Europäer wachsen zusammen
Eurobarometer-Umfrage. Immer weniger EU-Bürger fremdeln gegenüber ihren europäischen Nachbarn. Und immer mehr haben ein positives Bild von der EU.
Die Freude war nicht zu überhören, als die EU-Kommission vor wenigen Tagen die Ergebnisse des jüngsten Eurobarometers veröffentlichte. Die seit den frühen 1970er-Jahren zweimal im Jahr in allen EU-Mitgliedstaaten stattfindende Umfrage ist der exakteste Stimmungsmesser, den die Kommission zur Verfügung hat. Das aus Brüsseler Perspektive wichtigste Ergebnis: Das Vertrauen der Europäer in ihre Union nimmt zu. Im Vergleich zur Herbstumfrage 2018 ist der Anteil jener, die die EU für vertrauenswürdig halten, um zwei Prozentpunkte auf 44 Prozent gestiegen – das ist der höchste Stand seit dem Ausbruch der Eurokrise 2009. Einen Höchststand seit 2009 erzielte mit 45 Prozent auch der Anteil jener, die sich von der EU ein generell positives Bild machen.
Abseits dieser EU-freundlichen Überschriften bietet der jüngste Eurobarometer eine Vielzahl interessanter Detailergebnisse. „Die Presse“hat den statistischen Annex der Umfrage durchforstet und liefert vier weitere Highlights. Eine warnende Anmerkung am Rande: Die Statistik bietet (wie immer) keine Aufschlüsse über etwaige Kausalitäten.
1
Fangen wir mit dem Vertrauen an. Als Laie würde man davon ausgehen, dass ein Zuwachs des Vertrauens mit steigendem Interesse einhergehen müsste. Dem scheint allerdings nicht so zu sein. Denn jene Fragen, die das politische Interesse messen, weisen in die gegenläufige Richtung. So ist der Anteil der Befragten, die sich mit ihren Freunden nie über Europa unterhalten, um drei Prozentpunkte auf 34 Prozent gestiegen (siehe Grafik). Weniger gesprochen wird auch über nationale Politik (24 %) und lokale Angelegenheiten (29 %). Zugleich ist das Vertrauen in die Medien um einen Prozentpunkt auf 39 Prozent gesunken.
Ein Zyniker würde an dieser Stelle wohl anmerken, dass Desinteresse kein Hindernis, sondern im Gegenteil eine vertrauensbildende Maßnahme sein kann. In Österreich liegt die Zahl der apolitischen Zeitgenossen übrigens deutlich unter dem EU-Schnitt: Nur 17 Prozent der Befragten gaben hierzulande an, niemals über EUAngelegenheiten zu sprechen
(+2 % gegenüber der letzten Umfrage). Und nur sieben Prozent (-1 %) sprachen mit ihren Freunden nie über die Innenpolitik.
2
Wer die Brüsseler Interna kennt, weiß, dass die drei Institutionen der EU – Kommission, Europaparlament und Rat der Europäischen Union – um Einfluss rittern. Das EU-Parlament hatte in den vergangenen Jahren an Statur gewonnen. In der öffentlichen Wahrnehmung ist zuletzt allerdings das Gremium der Unionsmitglieder sichtbarer geworden: Der Anteil der befragten EU-Bürger, denen der Rat der EU ein Begriff ist, ist seit dem Vorjahr um vier Prozentpunkte auf 66 Prozent gestiegen. Und der Europäische Rat, also die offiziellen Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs, war zuletzt 72 Prozent der Europäer ein Begriff – ebenfalls ein Plus von vier Prozentpunkten. Diese neue Prominenz dürfte damit zu tun haben, dass die EU-Mitglieder zuletzt öfter Krisenfeuerwehr spielen mussten – Stichwort Brexit – und dadurch sichtbarer geworden sind.
3
Ein integraler Bestandteil des Eurobarometers sind Fragen nach Gemeinsamkeiten unter den EUBürgern. Hier gab es zuletzt eine deutliche Veränderung: Der Anteil der Befragten, die der Aussage „Menschen in der EU haben viele Dinge gemeinsam“zustimmten, kletterte um zwölf Prozentpunkte auf 63 Prozent. In Österreich lag die Zustimmungsrate bei 68 Prozent, ein Plus von sieben Prozentpunkten. Selbst in Großbritannien, das auf einen harten Bruch mit der EU zusteuert, stimmten 62 Prozent der Befragten zu (+8 %).
4
Immer mehr Europäer erleben die positiven Aspekte der EU beim Reisen: So ist der Anteil jener, die persönlich vom Wegfall der Grenzkontrollen, von der Abschaffung der Roamingtarife und von medizinischen Leistungen im EU-Ausland profitiert haben, gestiegen. Minimal gesunken (um einen Prozentpunkt auf 21 Prozent) ist der Anteil der EU-Bürger, die zuletzt in einem anderen EU-Land gearbeitet haben.