Der liberale Staat braucht kein Casino
Gastkommentar. Die aktuellen Geschehnisse zeigen: Es ist höchste Zeit, dass der Staat seine Glücksspielaktien verkauft.
Das Glücksspiel ist nicht nur ein Vergnügen, sondern kann auch ins Gegenteil ausschlagen, sogar zur Sucht werden. Stefan Zweig und Fjodor Dostojewski haben darüber Bestseller geschrieben. Das Gegenmittel sehen Etatisten wie so oft im Staat. Er möge nicht nur das Glücksspiel regeln, sondern sich daran auch beteiligen.
Nunmehr ist diese Strategie offensichtlich schiefgegangen. Es herrscht Krieg zwischen diversen (Ex-)Repräsentanten der Republik – auf Kosten der Steuerzahler. Der Staat ist also doch nicht so gut, wie es sich Plato einst erträumt hat.
Bei aller Vorsicht, die angesichts der ebenso gezielten wie bruchstückhaften und fragwürdigen Informationspolitik der ersten Tage geboten ist, lässt sich eines mit Sicherheit konstatieren: Eine Minderheitsbeteiligung des Staates an einer Aktiengesellschaft lässt sich im Falle strategischer oder personalpolitischer Entscheidungen mit den geltenden Korruptionsstrafbestimmungen schwer unter einen Hut bringen. Die Ausübung von Minderheitsrechten ist in der Politik wie im Geschäftsleben immer mit einem Geben und Nehmen verbunden. Gratisstimmen sind hier wie da eine eher naive Vorstellung. Damit sind wir alsbald im Strafrecht.
Ein Spieler zweiter Klasse
Was soll also die staatliche Beteiligungsgesellschaft anbieten, wenn sie als Minderheitsgesellschafterin ein Personalpaket akkordieren möchte? Einflussmöglichkeiten auf die Politik, wie sie jeder Staatsbürger etwa im Rahmen des Petitionsrechts hat? Oder ein offenes Ohr bei zuhörfähigen Politikern?
Man kann durchaus der Meinung sein, dass das Planieren politischer Wege verwerflich sei. Dann muss man aber auch konsequent sein und zugeben, dass der Staat in einem solchen Fall ein Mitspieler mit gebundenen Händen wäre. Als Player zweiter Klasse hat die Sache aber keinen Sinn. Schlussfolgerung: Nimmt man unsere Korruptionsbestimmungen ernst, muss sich der Staat als Mitspieler aus der Wirtschaft herausnehmen – keine schlechte Idee. Wenn der Staat an seinem eigenen Regelungswerk erstickt, mag dies ein gutes Argument für die liberale Marktwirtschaft sein.
Zwei Gefallene im Visier
Munition bildet auch unser unterentwickeltes Aktienrecht. Mangels jeglicher konzernrechtlicher Regelungen ist es für jeden Juristen ein Leichtes, die Mitglieder von Vorständen und Aufsichtsräten irgendwelcher Gesetzwidrigkeiten zu überführen. Wenn in dieser Gemengelage noch zwei tief Gefallene ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten, bieten sich politische Hausdurchsuchungen geradezu an.
Zwar beinhalten derartige Hausdurchsuchungen nicht nur – wie wir seit den BVT-Razzien wissen – in tatsächlicher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht aleatorische Elemente. Zur Verbesserung des Rufs der öffentlichen Ankläger sind sie allemal geeignet. Bis ein Höchstgericht erkennt, dass es sich bei diesem Paragrafendschungel um einen gordischen Knoten handelt, den kaum jemand zu zerschlagen imstande ist, wird noch viel Wasser die Donau hinunterfließen.
Vielleicht ist es eine Ironie der Geschichte, dass gerade jene beiden Politiker, die nun medienwirksam zu Zielscheiben erklärt wurden, sich am vehementesten gegen Privatisierungen unter der türkis-blauen Koalition gewehrt haben. Ohne staatliche Beteiligung am Glücksspiel wären sie nicht in diese Bredouille gekommen.
Der Staat kann nicht gleichzeitig die Regeln machen, Schiedsrichter sein und als Beteiligter mitspielen. Es ist höchste Zeit, dass der Staat seine Glücksspielaktien verkauft.