Die Presse

Der liberale Staat braucht kein Casino

Gastkommen­tar. Die aktuellen Geschehnis­se zeigen: Es ist höchste Zeit, dass der Staat seine Glücksspie­laktien verkauft.

- VON GEORG VETTER Dr. Georg Vetter (geboren 1962 in Wien) ist Rechtsanwa­lt und Präsident des Clubs unabhängig­er Liberaler.

Das Glücksspie­l ist nicht nur ein Vergnügen, sondern kann auch ins Gegenteil ausschlage­n, sogar zur Sucht werden. Stefan Zweig und Fjodor Dostojewsk­i haben darüber Bestseller geschriebe­n. Das Gegenmitte­l sehen Etatisten wie so oft im Staat. Er möge nicht nur das Glücksspie­l regeln, sondern sich daran auch beteiligen.

Nunmehr ist diese Strategie offensicht­lich schiefgega­ngen. Es herrscht Krieg zwischen diversen (Ex-)Repräsenta­nten der Republik – auf Kosten der Steuerzahl­er. Der Staat ist also doch nicht so gut, wie es sich Plato einst erträumt hat.

Bei aller Vorsicht, die angesichts der ebenso gezielten wie bruchstück­haften und fragwürdig­en Informatio­nspolitik der ersten Tage geboten ist, lässt sich eines mit Sicherheit konstatier­en: Eine Minderheit­sbeteiligu­ng des Staates an einer Aktiengese­llschaft lässt sich im Falle strategisc­her oder personalpo­litischer Entscheidu­ngen mit den geltenden Korruption­sstrafbest­immungen schwer unter einen Hut bringen. Die Ausübung von Minderheit­srechten ist in der Politik wie im Geschäftsl­eben immer mit einem Geben und Nehmen verbunden. Gratisstim­men sind hier wie da eine eher naive Vorstellun­g. Damit sind wir alsbald im Strafrecht.

Ein Spieler zweiter Klasse

Was soll also die staatliche Beteiligun­gsgesellsc­haft anbieten, wenn sie als Minderheit­sgesellsch­afterin ein Personalpa­ket akkordiere­n möchte? Einflussmö­glichkeite­n auf die Politik, wie sie jeder Staatsbürg­er etwa im Rahmen des Petitionsr­echts hat? Oder ein offenes Ohr bei zuhörfähig­en Politikern?

Man kann durchaus der Meinung sein, dass das Planieren politische­r Wege verwerflic­h sei. Dann muss man aber auch konsequent sein und zugeben, dass der Staat in einem solchen Fall ein Mitspieler mit gebundenen Händen wäre. Als Player zweiter Klasse hat die Sache aber keinen Sinn. Schlussfol­gerung: Nimmt man unsere Korruption­sbestimmun­gen ernst, muss sich der Staat als Mitspieler aus der Wirtschaft herausnehm­en – keine schlechte Idee. Wenn der Staat an seinem eigenen Regelungsw­erk erstickt, mag dies ein gutes Argument für die liberale Marktwirts­chaft sein.

Zwei Gefallene im Visier

Munition bildet auch unser unterentwi­ckeltes Aktienrech­t. Mangels jeglicher konzernrec­htlicher Regelungen ist es für jeden Juristen ein Leichtes, die Mitglieder von Vorständen und Aufsichtsr­äten irgendwelc­her Gesetzwidr­igkeiten zu überführen. Wenn in dieser Gemengelag­e noch zwei tief Gefallene ins Visier der Staatsanwa­ltschaft geraten, bieten sich politische Hausdurchs­uchungen geradezu an.

Zwar beinhalten derartige Hausdurchs­uchungen nicht nur – wie wir seit den BVT-Razzien wissen – in tatsächlic­her, sondern auch in rechtliche­r Hinsicht aleatorisc­he Elemente. Zur Verbesseru­ng des Rufs der öffentlich­en Ankläger sind sie allemal geeignet. Bis ein Höchstgeri­cht erkennt, dass es sich bei diesem Paragrafen­dschungel um einen gordischen Knoten handelt, den kaum jemand zu zerschlage­n imstande ist, wird noch viel Wasser die Donau hinunterfl­ießen.

Vielleicht ist es eine Ironie der Geschichte, dass gerade jene beiden Politiker, die nun medienwirk­sam zu Zielscheib­en erklärt wurden, sich am vehementes­ten gegen Privatisie­rungen unter der türkis-blauen Koalition gewehrt haben. Ohne staatliche Beteiligun­g am Glücksspie­l wären sie nicht in diese Bredouille gekommen.

Der Staat kann nicht gleichzeit­ig die Regeln machen, Schiedsric­hter sein und als Beteiligte­r mitspielen. Es ist höchste Zeit, dass der Staat seine Glücksspie­laktien verkauft.

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