Grande Dame der Klavierkunst
Salzburg II. Martha Argerich, begleitet von Mitgliedern des West-Eastern Divan Orchestra, brachte faszinierende Schumann-Lektionen.
Noblesse oblige. Da hat sogar ein Workaholic wie Daniel Barenboim Zeit und Nerven, einer Konzerthälfte aus dem Parkett zuzuhören. Einen Abend nach dem Tschaikowsky-Konzert war die Grande Dame der Klavierkunst für Kammermusik mit Mitgliedern des West-Eastern Divan Orchestra zur Stelle. Die große, unvergleichliche Martha Argerich bescherte Schumann-Lektionen von aufregender Intensität, Poesie und wunderbaren Stimmungsmomenten. Mit stiller, unaufdringlicher Autorität war sie die Chefin auf dem Podium, gab Ton, Tempo und Temperatur an, ganz in alter Frische.
Der Abend begann mit Prokofjews Ouvertüre über hebräische Themen für Klarinette, Streichquartett und Klavier. Jussef Eisa dudelte behutsame Klezmer-Melodien, als stammte er aus der besten Schule von Giora Feidman. So klingt Bekenntnismusik. Dann Schumann mit dem Ohrwurm seines EsDur-Klavierquintetts. Große Interpretenkunst besteht auch darin, bestens bekannten Formulierungen neue Nuancen abzugewinnen. Was im Kopfsatz undeutlich als „Allegro brillante“bezeichnet ist, nutzte die Argerich zu kunstvollen Phrasierungen a` la Pavarotti, die die Luft im Haus für Mozart vibrieren ließ; und im marschartigen zweiten Satz durfte die Zeit stehen bleiben, denn Pausen wurden hier zu Elementen der Architektur.
Nach der Pause verhalf Martha Argerich dem virtuosen Michael Barenboim, der in Vaters Orchester Konzertmeister ist, mit der ersten Violinsonate zum verdienten Pulikumszuspruch: drei prägnante Sätze wie eine leidenschaftliche Ballade.
Merkwürdig bis deplatziert das Schlussstück, für das schließlich auch Daniel Barenboim aufs Podium fand: Andante und Variationen für zwei Klaviere, zwei Violoncello und Horn in B-Dur. Eine Steißgeburt Schumanns, die nicht klingen will. Wenigstens ein versöhnlicher Ausklang: Schumann-Petitessen an zwei Klavieren mit Daniel Barenboim und der Argerich. (wagü)