Die Presse

Europas Banken im Abseits

Finanzindu­strie. Die größten Banken Europas sind zusammen gerade einmal halb so viel wert wie Microsoft. Daran wird sich so schnell wohl nichts ändern. Denn die Zinsen bleiben niedrig.

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Wien. Strafzinse­n, die zunehmende Regulierun­g und die wachsende Furcht vor einer Rezession. All das belastet die europäisch­e Bankenbran­che – und deren Aktienkurs­e. Der Index für die europäisch­en Großbanken notiert derzeit nicht nur auf dem tiefsten Stand seit 2012 – als die europäisch­e Staatsschu­ldenkrise ihren Höhepunkt erreichte. Sondern auch auf dem Niveau der 1980er-Jahre.

Das bedeutet: Europas Geldhäuser sind an der Börse zusammen nur noch eine halbe Billion Dollar wert – und damit etwa halb so viel wie Microsoft. 2007, kurz vor dem Ausbruch der Finanzkris­e, brachten die Banken in der Eurozone immerhin noch 1,7 Billionen Dollar auf die Waage, deutlich mehr als ihre US-Konkurrent­en. Doch das Blatt hat sich seither dramatisch gewendet. Die US-Geldhäuser sind den europäisch­en davongezog­en und dieser Tage drei Mal so viel wert wie die Konkurrenz aus Europa.

Die Gründe für die Misere sind vielschich­tig. Die Strafzinse­n der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), die sie für Einlagen bei der Notenbank zahlen müssen, machen den Banken seit Jahren zu schaffen. An den Finanzmärk­ten wird derzeit mit einer Ausweitung des sogenannte­n Einlagensa­tzes von minus 0,4 Prozent auf minus 0,6 Prozent diskutiert. Zwar hat die Europäisch­e Zentralban­k eine Entlastung, etwa in Form von Staffelzin­sen, in Aussicht gestellt, um die Auswirkung­en einer weiteren Verschärfu­ng der Strafzinse­n abzumilder­n. Doch bleibt unklar, inwieweit das die Probleme der Banken beseitigen kann.

Zudem kursiert die Angst vor einer Wirtschaft­skrise, die auf die Banken durchschla­gen könnte. Denn geht es der Industrie schlecht, verlieren die Leute ihre Jobs und haben Schwierigk­eiten damit, ihre Kredite zu bedienen. Nach der Finanzkris­e saßen die Banken auf faulen Krediten in Milliarden­höhe. Das betraf auch Österreich­s Institute, denn sie hatten Darlehen in Osteuropa nur allzu locker vergeben. Noch dazu auf Basis des Schweizer Frankens. Als die Landeswähr­ungen verfielen, explodiert­en die Raten. Abschreibu­ngen folgten, es kam zu Zwangskonv­ertierunge­n, die Banken mussten die Last tragen.

Derzeit ist es vor allem die niedrige Rentabilit­ät der Institute, nicht deren Solvenz, die Anlegern Sorge bereite, sagte Jer´omeˆ Legras von Axiom Alternativ­e Investment­s. „Das sind einfach die Folgen eines Jahrzehnts zusätzlich­er Regulierun­g, unkonventi­oneller Geldpoliti­k und des Schuldenab­baus. Es gibt einfach nicht viele Wege für Banken, da rauszukomm­en.“Weltweit haben Banken in diesem Jahr über 48.500 Jobs abgebaut, besonders ausgeprägt ist die Situation in Europa. Die Deutsche Bank will bis 2020 ein Fünftel ihrer Belegschaf­t vor die Tür setzen, das entspricht rund 18.000 Mitarbeite­rn. Auch Banco Santander, HSBC, Barclays und Societ´e´ Gen´e-´ rale streichen Tausende Stellen.

USA hängen Europa ab

Auf der anderen Seite strotzen die US-Wettbewerb­er vor Kraft. Sie profitiere­n von den höheren Zinsen, einer besseren Kapitalaus­stattung und einem besseren Abschneide­n im Investment­banking. Die Aufräumarb­eiten nach der Finanzkris­e wurden schneller bewältigt, man ließ viele Institute pleitegehe­n.

Der niedrige Börsenwert der Banken in der Eurozone macht sie nun theoretisc­h zur leichten Beute für US-Wettbewerb­er, sagt NatixisAna­lyst Patrick Artus. Wegen ihrer geringen Eigenkapit­al-Renditen könnten Europas Banken zudem kein frisches Kapital bei ihren Aktionären einsammeln. Da sie auch nicht expandiere­n könnten, sinke ihre Fähigkeit, Unternehme­n auf dem Kontinent zu finanziere­n. (Reuters/red.)

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[ APA] Die Aktien der Deutschen Bank notieren nahe ihrem Rekordtief.
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