmen der Aussage zu, die Ehe sei eine überholte Institution – was eventuell auch durch den Diskurs zur Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare bedingt ist. Als Faktoren für eine gelungene Ehe rangieren weiterhin Werte wie „Treue“und „Kinder“weit oben.
Im Vergleich zu früheren Befragungswellen finden mehr Österreicher ein „angemessenes Einkommen“wichtig, während das „Teilen von Hausarbeit“an Bedeutung verliert. Demgemäß ist auch die Zustimmung zur traditionellen Rollenverteilung hoch: Rund zwei Drittel der Österreicher sind der Meinung, dass das Familienleben leidet, wenn die Frau Vollzeit berufstätig ist. Der generellen Berufstätigkeit von Müttern steht die Hälfte der Befragten skeptisch gegenüber.