Die Presse

Wo Titel mehr wert sind als anderswo

Deutsche Bundesliga. Borussia Dortmund wagt sich aus der Deckung und gibt die Meistersch­aft als Saisonziel aus. Vor allem Rückkehrer Mats Hummels soll den Worten nun Taten folgen lassen.

- VON JOSEF EBNER

Dortmund/Wien. Dieses Mal hat offenbar Borussia Dortmund alle Trümpfe in der Hand. Erstmals seit Jahren musste kein Leistungst­räger abgegeben werden, die Neuzugänge sind allererste­r Güte, und das Selbstvert­rauen sollte nach sieben Siegen in sieben Testspiele­n (darunter gegen Liverpool) intakt sein. Dann war da auch noch das 2:0 im Supercup gegen den Erzrivalen aus München vor zwei Wochen. Apropos Bayern: Dort lief zuletzt bei Weitem nicht alles so rund wie in Dortmund.

Deshalb hat man sich beim BVB heuer aus der Deckung gewagt. „Wir werden in die Spielzeit mit der Maßgabe gehen, dass wir ohne Wenn und Aber um die deutsche Meistersch­aft spielen wollen“, hat es Klubchef Hans-Joachim Watzke etwas holprig formuliert. Doch verstanden haben es alle – der BVB hat den deutschen Meistertit­el zum Saisonziel erklärt.

Los geht es in der Bundesliga heute mit einem Heimspiel gegen Augsburg (15.30 Uhr, Sky). Dann wird auch jener Mann wieder mit von der Partie sein, der dafür sorgen soll, dass es am Ende tatsächlic­h eine Meisterfei­er gibt: Mats Hummels. Erstmals seit seinem Wechsel nach München 2016 wird er im eigenen Stadion auflaufen.

Bester Kader seit Jahren?

Mit den Bayern wurde der 30-jährige Innenverte­idiger dreimal Meister, nun kehrte er für kolportier­te 30,5 Millionen Euro ins Ruhrgebiet zurück. Das Intermezzo beim Erzrivalen dürfte ihm der BVB-Anhang mittlerwei­le verziehen haben. „Auf diese besondere Atmosphäre rund um den Verein, auch im Stadion, habe ich große Lust. Wenn es läuft, sind die Menschen hier besonders euphorisch“, meinte der Rückkehrer im „Kicker“. „In Dortmund sind Titel mehr wert als anderswo.“

Zwar wurde Hummels im März von Joachim Löw aus der deutschen Nationalma­nnschaft aussortier­t, doch viele halten ihn nach wie vor für den besten deutschen Innenverte­idiger. Mit dem Routinier bekommt die in der vergangene­n Rückrunde schwächeln­de BVB-Abwehr viel Stabilität und Erfahrung. Dass erneut ein Neun-Punkte-Vorsprung auf die Bayern verspielt wird – die Münchner lagen am Ende der Saison zwei Zähler voran –, darf mit Hummels nicht mehr passieren. Die Führungsro­lle auf und neben dem Platz nahm der meinungsst­arke Abwehrchef prompt an, auch wenn Marco Reus weiter die Kapitänsbi­nde trägt. „Ich will mit Leben füllen, was von mir erwartet wird: gut zu spielen, die Verantwort­ung zu übernehmen, wenn es einmal nicht läuft, in schwierige­n Situatione­n meinen Mann zu stehen und die anderen mitzureiße­n“, erklärte Hummels.

Ein weiterer BVB-Trumpf ist die Offensive. Marco Reus ist unverzicht­bar, ihn kann nur seine fragile Gesundheit stoppen. Paco Alcacer´ war der treffsiche­rste Stürmer der vergangene­n Hinrunde, Mario Götze zeigte zuletzt stark ansteigend­e Form. Und Jadon Sancho gehört ohnehin zu den größten Talenten im Weltfußbal­l. Neu hinzugesto­ßen sind Thorgan Hazard und Julian Brandt, die Dortmund schon unmittelba­r nach Saisonende verpflicht­et hat. Dass der 23-jährige Offensiv-Allrounder Brandt für 25 Millionen Euro zu haben war, ist angesichts seiner Qualitäten ein besonderes Transfersc­hnäppchen. Schon jetzt sprechen manche Beobachter vom besten BVB-Kader der vergangene­n 15 Jahre.

Favre vs. Kovacˇ

Gewohnt zurückhalt­end gibt sich Trainer Lucien Favre. „Ich verstehe, dass wir das sagen“, meinte der 61-jährige Schweizer, nachdem seine Vereinsbos­se den Meistertit­el als Ziel ausgegeben hatten. „Wir haben eine sehr gute vergangene Saison gespielt und müssen ehrgeizig sein. Aber meine Philosophi­e bleibt weiter ,Spiel für Spiel‘.“ Beim Supercup-Triumph zeigte seine Truppe eine solide Abwehrleis­tung und pfeilschne­llen, sehenswert­en Konterfußb­all. Favre ist bekannt für seine taktische Raffinesse, die Entwicklun­g von seinen Spielern begleitet er bis ins kleinste Detail. Noch kann er in verhältnis­mäßig ruhiger Umgebung arbeiten, während Niko Kovac,ˇ sein Gegenüber in München, von der ersten Minute an unter Druck steht (auch in der Champions League) und die Querschüss­e seiner Vereinsfüh­rung parieren muss. Hinzu kommt der dünne Bayern-Kader angesichts von Umbruch und Transferst­au.

In Dortmund haben sie das Ziel „Meistersch­aft“jedenfalls verinnerli­cht, der Glaube an den Titel wächst und wächst. Erstmals seit 2013 würde der Champion nicht FC Bayern heißen. Letzter Meister vor den Münchnern war der BVB. Damals noch mit Mats Hummels.

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[ AFP ] Das Bayern-Intermezzo scheint man Mats Hummels in Dortmund verziehen zu haben.

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