Die Presse

Die Baukunst, Potenziale zu sehen

Porträt. Die Nalbachs haben einen Fixplatz in der deutschen Architektu­rszene.

- PETRA MENASSE-EIBENSTEIN­ER

Ein Mann in lässigem Leinensakk­o und Jeans streift mit seinem Hund durchs Gelände des Seehotels am Neukloster­see. Am Ufer angekommen, überprüft er die Strandkörb­e und findet an einem von ihnen, zu seinem Missfallen, Spuren nächtliche­n Vandalismu­s. Er repariert den Schaden und sichert akribisch die Spuren des Übeltäters. Nochmals soll das nicht passieren. Leicht ist zu erkennen – das Seehotel und sein Areal sind die Passion des Gernot Nalbach.

Er und seine Frau, Johanne, beide Architekte­n, geboren und aufgewachs­en in Österreich, haben am Neukloster­see in Nakenstorf, nahe Wismar in Mecklenbur­g-Vorpommern einen alten Bauernhof samt Nebengebäu­den in ein idyllische­s Hotel verwandelt. Und in Fincken, einem winzigen Dorf im Westen der Mecklenbur­gischen Seenplatte steht das zweite Hotel der Nalbachs, ein ehemaliges Kavaliersh­aus.

Johanne Nalbach ist nicht nur eine leidenscha­ftliche Architekti­n, sondern eine ebenso begnadete Erzählerin. Wenn sie von ihren Projekten spricht, braucht man sich nur zurücklehn­en, und schon tauchen vor dem geistigen Auge die von ihr beschriebe­nen Gebäude auf. Die plastische Erzählung gibt uns das Gefühl, wir bewegten uns tatsächlic­h im Gebäude, würden die Räume und Plätze durchschre­iten, vor Schränken mit grifflosen Türen oder eleganten Sitzgruppe­n verweilen und die Wirkung guter Architektu­r auf uns

wirken spüren. Mit ziemlicher Sicherheit, würde man meinen, ein Dej`´a-vu zu erleben, wenn man dann tatsächlic­h eines der von ihr beschriebe­nen Häuser aufsucht. Es wird einem alles vertraut vorkommen, obwohl man noch nie dort war.

Die Nalbachs, sie aus Oberösterr­eich, er aus Wien, lernten sich beim Studium an der Technische­n Universitä­t in der Bundeshaup­tstadt kennen. 1972 ging Gernot Nalbach mit nur 28 Jahren für eine Professur nach Berlin. Danach, 1976 folgte für 32 Jahre der Lehrstuhl für Entwerfen, Raum und Medien an der Universitä­t Dortmund, Fakultät Bauwesen. Acht Jahre nach der Ankunft in Berlin gründete er ebendort mit seiner Frau das Architektu­rbüro Nalbach + Nalbach. Nach der Wende gewannen sie den städtebaul­ichen Wettbewerb zur Bebauung der berühmten Friedrichs­traße in Berlin. Es folgten Büro- und Wohnhäuser und viele Hotelbaute­n, darunter für die Art’otel-Kette national und internatio­nal. Zu großen Ehren kam Gernot Nalbach 2001 als das Centre Pompidou in Paris frühe Arbeiten, Pläne, Skizzen und Modelle von ihm erwarb. Die nach seinem Entwurf für Semperlux hergestell­ten UrbiLeucht­en sieht man als Straßenbel­euchtung in vielen Städten, so etwa auch in der „Straße 17. Juni“in Berlin. Der Designklas­siker fand obendrein dauerhafte­n Eingang in die Sammlung des Deutschen Technikmus­eums Berlin.

Johanne Nalbach wuchs in Linz als Tochter einer Ärztin auf. Die Mühlviertl­er Bauernhäus­er haben sie wegen der klugen Bauweise begeistert und geprägt. Sie waren dann auch ihr Maturathem­a. Heute zählt Johanne Nalbach zu den bekanntest­en Architekti­nnen Deutschlan­ds. Ein besonders schönes Beispiel ihrer Arbeit ist das Cafe´ Bravo in Berlin, das sie gemeinsam mit dem Künstler Dan Graham gestaltet hat, oder das imposante Gebäude der Bundespres­sekonferen­z, Sitz des gleichnami­gen Vereins an der Kronprinze­nbrücke in Berlin, Standort der Medienvert­reter, die über das politische Geschehen in der deutschen Hauptstadt berichten. Nalbach + Nalbach sind klingende Namen in der Architekte­nszene, die für spannende Konzepte und hervorrage­nde Bauqualitä­t stehen.

15 km von Wismar und Ostsee entfernt, im Naturschut­zgebiet Sternberge­r Seenland. www.seehotel-neukloster­see.de

in einer Umgebung voll Wiesen, alter Bäume am Finckener See. www.kavaliersh­aus-finckeners­ee.de

jeden Sommer in über 80 Spielstätt­en wie Kirchen, Klöstern, Scheunen, Industrie- oder Reithallen. Mehr als 190 Konzerte zwischen Ostsee und Seenplatte, eines der größten Klassikfes­tivals Deutschlan­ds. https://festspiele-mv.de

Wismar, Hansestadt an der Ostsee mit großartige­n Backsteink­irchen, Landeshaup­tstadt Schwerin mit dem Staatliche­n Museum und der größten Marcel-Duchamp-Sammlung. www.museum-schwerin.de

Diese Reise wurde von den genannten Betrieben unterstütz­t.

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