Volendam Experience
Expedition Europa: „Frau Antje“und eine Tracht aus Nordholland.
Ich will dieses ehemalige Fischerdorf in Nordholland aus drei Gründen sehen: Erstens wählt Volendam drei Mal so rechtspopulistisch wie der Rest der Niederlande, zweitens ist Volendam eine katholische Insel in einem konfessionslos-protestantischen Meer, drittens ist Volendam ein Fluchtpunkt für Menschen, die das echte traditionelle Holland suchen. Ich will sehen, ob 1), 2) und 3) zusammenhängen.
Die Niederlande sind ein modernes, perfekt asphaltiertes, effizient auf den Welthandel ausgerichtetes Land. So etwas wie Folklore – niederländische Volksmusik etwa – gibt es kaum. So etwas wie eine Nationaltracht gibt es auch nicht. Inoffiziell spielt die Volendammer Tracht diese Rolle, auch wegen „Frau Antje“, der 1961 erfundenen Werbefigur des niederländischen Molkereiverbands.
Volendam ist ein beliebtes Ausflugsziel. Der Damm am Markermeer ist eine Gastromeile. Asiatinnen zahlen für Fotos in Volendammer Tracht, in der Schaukäserei wird auch auf Arabisch bedient, und die Gemälde im alten holzgetäfelten Bäderhotel Spaander zeigen das alte Volendam – vergrämte Gesichter, Schnapsglas in der Hand.
Thierry Baudet, nach Pim Fortuyn und Geert Wilders der dritte rechtspopulistische Politstar der Niederlande, holte bei den Provinzwahlen im März landesweit 14 Prozent, in Volendam aber – 41. Vorher haben sie Wilders gewählt. Baudet ist die bildungsbürgerliche Alternative zum rüden Wilders. Er spielt Klavier, seine erste Parlamentsrede hielt er auf Latein. In seinem Buch „Oikophobie – Der Hass auf das Eigene und seine zerstörerischen Folgen“verteidigt Baudet Traditionen wie den Stierkampf. Was die echten holländischen Traditionen sind, sagt er allerdings nicht.
Kinder schliefen schichtweise
Dafür gibt es das Aktiv-Museum „Volendam Experience“. Ich bin mittels Rundum-Brille dabei, wie ein Boot in einen Sturm gerät und wie der Fischer seine Angebetete im überfluteten Volendam findet. Ein Heiratsantrag, ein Ja. Die Museumsführerin ist eine Volendammerin in Tracht. Sie erklärt: „Der grobe Rock ist der schönste.“Ihre Führung enthält antikatholische Spitzen. Als sie mir den Bettkasten zeigt, in dem die Kinder schichtweise schliefen, sagt sie missbilligend: „Wegen der Religion durften sie nicht ausgestreckt schlafen, sonst hätte sie der Teufel holen können.“Sie kritisiert, dass ihre Mutter zehn Geschwister hatte und dass „der Pfarrer jedes Jahr kam“und fragte, ob sie noch „een kindje nemen“.
Warum also wählt Volendam rechtspopulistisch? Die Museumsführerin erklärt, dass die Leute „giftig van“werden, „wenn sie drei Jahre auf eine Wohnung warten müssen und Asylanten bekommen sofort eine“. Andere Volendammer geben zur Antwort, dass „man sein Geld selbst verdienen muss“, und dass „man die Dinge beim Namen nennen muss; wenn Muslime Terroristen sind, dann muss man das sagen“.
Die Mehrheit der Niederländer ist konfessionslos. 23 Prozent sind Katholiken, in Volendam aber 18.000 von 22.000. Paul Stomph, der katholische Pfarrer, ist kein Volendammer. Volendam erstaunt den Witwer immer noch. Er bestätigt, dass weder Baudet noch Wilders typisch christliche Positionen vertreten. Warum also wählen seine Katholiken rechtspopulistisch?
Die Antwort des Pfarrers ist etwas eklig. „Die Volendammer sind sehr offen“, sagt Stomph, „aber sie bleiben unter sich.“Schon seine Vorgänger im 19. Jahrhundert klagten, wie oft sie einen Dispens einholen mussten, da die Volendammer gern nahe Verwandte heirateten Das ist immer noch ein Problem Es