Warum es uns besser geht als Deutschland
In Österreich wächst die Wirtschaft zwar immer langsamer, aber sie wächst noch. In Deutschland stagniert sie im Moment. Was können wir besser als der große Nachbar? Konjunktur.
Wien. Österreichs Wirtschaft wächst immer langsamer, nur noch 0,3 Prozent BIP-Wachstum waren es im zweiten Quartal. Kein Grund zur Freude also – wäre da nicht dieses eine, klitzekleine Detail: Österreich steht damit immer noch besser da als der große Nachbar Deutschland. Dort dürfte die Wirtschaft laut Ökonomen im zweiten Quartal stagniert haben, vielleicht sogar leicht geschrumpft sein, während hierzulande die Kurve immer noch nach oben zeigt. Getragen sei das heimische Wachstum von der Binnennachfrage, in erster Linie von den Konsumausgaben, teilt uns das Wifo mit. Auch die Bruttoanlageinvestitionen steigen immer noch, wenn auch schwächer als in den Quartalen zuvor. Der Ausblick sei – trotz nachlassender Dynamik bei Industrie und Außenwirtschaft – nach wie vor optimistisch, vor allem für die Bau- und Dienstleistungsunternehmen herrsche Zuversicht.
Aus Deutschland kamen indes am Freitag neuerlich düstere Nachrichten. So meldet das Statistische Bundesamt einen Einbruch der Exporte im Juni um acht Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Unter den deutschen Autobauern leidet insbesondere Volkswagen unter der Nachfrageschwäche in China, die VW-Tochter Audi wiederum verzeichnet vor allem in Europa sinkende Verkäufe. Auch die Rufe nach einem Lockern der Schuldenbremse mehren sich: Selbst der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, fordert nun bereits ein Abrücken von der Politik der schwarzen Null. Diese sei zu starr, um den Investitionsbedarf in Deutschland zu decken, zitiert ihn die „Passauer Neue Presse“.
Vorteile auf dem Arbeitsmarkt
Was läuft also in Österreich besser? So viel vorweg: Nicht alles ist hausgemacht. „Der Aufschwung in Deutschland befindet sich bereits im zehnten Jahr“, sagt IV-Chefökonom Christian Helmenstein zur „Presse“. Nach so langer Zeit ist einfach die Luft draußen – und Österreich als „Spätstarter“plötzlich im Vorteil. Zudem sei der Arbeitskräftemangel in Deutschland ausgeprägter als in Österreich. „Und die deutsche Gesellschaft ist älter.“Dort rollt gerade eine Pensionierungswelle an, was den Fachkräftemangel weiter verschärft.
Zudem seien Deutschland durch das Rheinniedrigwasser, Umstellungsprobleme mit dem neuen Abgasmessverfahren WLTP und die Folgen der Streiks in Luftfahrt und Bahnverkehr fast drei Prozentpunkte beim Industriewachstum abhandengekommen, ergänzt Helmenstein. Nachsatz: „Darin zeigt sich auch der Wert des sozialen Friedens.“Er ist ein Pluspunkt für Österreich.
„Wir importieren Wachstum“
Die heimische Wirtschaft profitiere aber auch von ihrer Verknüpfung mit Zentral- und Osteuropa – denn diese Region hat einen deutlichen Wachstumsvorsprung gegenüber dem Westen: „Wir importieren also von dort Wachstum.“Nicht zuletzt hätten von der türkis-blauen Regierung geweckte Erwartungshaltungen Investitionen beflügelt – siehe Standortentwicklungsgesetz oder Arbeitszeitflexibilisierung. Ob sich das fortsetzt, sei jetzt freilich offen. „Die große Frage ist, wann die Steuerentlastung kommt.“
Trotz dieses Unsicherheitsfaktors dürfte Österreichs Wirtschaft im Gesamtjahr „bis zu einen Prozentpunkt“rascher wachsen als die deutsche, prognostiziert Helmenstein. Bis zu 1,5 Prozent könnten es demnach in Österreich werden, in Deutschland 0,4 oder 0,5 Prozent, vielleicht auch weniger.