Hagelforschung zum Mitmachen
Forscher der TU Graz gehen sommerlichen Wetterphänomenen wie Blitzeinschlägen und Hagelschauer auf den Grund. Über eine digitale Plattform können dabei ab sofort auch Menschen aus ganz Österreich mithelfen.
Urlaubsbräune, Freiluftkino und Eis am Stiel – der Sommer ist für viele eine Zeit der Erholung und Sinnesfreuden. Doch für Helmut Paulitsch vom Institut für Hochfrequenztechnik (TU Graz) ist es die arbeitsreichste Zeit im Jahr: Denn mit steigenden Temperaturen erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit für Gewitter, Blitze und Hagelschauer, dem Forschungsgebiet des Diplomingenieurs. Sein Ziel: mit Wetterradartechnik die Niederschlagsereignisse möglichst präzise zu erfassen und rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Denn theoretisch ist der Mensch den Hagelschlägen nicht hilflos ausgeliefert: Die vom Himmel fallenden Eiskugeln entstehen, wenn Wassertröpfchen durch Aufwinde innerhalb einer Wolke in extrem kalte Bereiche vordringen. Dort bilden sich um Kristallisationskerne – kleinste Partikel, an denen die Eisbildung beginnt – die Hagelkörner. Je weniger dieser Kristallisationskerne es in den Wolken gibt, umso mehr Wassertröpfchen sammeln sich um jeden einzelnen, die Hagelkörner wachsen dann schnell auf eine gefährliche Größe an.
Sprüht man aber von einem Flugzeug aus eine Silberiodid-Aceton-Lösung in die Wolke, erhöht man die Zahl an Kristallisationskernen. Der Hagel, so die Theorie, bleibt dadurch kleinkörnig und richtet beim Aufprall weniger Schaden an. Ob dieser Effekt auch tatsächlich eintritt, ist wissenschaftlich schwer nachzuweisen. In der Praxis ist die Einbringung von Silberiodid in geeignete Wolkenschichten zum richtigen Zeitpunkt das größte Problem.
Paulitsch und sein Team haben daher eine spezielle Software entwickelt, um Daten der Wetterradare in Österreich zu visualisieren. Darüber hinaus analysiert das Programm „Hailsys“die Wetterdaten und erleichtert die Einschätzung der Hagelwahrscheinlichkeit in Gewitterzellen. Mit diesen beiden digitalen Werkzeugen ist es möglich, Piloten der Hagelabwehr zu kritischen Gewitterzellen zu lotsen und die Wolken mit ihrer Kristalisationslösung zu impfen.
Neben meteorologischen Daten und Wetterradarscans füttern auch Schadensberichte die „Hailsys“-Algorithmen. Um deren Genauigkeit zu verbessern, kann nun auch die österreichische Bevölkerung einen Beitrag leisten: Angaben zu Hagelereignissen wie Ort, Zeitpunkt, Größe der Hagelkörner sowie verursachte Schäden inkl. Fotos können auf der Online-Plattform HeDi (kurz für: Hagelereignis Dateninterface) oder über die gleichnamige App abgegeben werden. Die Daten werden nach einer Plausibilitätsprüfung in die „Hailsys“-Datenbank übernommen und bei zukünftigen Gewitteranalysen berücksichtigt. Paulitsch will auch den persönlichen Kontakt mit Hobbyforschern forcieren, ab Herbst finden daher Info-Veranstaltungen zur Hagelforschung an der TU Graz statt. Details dazu findet man auf der HeDi-Homepage.