Die Presse

Nichts ist größer als unendlich? Falsch.

Mathematik. Unendlich ist nicht unübertref­fbar, manche Unendlichk­eiten sind unendlich-mal größer als andere.

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Wenn sich Kinder darum streiten, wer um wie viel blöder als der jeweils andere ist, gipfelt der Disput meist in der groben Schätzung „unendlich mal unendlich“. Wer sich als Erwachsene­r dann dazu bemüßigt fühlt, dem Kind zu erklären, dass es damit leider nicht die zuvor genannte Unendlichk­eit übertrifft, da diese bereits unübertref­flich sei – dem sei in Zukunft davon abgeraten, denn es ist schlicht und einfach falsch.

Vielfalt der Unendlichk­eiten

Das ist an und für sich keine Neuigkeit. Welche Arten von Unendlichk­eit es geben kann und wie sie miteinande­r zusammenhä­ngen, ist eines der zentralen Forschungs­gebiete von Logik und Mengenlehr­e. Beispielsw­eise ist die Gesamtheit aller positiven, geraden Zahlen ebenso unendlich groß wie die Menge der natürliche­n Zahlen – denn man kann sie eindeutig aufeinande­r abbilden: Die gerade Zahl 2 bekommt die Nummer 1, die 4 ist die Nummer 2 usw. Nimmt man jedoch alle reellen Zahlen, die sich dazwischen auf dem Zahlenstra­hl befinden, ist ihre Unendlichk­eit viel größer, es gibt keine Möglichkei­t, sie durchzunum­merieren. Es sind „überabzähl­bar unendlich“viele.

So kann man eine ganze Reihe an Unendlichk­eiten definieren und ihre Beziehunge­n zueinander untersuche­n, sie ergeben eine netzartige Struktur, die als „Cichons Diagramm“bekannt ist. Forschern der TU Wien ist nun ein wichtiger Beweis gelungen, der in den Annals of Mathematic­s publiziert wurde: Alle Unendlichk­eiten in diesem Diagramm können unterschie­dlich unendlich sein, die Vielfalt der Unendlichk­eiten ist dabei die größte überhaupt denkbare.

„Unendlich mal unendlich“ist also mathematis­ch durchaus akzeptabel – die Frage ist nur, welches Unendlich gemeint ist. (däu)

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