Verbrannt, versenkt, beschossen
An der Brandverhütungsstelle in Linz werden Bauprodukte und -materialien auf Herz und Nieren geprüft, um ihr Verhalten im Brandfall oder bei Unwettern zu testen – unter anderem mit einer dort entwickelten Hagelkanone.
Wir werden dafür bezahlt, Dinge kaputt zu machen“, sagt Bauingenieur Hans Starl, während er die Besucher durch die Prüfhallen seines Instituts führt. Ein verschmitztes Lächeln kann er sich dabei nicht verkneifen, denn was nach dem Traumjob von so manchem Fünfjährigen klingt, hat der gebürtige Steirer tatsächlich zum Beruf gemacht: Er verbrennt Dinge in riesigen Öfen, setzt sie unter Wasser oder beschießt sie mit Eiskugeln.
Schon in der ersten Halle des Instituts für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung (IBS) in Linz wird aber deutlich, dass es sich bei Starls Profession nicht um Kindereien handelt: Neun Meter hoch ragen die Brennkammern des größten Ofens am Institut, der dank einer offenen Seite ein wenig an den Chor einer kleineren Kirche erinnert. In die Seitenwände sind in regelmäßigen Abständen armdicke Löcher eingelassen, die den leichten Geruch nach heißem Metall erklären, der durch die Hallen zieht – es sind die Brenner, aus denen Starl zur Demonstration bläuliche Flammen fauchen lässt.
Bei einer tatsächlichen Brandschutzprüfung werden hier Bauprodukte wie eine Tür oder ein Fenster in einen passenden Rahmen gemauert, und damit wird die offene Seite des Ofens verschlossen. Das dahinter lodernde Inferno wird dann über zahlreiche Sensoren gemessen, denn um beurteilen zu können, ob die Testobjekte den jeweiligen Bauvorschriften entsprechen, braucht es absolut präzise und reproduzierbare Bedingungen.
Die Anforderungen an die geprüften Bauteile sind streng, je nach Widerstandsklasse müssen z. B. Brandschutztüren zwischen einer halben und drei Stunden dem Feuer standhalten. Dabei darf auch über die Türschlösser oder den Griff keine größere Hitze in den Nebenraum geleitet werden, die Türen müssen trotz Verformung dicht halten. „Nach etwa zehn Minuten hört man einen dumpfen, metallischen Aufprall“, so Starl, „dann hat der Türschließer aus Aluminium etwa 700 Grad erreicht, ist geschmolzen und die darin verbaute Stahlfeder ist zu Boden gefallen. Auf der anderen Seite der Tür darf man davon aber trotzdem nichts spüren.“
Gänzlich ohne Hitze kommt man dagegen in einem erst kürzlich erschlossenen Arbeitsfeld des IBS aus: „Mittlerweile kann man Feuerwiderstandsprüfungen auch sehr gut am Computer simulieren“, erklärt Vorstandsvorsitzender Arthur Eisenbeiss. Für erste Bauprodukte haben Simulationen bereits erstaunlich realitätsnahe Ergebnisse geliefert, er hält es daher für realistisch, dass man sie schon bald für die Produktentwicklung einsetzen kann.
Auf dem Prüfgelände in Linz wird nicht nur am Brandschutz gearbeitet und geforscht: „Wir wollen die Sicherheitskonzepte vom Brand auch auf Naturkatastrophen anwenden“, so Eisenbeiss. Welche Schäden extreme Wetterereignisse wie Hagel, Sturm oder Starkregen an Gebäuden anrichten können und wie man sie verhindern kann, steht daher ebenfalls im Fokus der Forscher in Linz. An vorderster Front mit dabei: Hans Starl.
Für seine Doktorarbeit entwickelt er derzeit eine Methode, mit der das Auftreten und die Auswirkungen von Hangwasser auf Gebäude in verschiedenen Wetterszenarien vorhergesagt werden sollen. „Wie sich nach Starkregen das Wasser seinen Weg bahnt und welche Belastungen die Baustrukturen aushalten müssen, dazu gibt es bisher fast keine wissenschaftlichen Untersuchungen – obwohl die dadurch entstehenden Schäden immens sind“, betont Starl. Das Gleiche gelte auch für den Hagelschlag: Erstaunlicherweise gab es für dieses Wetterphänomen, das jährlich Hunderte Millionen Euro an Gebäudeschäden verursacht, bis vor Kurzem weder Bauteilprü
(IBS) ist eine Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsstelle für Brandschutz. Das IBS ist ein Tochterunternehmen der Brandverhütungsstelle Oberösterreich (BVS), die wiederum Mitglied der Austrian Corporative Research (ACR) ist, eines Dachverbands von 18 Instituten, die mit 770 Mitarbeitern über 64 Millionen Euro im Jahr erwirtschaften. fungen noch bautechnische noch wissenschaftliche Grundlagen. Das hat der Bauingenieur mit seinem Lieblingsprojekt geändert: der Hagelkanone, genannt Hail Mary.
Das 750.000 Euro teure Gerät steht im hintersten Raum der IBS-Hallen. Hier schießt Starl speziell entwickelte, rissfreie Eiskugeln mit zwei bis sieben Zentimetern Durchmesser und Geschwindigkeiten von bis zu 140 km/h auf Baumaterialien, um ihre Widerstandsfähigkeit für Hagelschlag zu messen. Die Ergebnisse werden dann im sogenannten Hagelregister online publiziert. Die Präzision und Reproduzierbarkeit, mit denen hier gearbeitet wird, seien in Europa unangefochten, erklärt Starl nicht ohne Stolz. Und wenn es um simulierten Hagelbeschuss geht, ist er wohl der mit Abstand versierteste Experte: Über 14.000 Schuss hat er mit Hail Mary bereits abgefeuert, „diese Erfahrung kann einem niemand mehr nehmen“.