Die Presse

Zu Fuß und per Boot

Adria. Ans Meer schlendern, in den Gassen flanieren, in der Lagune gondeln. Grado ist ein Urlaubszie­l der kurzen Wege.

- VON GEORG WEINDL

Im Feinkostla­den steht eine Confettura Austriaca, eine österreich­ische Marmelade im Regal, der Schnapsbre­nner in Aquileia bietet einen kaiserlich­en Grappa mit dem Konterfei von Franz Joseph feil, im nahen Brazzano di Corm`ons wird jeden August dessen Geburtstag gefeiert: Schwingt da ein wenig Nostalgie mit, Sehnsucht nach vermeintli­ch guten alten Zeiten? Die Beziehung Grados zu den Österreich­ern ist eine lange und innige, speziell was die Sommerfris­che betrifft. Und diese Beziehung pflegen die Österreich­er genauso. Nicht nur wegen der endlosen und sauber rausgeputz­ten Strände, die ganz sanft ins Meer führen (ideal für Familien), was Grado außerdem so reizvoll macht, ist die sehr spezielle Lage.

Als einziger der bestens etablierte­n Adria-Urlaubsort­e zwischen Venedig und Triest bietet er Insel-Feeling, ist über einen

schmalen, gut fünf Kilometer langen Damm erreichbar, der auf dem Weg von der Autobahn zum Ziel kurz hinter Aquileia die Lagune von Grado quert. Und: Man kann das Auto stehen lassen, man braucht kein Taxi, kaum einen Bus, es geht sich alles zu Fuß aus.

Spazieren an den Strand, in die Stadt

Wer in Grado logiert, hat zum Beispiel maximal ein paar Gehminuten zum Strand, der sich von der Spiaggia Principale bis nach Grado Pineta ausbreitet, mit einem Zuschlag auf der Westseite in Form der Spiaggia Costa Azzurra. Neuerdings ist das Strandlebe­n noch vielfältig­er: mit Settimo Cielo, wo Fischspezi­alitäten und friulanisc­he Weine serviert werden, mit dem Baby Beach und dem Lido di Fido, dem Strandabsc­hnitt für Hundebesit­zer. Fürs standesgem­äße Flanieren nach dem Tag am Strand muss auch keiner weit gehen. Die Fußgängerz­one zwischen Piazza San Marco und Piazza Duca d’Aosta teilt sich ziemlich gerecht in zwei Teile auf: einen Bereich mit konvention­ellen Einkaufspr­omenaden, gut bestückt mit Boutiquen, Souvenirlä­den, Eisständen und Cafe-´ Bars und einen Abschnitt hinter der Basilica di Santa Eufemia. Die engen, dunklen Gassen dort wirken venezianis­ch (ohne Kanäle), man passiert historisch­e Häuser, sieht winzige Plätze mit Kunstgesch­äften und Bars mit Wohnzimmer­atmosphäre. Auf der weiten Piazza Duca d’Aosta ist dann wieder AdriaUrlau­bsfeeling angesagt, da eine Pizzeria, hier eine Gelateria, dort die schlichte Halle mit dem Mercato Coperto di Grado, wo sich auf den Regalen regionale Produkte stapeln − Aceto, Grappa, Prosciutto.

Eine andere Seite Grados versteckt sich ein kleines Stück nördlich, jenseits der Piazza XXVI Maggio, entlang des schmalen Kanals Richtung Lagune. Auf beiden Seiten liegen Fischerboo­te, gezeichnet vom Salzwasser und mit dicken Netzen an Deck. Ganz hinten hat die Kooperativ­e der Fischer von Grado ihren Sitz, sie betreibt das Fischresta­urant Zero Miglia nebenan – ein beliebtes Ziel vieler, die gern etwas mehr für gute Fischgeric­hte ausgeben.

Über die Via Trieste kommt man dann zur Spitze der Landzunge Grados, sie mündet in den Jachthafen und grenzt an die Spiaggia Azzurra. Von dort ist es nur ein kurzer Abstecher zum Banco d’Orio, einer unbewirtsc­hafteten Sandbank in der Lagune mit einem endlos langen Strand, vor allem bei Einheimisc­hen beliebt – und nur mit dem Boot erreichbar.

Zu feinem Essen schippern

Die Lagune (auch jene von Marano) ist ein fasziniere­ndes Kontrastpr­ogramm zum Strand-Urlaubsleb­en. Die vielen Sandbänke und die kleinen Inseln mit den Casoni, alten Hütten, wirken wie eine archaische Welt. Einst Schutzhütt­en für die Fischer, sind die Casoni heute meist private Freizeitsi­tze und oft auch Ziel organisier­ter Ausflüge, bei denen klassisch aufgekocht wird, zum Beispiel Boreto. Früher bereiteten die Fischer aus den Resten des Fangs die Mahlzeit zu, sie wird mit Knoblauch, Öl, Weißweines­sig und Pfeffer in einem großen Topf geschmort und und mit Polenta aus weißem Mais aufgetisch­t. Ein einfaches Gericht, das für die Qualitäten von Grados Küche steht: frisch und authentisc­h, regional. Ein anderer guter Platz, um typische Gerichte zu verkosten, ist die Insel Barbana östlich des Damms. Ein beliebtes Ausflugszi­el, nicht nur wegen Idyll und Historie, sondern auch wegen diverser Ristorante, die für ihre tollen Fischgeric­ht bekannt sind. Von Grado aus gibt es gute Schiffsver­bindungen, man erkennt die Insel gut am hellen Turm der Wallfahrts­kirche Santa Maria di Barbana und am Kloster des Franziskan­erordens nebenan.

Mit dem Rad zu den Römern

Und sollen die Kreise um Grado doch einmal etwas weiter gezogen werden, braucht es auch kein Auto, die Radwege entlang der Lagune und nordwärts bis Aquileia und Palmanova sind gut in Schuss. Die Ausgrabung­en der alten Römerstadt Aquileia zum Beispiel lassen sich radelnd gut erreichen, mit einem Stopp in der feinen Pasticceri­a Mosaico ein ideales Ziel für nicht ganz so sonnige Tage. Ein anderer lohnenswer­ter Ausflug, neu auf der Landkarte, ist Al Granaio, wenige Kilometer östlich von Grado in San Lorenzio di Fiumicello gelegen. Dort haben Marco und Romina Marsoni, die viele Jahre in Grado ein Ristorante führten und eigentlich aus Venedig kommen, einen alten Bauernhof gediegen restaurier­t und einen bezaubernd­en Ort geschaffen. Ihre Küche ist ein kreativer Mix aus Tradition und Moderne, mit Gemüse und Kräutern aus eigenem Anbau. Verkostung­stipp: die lokale Spezialitä­t Toc’ in Braide, eine Vorspeise aus Polenta mit einer Creme aus Käse, am besten friulanisc­hem Montasio. Eine ideale Belohnung für hungrige Radler.

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