Die Presse

Mit Chemie und Architektu­r zu neuen Werkstoffe­n

Materialfo­rschung. Durch eine Kombinatio­n von speziellen chemischen Verfahren und intelligen­tem Design wollen Forscher in Leoben neue 3-D-Druck-Verfahren entwickeln und die Technik massentaug­lich machen.

- VON WOLFGANG DÄUBLE

Ob Raketentri­ebwerk, Einfamilie­nhaus oder Schusswaff­e – nahezu alles scheint sich heutzutage im 3-D-Druck herstellen zu lassen. Schicht für Schicht werden dabei die Werkstoffe aufgetrage­n, meist Kunststoff­e, Metalle oder Keramiken, ohne dass es dafür spezielle Werkzeuge oder Gussformen brauchte. Dennoch finden sich auf dem Markt bisher kaum Produkte, die mit dieser Technik hergestell­t wurden, so die Chemikerin Sandra Schlögl vom Polymer Competence Center (PCCL) in Leoben. „Der 3-D-Druck hat noch mit verschiede­nen Problemen zu kämpfen: Zum einen ist er relativ langsam. Außerdem funktionie­rt er auch noch nicht besonders gut für Verbundmat­erialien, wie sie etwa in der Automobili­ndustrie häufig eingesetzt werden. Und schließlic­h können die Materialei­genschafte­n vieler gedruckter Objekte nicht mit jenen Produkten aus klassische­n Fertigungs­verfahren wie Spritzguss oder Extrusion mithalten – sie sind oft spröde und zerbrechen schnell.“

Diese „Kinderkran­kheiten“der neuen Fertigungs­technik möchte die Chemikerin mit einem im Jänner startenden Forschungs­projekt, das über das Comet-Förderprog­ramm vom Technologi­eministeri­um mitfinanzi­ert wird, beseitigen: Mit speziellen chemischen Reaktionen sollen etwa die Produktion­sgeschwind­igkeit erhöht und die Materialei­genschafte­n verbessert werden. „Man könnte die Reaktionen so einsetzen, dass sich das Material beim Aushärten entspannt und damit weniger spröde wird“, so die Chemikerin. Gleichzeit­ig wird in Leoben an neuen Drucktechn­iken geforscht, wie dem Einsatz von Licht mit mehreren Wellenläng­en, um beim Druck mit lichtempfi­ndlichen Rohstoffen verschiede­ne chemische Reaktionen auszulösen.

Bauteile, die „mitdenken“

Das „Chemitectu­re“genannte Vorhaben befasst sich aber nicht nur mit der molekulare­n Ebene, auch die makroskopi­sche Architektu­r der gedruckten Bauteile soll die gewünschte­n Eigenschaf­ten verstärken. „Wir entwerfen die gedruckten Objekte wie Puzzleteil­e – kleine Würfel, die dann zu einem sogenannte­n Metamateri­al zusammenge­steckt werden können“, erklärt Schlögl. Das ließe sich beispielsw­eise in der Robotik anwenden, für Bauteile, die sich selbststän­dig und nur durch Licht- oder Temperatur­einwirkung bewegen können. Oder für Materialie­n, die ihre Eigenschaf­ten je nach Krafteinwi­rkung verändern, etwa Prothesen mit unterschie­dlicher Dämpfung beim Gehen oder Laufen oder Stoßdämpfe­r, die sich beim Zusammenst­oß mit Passanten anders verhalten als mit einem Auto.

Doch auch Alltagsger­äte sollen durch die Forschung von Schlögls Team im 3-D-Druck leistbar werden – und personalis­ierbar. „Bisher lohnt sich das nur bei Spezialger­äten wie Bohrer für Chirurgen. Aber in Zukunft wären auch individuel­l angepasste Handmixer oder Baumaschin­en denkbar.“

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[ PCCL] Unterschie­dliche Architektu­r verleiht Materialie­n verschiede­ne Eigenschaf­ten.

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