Warum Herzinfarkt typisch menschlich ist
Wissenschaft. Eine Mutation, die unsere Ahnen einst vor Malaria schützte, begünstigt Atherosklerose.
Es gibt wohl nicht das eine Gen, das uns zu Menschen gemacht hat. Aber CMAH hat dabei zumindest mitgespielt – und illustriert schön, wie vielseitig ein Gen wirken kann. Oder diesfalls nicht wirkt. Denn vor circa drei Millionen Jahren hat es in unseren Ahnen durch eine Mutation seine Funktion eingestellt, die es war, eine Sialinsäure (Neu5Ac) in eine andere (Neu5Gc) zu verwandeln. Solche Sialinsäuren sitzen an der Oberfläche von Zellen und beeinflussen deren Kommunikation mit der Außenwelt.
Auch mit Krankheitserregern. Etwa dem Erreger einer Form von Malaria, die vor circa drei Millionen Jahren unter unseren Ahnen wütete. Er hängte sich an Neu5Gc, wer diese Sialinsäure nicht hatte, war also gegen diesen Erreger immun. So konnte sich diese Mutation durchsetzen. Sie brachte noch einen zweiten Vorteil: Wer kein funktionierendes CMAH hat, entwickelt ausdauerndere Muskeln. Das war in der Savanne, dem damals neuen Lebensraum der Menschen, ein Bonus. Eine Arbeit über diesen Zusammenhang hat Ajit Varki, auf dieses Gen spezialisierter Mediziner an der University of California in San Diego, voriges Jahr publiziert.
Varki glaubt sogar, dass der Ausfall von CMAH die Entstehung der Gattung Homo beschleunigt habe: Das Immunsystem von Frauen, die kein Neu5Gc erzeugten, habe die Spermien von Männern abgestoßen, die es noch erzeugten; so habe sich die Fortpflanzungsbarriere etabliert, die für die Aufspaltung einer Art in zwei Arten notwendig ist.
Unser Immunsystem reagiert noch immer auf Neu5Gc, und diese Immunreaktion kann erklären, warum es ungesund ist, rotes Fleisch zu essen. Dieses stammt ja von (anderen) Säugetieren, und diese produzieren alle Neu5Gc, das in uns eine Immunantwort provoziert, die auf Dauer in Entzündungen oder gar Krebs münden kann.
Oder in Atherosklerose, die auch ein entzündlicher Prozess ist. In einer neuen Arbeit, erschienen in Pnas (22. 7.), schildert Varki, dass genmanipulierte Mäuse, bei denen wie bei Menschen das CMAH-Gen nicht funktioniert, öfter an Atherosklerose leiden, offenbar aus mehreren Gründen, u. a. weil sie mehr zu Diabetes neigen. Aber verstärkt wird ihre Atherosklerose, wenn sie mit der Nahrung viel Neu5Gc aufnehmen.
Das könnte eine andere typische Eigenschaft von Menschen erklären, die die Pathologin Nissi Varki, die Frau Ajit Varkis, schon vor zehn Jahren beschrieben hat: Wir sind die einzigen Primaten, die durch Atherosklerose ausgelöste Herzinfarkte erleiden. Schimpansen, auch wenn sie fett essen und faul sind, passiert das nicht.