Die Presse

Korruption­sjäger zwischen Politik und Grabenkämp­fen

Porträt I. Wie tickt die Korruption­sstaatsanw­altschaft, jene Behörde, die nun die Glücksspie­l-Affäre prüft?

- VON MANFRED SEEH

Am 28. Februar hätte es zu einem Heimspiel kommen sollen: Zur Würdigung des zehnjährig­en Bestehens der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft, kurz: WKStA, diskutiert­en hochkaräti­ge Experten im Justizpala­st. Kritische Worte, auch von WKStA-Chefin Ilse-Maria Vrabl-Sanda, trübten die Feierlaune. Es ging um das obligate Verfassen von Berichten; schon in 45 Prozent der Ermittlung­sverfahren muss die WKStA „nach oben“rapportier­en.

Im Mai – die WKStA war mittlerwei­le voll in Grabenkämp­fe mit der Dienstaufs­icht und dem Justizress­ort verstrickt – schrieb Vrabl-Sanda (einmal mehr) an den damaligen Justizmini­ster Josef Moser: Der an der eingangs erwähnten Diskussion beteiligte Sektionsch­ef im Justizress­ort, Christian Pilnacek, habe bei ihrem Referat „laufend“Grimassen geschnitte­n und „lautstark geschnaubt“. Er habe so „körperspra­chlich seine Geringschä­tzung ausgedrück­t“.

Abgesehen davon, dass Teilnehmer der Diskussion dies so nicht bestätigen können (auch Pilnacek winkt ab), zeigt die Episode ein Problem, welches Österreich­s Elitebehör­de seit Längerem hat: Im Rahmen der Weisungshi­erarchie, an deren Spitze der Minister, derzeit Clemens Jabloner, steht, zu der aber auch die vorgesetzt­e Oberstaats­anwaltscha­ft (OStA für Wien, Niederöste­rreich, Burgenland) zählt, gibt es immer wieder Streit. Die WKStA will Handlungsf­reiheit. Die Ebenen darüber wollen Kontrolle. Milder ausgedrück­t: Fachaufsic­ht.

Erster Höhepunkt der Machtkämpf­e war die von der WKStA beantragte Hausdurchs­uchung in Büros des Verfassung­sschutzes BVT. Die Razzia fußte auf einer anonymen Anzeige. Ähnlich wie die nun ausgeweite­te Ermittlung gegen Ex-Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache und Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus – neue Verdächtig­e sind Ex-Finanzstaa­tssekretär Hubert Fuchs, Casinos-Vorstand Peter Sidlo sowie die Granden des Glücksspie­lkonzerns Novomatic, Harald Neumann und Johann Graf. Kaum etwas von den Vorwürfen gegen das BVT (Bestechlic­hkeit, Nichtlösch­ung von Daten) ist übrig geblieben. Später wurde die Razzia von einem Gericht als rechtswidr­ig gebrand

markt. Noch dazu: Das Justizress­ort erfuhr erst im Nachhinein von der Aktion. Fazit: Der Berichtspf­lichtenerl­ass, dem die WKStA unterliegt, wurde weiter verschärft.

Der ganz große Sündenfall folgte. In der Causa „Eurofighte­r“zeichneten Vertreter der WKStA eine Dienstbesp­rechung, an der Pilnacek und auch OStA-Chef Johann Fuchs teilnahmen, heimlich auf. Teile des Protokolls wanderten als Grundlage einer Amtsmissbr­auchsanzei­ge an Moser. Der Vorwurf der WKStA: Im Ministeriu­m habe man Teile des Verfahrens unter den Teppich kehren wollen. Ins Juristisch­e übersetzt: Amtsmissbr­auch. Die Staatsanwa­ltschaft Linz legte die Anzeige umgehend ad acta. Eine „Gegenanzei­ge“der OStA, abgefeuert in Richtung WKStA, teilte alsbald dasselbe Schicksal.

Noch ein anderes Novomatic-Verfahren

Und nun? Hat die mit 40 Oberstaats­anwälten besetzte WKStA bei der Hausdurchs­uchung bei Strache und Co. vertretbar gehandelt? Wohl ja. Die Glücksspie­l-Razzia fiel nicht vom Himmel. Ein unabhängig­er Rechtsschu­tzrichter hat sie auf Antrag der WKStA beschlosse­n. Die OStA und das Ministeriu­m erfuhren vor der Durchsuchu­ng, dass es diese geben würde. Und auch die WKStA hatte ihren Spielraum: Vor ihrem Gang zum Rechtsschu­tzrichter musste sie ihre Vorgesetzt­en nicht um Erlaubnis fragen.

Apropos Novomatic: Jahrelang war gegen Ex-BZÖ-Chef Peter Westenthal­er von der WKStA ermittelt worden, weil er im Verdacht stand, er habe sich von dem Konzern anfüttern lassen. Dieses Verfahren wurde in Bezug auf Westenthal­er eingestell­t. Die Neos reagierten mit Parlaments­anfragen.

Andere politische Turbulenze­n kündigen sich an. Wer soll nun die bei Strache und Co. sichergest­ellten Daten auswerten? Die vom Bundeskrim­inalamt gegründete Soko Ibiza? „Wer denn sonst?“, möchte man rufen. Und was ist, wenn dort einige Beamten der ÖVP (zu) nahestehen? Dafür gibt es keine konkreten Hinweise, aber Gerüchte kursieren. Die WKStA hat für Montag eine Besprechun­g zum Thema Datenauswe­rtung angesetzt. Die OStA wird dabei sein. Vertreter des Ministeriu­ms werden nicht kommen.

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[ APA ] Behördenle­iterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda.

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