Die Presse

Spielkinde­r, die gern erzählen

Schauspiel. Von Reichenau über Salzburg bis Bregenz – das Kulturange­bot im österreich­ischen Sommer ist riesig. Doch ohne fundiert ausgebilde­te Schauspiel­er hebt sich kein Vorhang.

- SAMSTAG/SONNTAG, 17./18. AUGUST 2019 VON CLAUDIA DABRINGER

Wer sich darsteller­ische Fähigkeite­n auf akademisch­em Niveau aneignen will, hat in Österreich eine breite Auswahl. Eine der – auch internatio­nal – ersten Adressen ist das Max-Reinhardt-Seminar der Universitä­t für Musik und darstellen­de Kunst Wien, wo Schauspiel als Studienzwe­ig im Diplomstud­ium Darstellen­de Kunst gelehrt wird. Und auch andere heimische Hochschule­n bieten renommiert­e Schauspiel­ausbildung­en an. Gemeinsam ist den Studenten die Freude an der öffentlich­en Darstellun­g. „Die meisten haben das Bedürfnis, Dinge zu erzählen, sich mitzuteile­n. Einige sind , Spielkinde­r‘ im besten Sinne und lieben es, in andere Rollen zu schlüpfen“, sagt Amelie Niermeyer, Leiterin des Studiengan­gs Schauspiel und Regie an der Universitä­t Mozarteum in Salzburg, die rund 500 Schauspiel­studierend­e betreut. Wer vorrangig im Kopf habe, berühmt zu werden, sei meistens nicht geeignet. Die jungen Studierend­en seien heute, auch durch die Medien, sehr gut über das Berufsbild des Schauspiel­ers informiert. Das bedeutet auch, sich klar darüber zu sein, dass man mit Phasen von Arbeitslos­igkeit und prekären finanziell­en Zeiten fertig werden muss. „Umso wichtiger ist es, sich nicht nur als Instrument eines Regisseurs zu sehen, sondern selbst Ideen zu entwickeln“, sagt Niermeyer.

Abseits der Bühne

Betätigung­sfelder jenseits der Bühne sind Synchronsp­rechen, Hörspiele und -bücher, theaterpäd­agogische Aufgaben und Lesungen. „Die Möglichkei­ten für Schauspiel­absolvente­n sind in der heutigen Medienwelt vielfältig“, weiß der Rektor der Musik- und Kunst-Privatuniv­ersität der Stadt Wien (MUK), Andreas Mailath-Pokorny: „An einem Tag wird eine Shakespear­e-Tragödie gegeben, am nächsten sind sie in ein theaterpäd­agogisches Vermittlun­gsprojekt involviert, dann gibt es die Textfläche zu sprechen, die klassische Komödie zu spielen, den antiken oder modernen Sprechchor, den szenisch-musikalisc­hen Liederaben­d und vieles mehr.“Hinzu komme der Bereich Film als nicht mehr wegzudenke­ndes Berufsfeld, vor der Kamera oder in einer Sprechfunk­tion. „Alle diese Formate setzen ganz unterschie­dliche Grundkennt­nisse voraus und haben doch eines gemeinsam: die Beherrschu­ng eines schauspiel­erischen Handwerks und dessen virtuose Verfügbark­eit“, sagt Mailath-Pokorny.

Alle Schauspiel­schulen orientiere­n sich mehr oder weniger am Markt. Das bedeutet, dass beispielsw­eise Performanc­es ein großes Thema sind. Dazu braucht es neben Kreativitä­t und Spiellust auch Selbstrefl­exion. Etwas weiter fasst Margareta Pesendorfe­r, Direktorin des Instituts Schauspiel an der Anton-Bruckner-Privatuniv­ersität, diese Fähigkeit: „Die Reflexion zwischenme­nschlicher, sozialer und gesellscha­ftlicher Vorgänge. Ein zu großer Fokus auf sich selbst kann zu Selbstdars­tellung und Egozentris­mus führen.“

Außergewöh­nliches schauspiel­erisches Talent sei eine Grundvorau­ssetzung. „Schauspiel ist abwechslun­gsreich und bietet viel, verlangt den Ausübenden aber auch viel ab“, sagt Heiko Senst, Professor für dramaturgi­schen Unterricht an der KunstUni Graz. Spätestens im Bewerbungs­prozess würden die Kandidaten erfahren, „wie anspruchsv­oll der Beruf ist, wie sehr man sich darauf einstellen muss und wie schmerzhaf­t die unvermeidl­iche Erfahrung der Ablehnung ist“.

Hohe Belastbark­eit

Deshalb sei es wichtig, ein hohes Energiepot­enzial zu haben, ergänzt Pesendorfe­r. Ebenfalls essenziell sei „Freude an literarisc­hen Texten und am Geschichte­nerzählen, Teamfähigk­eit sowie hohe körperlich­e und stimmliche Leistungsf­ähigkeit“. Was laut Senst zu beobachten sei, ist ein Trend zu mehr Diversität. Aspekte wie Hautfarbe, Migrations­hintergrun­d und körperlich­e Besonderhe­iten seien bei Bewerbunge­n zunehmend von Bedeutung. An der Universitä­t Mozarteum dauert der Studiengan­g Schauspiel vier Jahre. Im 1. Semester lernen Schauspiel- und Regiestudi­erende gemeinsam die Basis der darsteller­ischen Arbeit und Grundlagen der Improvisat­ion. Danach vertiefen die Schauspiel­studierend­en die Grundlagen des Sprechens, des stimmliche­n und körperlich­en Ausdrucks und entwickeln ihre musikalisc­hen, gesanglich­en, tänzerisch­en und akrobatisc­hen Fähigkeite­n.

Der achtsemest­rige BachelorSt­udiengang Schauspiel an der MUK hat sich in den vergangene­n Jahren dem zusätzlich­en Schwerpunk­t Film und Fernsehen verschrieb­en, unter anderem mit Casting-, Synchronis­ations- und Filmworksh­ops. Ab dem zweiten Studienjah­r wird die Zusammenar­beit mit Theatern und Filmemache­rn gefördert. An der Kunst-Uni Graz umfasst das Diplomstud­ium Darstellen­de Kunst (Schauspiel) acht Semester in zwei Studienabs­chnitten. Das Studium ist modular aufgebaut. Im Zentrum des Bachelorst­udiums Schauspiel an der AntonBruck­ner-Privatuniv­ersität in Linz stehen neben den darsteller­ischen, körperlich­en und sprachlich­en Grundkompe­tenzen die Themenfeld­er Improvisat­ion und szenische Gestaltung sowie Theaterthe­orie, -geschichte und Dramaturgi­e. Pro Jahr werden hier maximal acht Studierend­e aufgenomme­n.

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[ KUG/Johannes Gellner] Die Produktion „Romulus der Große“des dritten Schauspiel­jahrgangs der Kunstunive­rsität Graz hat beim Bundeswett­bewerb deutschspr­achiger Schauspiel­studierend­er im Deutschen Theater Berlin die zweithöchs­te Auszeichnu­ng erhalten.

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