Die Presse

Chef der IAEA in Wien, Yukiya Amano, ist tot

Nachruf. Der Chef der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde (IAEA) in Wien, der Japaner Yukiya Amano, ist tot.

- VON JULIA RAABE

Im Alter von 72 Jahren ist der Generaldir­ektor der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde in Wien, Yukiya Amano, gestorben. Details zur Todesursac­he wurden zunächst nicht bekannt. Der Japaner stand seit 2009 an der Spitze der IAEA.

Es war nur eine knappe Mitteilung, mit der die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde in Wien am Montag den Tod ihres Generaldir­ektors bekannt gab. Das Sekretaria­t der IAEA „bedauert mit großer Traurigkei­t, über den Tod von Generaldir­ektor Yukiya Amano zu informiere­n“, hieß es darin. Dann folgte ein Zitat des Japaners, mit dem er die Organisati­on in dieser Woche eigentlich über seinen vorzeitige­n Rücktritt hatte informiere­n wollen. Er sei stolz auf das Erreichte und danke den Mitgliedst­aaten und den Mitarbeite­rn. Nun ist der Tod seinem Rückzug zuvorgekom­men. Die IAEA-Flagge in der UNO-City wurde auf halbmast gesetzt.

Amano stand seit 2009 an der Spitze der Organisati­on, die eine Nichtweite­rverbreitu­ng von Atomwaffen überwacht und die friedliche Nutzung von Kernenergi­e propagiert. Gerüchte über einen vorzeitige­n Rücktritt aus Gesundheit­sgründen hatte es bereits Anfang vergangene­r Woche gegeben. Seit Monaten kämpfte der 1947 in der Küstenstad­t Yugawara geborene Diplomat mit einer Krankheit, über Details schweigt sich die IAEA jedoch aus. Anfang Juli blieb er deshalb einer von den USA beantragte­n Sondersitz­ung zu Irans Atomprogra­mm fern. Auch im vergangene­n Herbst war er mehrere Wochen im Krankensta­nd.

Die Todesnachr­icht wurde der Öffentlich­keit verspätet überbracht: Amano sei bereits am 18. Juli verstorben, sagte ein Sprecher. „Auf Wunsch der Familie“sei dies nicht sofort kommunizie­rt worden.

Für die IAEA kommt der Tod Amanos, der erst 2017 für eine dritte Amtszeit von vier Jahren bestätigt worden war, zu einem schwierige­n Zeitpunkt: Seit dem Austritt der USA aus dem Wiener Atomabkomm­en und dem angekündig­ten Teilaussti­eg vonseiten Teherans steht der Deal auf Messers Schneide. IAEA-Inspektore­n überwachen dessen Einhaltung und spielen damit eine wichtige Rolle bei den Bemühungen, das Abkommen trotz der steigenden Spannungen noch zu retten.

Scharfe Kritik von Netanjahu

Gerade das hatte der IAEA – und damit Amano – aber auch Kritik eingetrage­n. Vor der UN-Generalver­sammlung im September warf Israels Premier, Benjamin Netanjahu, dem stets zurückhalt­end wirkenden IAEAChef persönlich vor, zu wenig scharf kontrollie­rt und angebliche israelisch­e Beweise über iranische Pläne zum Bau von Atomwaffen über Monate ignoriert zu haben.

Amano war als Generaldir­ektor von Beginn an nicht unumstritt­en. Bei seiner Kandidatur für den Posten konnte er sich vor zehn Jahren erst am Ende eines über Monate dauernden diplomatis­chen Ringens knapp gegen den Südafrikan­er Abdul Samad Minty durchsetze­n. Zu groß waren die Vorbehalte, vor allem aufseiten der Entwicklun­gsländer.

Gleichzeit­ig trat er in denkbar große Fußstapfen: Sein charismati­scher und unbeugsame­r Vorgänger, Mohammed ElBaradei, der zusammen mit der IAEA 2005 den Friedensno­belpreis erhielt, scheute keine klaren Worte. Das hatte dem Ägypter vor allem auf westlicher Seite den Vorwurf eingebrach­t, die Behörde zu politisch geführt und gespalten zu haben. Der leise und bescheiden auftretend­e Amano versprach einen weniger aggressive­n Kurs. „Wir sind eine technische, keine politische Organisati­on“, gehörte zu seinen Mantras. Seinen Amtsantrit­t belasteten Spekulatio­nen, nach dem Abgang des mit Washington über Kreuz liegenden ElBaradei ein US-Erfüllungs­gehilfe zu sein.

Ausgewiese­ner Abrüstungs­experte

Ungeachtet seiner Zurückhalt­ung und Zweifel an seiner Kommunikat­ionsfähigk­eit galt Amano als ein ausgewiese­ner Fachmann in Fragen der internatio­nalen Abrüstung. Der Karrieredi­plomat und studierte Jurist hatte sich darauf schon früh spezialisi­ert. 1972 in die Dienste des Außenminis­teriums seines Landes eingetrete­n, übernahm er 1993 die Abteilunge­n für Atomwissen­schaften und für Atomenergi­e und handelte wichtige Rüstungsko­ntrollvert­räge aus. 2005 schickte Tokio ihn als Botschafte­r zur IAEA.

Immer wieder betonte Amano, sich als Japaner vor dem Hintergrun­d der Atombomben­abwürfe von Hiroshima und Nagasaki besonders verpflicht­et zu fühlen, sich für die Nichtweite­rverbreitu­ng von Atomwaffen einzusetze­n. Gleichzeit­ig versuchte er während seiner Amtszeit, auch andere Anwendunge­n von Nuklearene­rgie, etwa in der Medizin, in den Fokus zu rücken.

Die Nuklearkat­astrophe von Fukushima 2011 war für Amano auch eine persönlich­e Tragödie. Die IAEA musste sich dabei den Vorwurf gefallen lassen, sich als Förderorga­nisation der zivilen Kernenergi­e in einem Interessen­konflikt befunden und die nukleare Sicherheit vernachläs­sigt zu haben. Amano drängte in der Folge mit einer für ihn sonst ungewöhnli­chen Deutlichke­it darauf, Atomkraftw­erke sicherer zu machen.

Nach Bekanntwer­den seines Todes zeigten sich zahlreiche Spitzenpol­itiker tief betroffen. Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen würdigte den Japaner als „wichtige Persönlich­keit im Kampf um den nuklearen Frieden“. Yukiya Amano wurde 72 Jahre alt.

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[ AFP ] Der Japaner Amano stand ab 2009 an der Spitze der Atomenergi­ebehörde in der Wiener UNO-City.

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