Die Nöte des Norbert Hofer
FPÖ. Die „Krone“ist keine Hilfe mehr. Und die ÖVP bereitet ihre Wähler bereits auf eine neue Koalition vor – ohne FPÖ. Doch die größte Bedrohung für den neuen Parteichef kommt von innen: von seinem Vorgänger.
Die ÖVP bereitet ihre Wähler bereits auf eine neue Koalition vor – ohne FPÖ. Doch die größte Bedrohung für den neuen Parteichef kommt von innen.
Wien. Das ORF-„Sommergespräch“am Montagabend mit Norbert Hofer war so etwas wie der inoffizielle Wahlkampfauftakt der FPÖ. Der offizielle folgt am 7. September im oberösterreichischen Pasching. Eine Woche später wird Hofer dann in Graz formal zum Parteiobmann gewählt. Doch im Vorfeld ist Heinz-Christian Straches Nachfolger mit einigen Problemen konfrontiert. Das größte ist sein Vorgänger.
Heinz-Christian Strache
Eben erst hatte sich die FPÖ nach dem Ibiza-Skandal wieder einigermaßen stabilisiert, nämlich bei rund 20 Prozent in den Umfragen. Doch dann wurde in der Vorwoche bekannt, dass auf Anordnung der Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft – unter anderem – Straches Haus durchsucht wurde. Postenschacher steht im Raum. Und Amtsmissbrauch im Zusammenhang mit der Vorstandsbestellung in der Casinos Austria. Diesmal nicht nur in Straches Fantasie wie einst in Ibiza, sondern tatsächlich.
Der ehemalige Vizekanzler, von Dezember 2017 bis Mai 2019 im Amt, bestreitet die Vorwürfe vehement. In einer Medienoffensive am Wochenende schlug er wieder einmal wild um sich, beschuldigte die Staatsanwaltschaft der parteipolitischen Willkür und kündigte zwischen den Zeilen seine Rückkehr in die Politik an. Was die FPÖ in Aufruhr versetzte.
Er verstehe ja Straches Empörung, meint ein Freiheitlicher. Immerhin seien Postenschacher „seit 70 Jahren gang und gäbe in Österreich“. Nur habe sich die FPÖ leider „patscherter angestellt“als andere in den Jahrzehnten zuvor. Die Vorwürfe glaubt die Partei bis zur Nationalratswahl in sechs Wochen noch einigermaßen auf- bzw. erklären zu können. Nicht aber einen offenen Streit zwischen Hofer und Strache.
Noch halten sich die beiden öffentlich zurück. Aber Strache, so heißt es, sei in der Opferrolle versunken und habe sich nach der Hausdurchsuchung nicht ausreichend von der FPÖ-Spitze um Hofer und Klubchef Herbert Kickl, seinen langjährigen Vertrauten, verteidigt gefühlt. Mit Straches Interviews kochte allerdings auch die Ibiza-Affäre wieder hoch. Und die nützt keinem: weder der Partei noch ihrem Ex-Obmann. Norbert Hofer soll nicht gerade erfreut gewesen sein. Am Wochenende meinte er nur: Straches Aussagen seien dessen Privatmeinung, aber nicht Parteilinie.
„Die FPÖ befindet sich in einer schwierigen Situation“, sagt der ehemalige EU-Abgeordnete Andreas Mölzer. Die Parteispitze müsse nun sensibel mit Heinz-Christian Strache umgehen. Und der sich zurücknehmen. „Im Sinne eines Wahlerfolgs.“
Eine Parteispaltung wie einst in Knittelfeld wird in der FPÖ zwar weitgehend ausgeschlossen. Aber man fürchtet eine bittere Wahlniederlage, nachdem man im Jahr 2017 26 Prozent geholt hatte. Als Schmerzgrenze gelten 17 Prozent. Das entspricht ungefähr der freiheitlichen Stammwählerschaft, also jenen, die nicht der Personen wegen Blau wählen, sondern der Positionen. Ein Streit könnte auch Teile dieser Gruppe vergrämen.
Doch das scheint Heinz-Christian Strache derzeit nicht zu interessieren. Er will zurück in die Politik, und das möglichst schnell. In der FPÖ glaubt man jedoch nicht, dass sich Jörg Haiders Spielchen – „Bin weg, bin wieder da“– eins zu eins wiederholen lassen. Vize-Parteiobmann Manfred Haimbuchner schloss am Montag aus, dass Strache in die Bundespartei zurückkehrt. Und damit auch in die Bundespolitik.
Eventuell könnte es bei der Wien-Wahl 2020 ein Wiedersehen mit Strache geben. „Aber nur, wenn die rechtlichen Fragen geklärt sind“, meint ein Parteifreund. Sprich: wenn Straches Unschuld bewiesen ist.
Wobei auch die Wiener Landespartei zu zwei Dritteln gegen eine Rückkehr ihres langjährigen Chefs sein soll. Sie fühle sich bedrängt, heißt es. Insgesamt hat Strache nur (noch) eine sehr kleine Lobby in der FPÖ, bestehend aus einem engen Freundeskreis, den er um sich schart. Allerdings sind viele in der Partei der Meinung, dass man Strache aufgrund seiner Verdienste für die Partei in den vergangenen 14 Jahren nicht fallen lassen dürfe. Was Hofers Handlungsspielraum einschränkt.
Die ÖVP
Das zweitgrößte Problem des neuen Parteichefs ist ein strategisches. Die FPÖ möchte unbedingt wieder in die Regierung. „Doch die ÖVP scheint gerade Hürden zu errichten“, sagt Mölzer. „Und zwar willkürlich. Um den Wählern erklären zu können, warum sie künftig nicht mehr mit der FPÖ regieren möchte.“Zu nennen wären hier vor allem das Verbot der Identitären, die enge Verbindungen zu den Freiheitlichen unterhalten, und die Bedingung, dass eine Neuauflage von Türkis-Blau nur ohne Herbert Kickl in Regierungsfunktion möglich sei.
Da Kickl zuletzt immer wieder auf dem Innenministerium beharrte, wurde zuletzt auch ein Streit mit Hofer kolportiert. Doch davon könne keine Rede sein, versichert ein FPÖ-Stratege. „Das wird von außen in die Partei hineingetragen.“Natürlich gehe man mit der Forderung nach dem Innenministerium in den Wahlkampf. Aber allen Beteiligten sei klar, dass die ÖVP das Innenministerium nicht noch einmal „hergeben“werde. Die niederösterreichische Landespartei meine nämlich, eine Erbpacht darauf zu haben und setze Sebastian Kurz unter Druck. Sollte es in Koalitionsverhandlungen am Ende darauf ankommen, bleibe Kickl eben Klubchef. Das sei mit Hofer so vereinbart.
Die Themen
Problematisch für Norbert Hofer ist auch die aktuelle Themenlage. Beim Klimaschutz besitzt die FPÖ nicht eben viel Glaubwürdigkeit. Die Migration ist im Moment kein großes Thema, jedenfalls nicht annähernd so groß wie bei der Nationalratswahl vor zwei Jahren. Und das Brexit-Theater hat viele EUSkeptiker, die sich in der Vergangenheit nicht selten den Freiheitlichen angeschlossen haben, abgeschreckt.
Auf die „Kronen Zeitung“kann man sich hier auch nicht mehr verlassen. Sie hat der FPÖ den Krieg erklärt, nachdem Strache im Ibiza-Video Übernahmepläne geschmiedet hatte. Und deshalb wird sich die FPÖ im Wahlkampf wohl darauf konzentrieren zu erklären, was es bedeutet, wenn Sebastian Kurz demnächst ohne FPÖ regiert. Oder, wie ein Freiheitlicher meint: „Wir müssen verhindern, dass sich Türkis-Grün ausgeht.“