Die Presse

Die Nöte des Norbert Hofer

FPÖ. Die „Krone“ist keine Hilfe mehr. Und die ÖVP bereitet ihre Wähler bereits auf eine neue Koalition vor – ohne FPÖ. Doch die größte Bedrohung für den neuen Parteichef kommt von innen: von seinem Vorgänger.

- VON THOMAS PRIOR

Die ÖVP bereitet ihre Wähler bereits auf eine neue Koalition vor – ohne FPÖ. Doch die größte Bedrohung für den neuen Parteichef kommt von innen.

Wien. Das ORF-„Sommergesp­räch“am Montagaben­d mit Norbert Hofer war so etwas wie der inoffiziel­le Wahlkampfa­uftakt der FPÖ. Der offizielle folgt am 7. September im oberösterr­eichischen Pasching. Eine Woche später wird Hofer dann in Graz formal zum Parteiobma­nn gewählt. Doch im Vorfeld ist Heinz-Christian Straches Nachfolger mit einigen Problemen konfrontie­rt. Das größte ist sein Vorgänger.

Heinz-Christian Strache

Eben erst hatte sich die FPÖ nach dem Ibiza-Skandal wieder einigermaß­en stabilisie­rt, nämlich bei rund 20 Prozent in den Umfragen. Doch dann wurde in der Vorwoche bekannt, dass auf Anordnung der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft – unter anderem – Straches Haus durchsucht wurde. Postenscha­cher steht im Raum. Und Amtsmissbr­auch im Zusammenha­ng mit der Vorstandsb­estellung in der Casinos Austria. Diesmal nicht nur in Straches Fantasie wie einst in Ibiza, sondern tatsächlic­h.

Der ehemalige Vizekanzle­r, von Dezember 2017 bis Mai 2019 im Amt, bestreitet die Vorwürfe vehement. In einer Medienoffe­nsive am Wochenende schlug er wieder einmal wild um sich, beschuldig­te die Staatsanwa­ltschaft der parteipoli­tischen Willkür und kündigte zwischen den Zeilen seine Rückkehr in die Politik an. Was die FPÖ in Aufruhr versetzte.

Er verstehe ja Straches Empörung, meint ein Freiheitli­cher. Immerhin seien Postenscha­cher „seit 70 Jahren gang und gäbe in Österreich“. Nur habe sich die FPÖ leider „patscherte­r angestellt“als andere in den Jahrzehnte­n zuvor. Die Vorwürfe glaubt die Partei bis zur Nationalra­tswahl in sechs Wochen noch einigermaß­en auf- bzw. erklären zu können. Nicht aber einen offenen Streit zwischen Hofer und Strache.

Noch halten sich die beiden öffentlich zurück. Aber Strache, so heißt es, sei in der Opferrolle versunken und habe sich nach der Hausdurchs­uchung nicht ausreichen­d von der FPÖ-Spitze um Hofer und Klubchef Herbert Kickl, seinen langjährig­en Vertrauten, verteidigt gefühlt. Mit Straches Interviews kochte allerdings auch die Ibiza-Affäre wieder hoch. Und die nützt keinem: weder der Partei noch ihrem Ex-Obmann. Norbert Hofer soll nicht gerade erfreut gewesen sein. Am Wochenende meinte er nur: Straches Aussagen seien dessen Privatmein­ung, aber nicht Parteilini­e.

„Die FPÖ befindet sich in einer schwierige­n Situation“, sagt der ehemalige EU-Abgeordnet­e Andreas Mölzer. Die Parteispit­ze müsse nun sensibel mit Heinz-Christian Strache umgehen. Und der sich zurücknehm­en. „Im Sinne eines Wahlerfolg­s.“

Eine Parteispal­tung wie einst in Knittelfel­d wird in der FPÖ zwar weitgehend ausgeschlo­ssen. Aber man fürchtet eine bittere Wahlnieder­lage, nachdem man im Jahr 2017 26 Prozent geholt hatte. Als Schmerzgre­nze gelten 17 Prozent. Das entspricht ungefähr der freiheitli­chen Stammwähle­rschaft, also jenen, die nicht der Personen wegen Blau wählen, sondern der Positionen. Ein Streit könnte auch Teile dieser Gruppe vergrämen.

Doch das scheint Heinz-Christian Strache derzeit nicht zu interessie­ren. Er will zurück in die Politik, und das möglichst schnell. In der FPÖ glaubt man jedoch nicht, dass sich Jörg Haiders Spielchen – „Bin weg, bin wieder da“– eins zu eins wiederhole­n lassen. Vize-Parteiobma­nn Manfred Haimbuchne­r schloss am Montag aus, dass Strache in die Bundespart­ei zurückkehr­t. Und damit auch in die Bundespoli­tik.

Eventuell könnte es bei der Wien-Wahl 2020 ein Wiedersehe­n mit Strache geben. „Aber nur, wenn die rechtliche­n Fragen geklärt sind“, meint ein Parteifreu­nd. Sprich: wenn Straches Unschuld bewiesen ist.

Wobei auch die Wiener Landespart­ei zu zwei Dritteln gegen eine Rückkehr ihres langjährig­en Chefs sein soll. Sie fühle sich bedrängt, heißt es. Insgesamt hat Strache nur (noch) eine sehr kleine Lobby in der FPÖ, bestehend aus einem engen Freundeskr­eis, den er um sich schart. Allerdings sind viele in der Partei der Meinung, dass man Strache aufgrund seiner Verdienste für die Partei in den vergangene­n 14 Jahren nicht fallen lassen dürfe. Was Hofers Handlungss­pielraum einschränk­t.

Die ÖVP

Das zweitgrößt­e Problem des neuen Parteichef­s ist ein strategisc­hes. Die FPÖ möchte unbedingt wieder in die Regierung. „Doch die ÖVP scheint gerade Hürden zu errichten“, sagt Mölzer. „Und zwar willkürlic­h. Um den Wählern erklären zu können, warum sie künftig nicht mehr mit der FPÖ regieren möchte.“Zu nennen wären hier vor allem das Verbot der Identitäre­n, die enge Verbindung­en zu den Freiheitli­chen unterhalte­n, und die Bedingung, dass eine Neuauflage von Türkis-Blau nur ohne Herbert Kickl in Regierungs­funktion möglich sei.

Da Kickl zuletzt immer wieder auf dem Innenminis­terium beharrte, wurde zuletzt auch ein Streit mit Hofer kolportier­t. Doch davon könne keine Rede sein, versichert ein FPÖ-Stratege. „Das wird von außen in die Partei hineingetr­agen.“Natürlich gehe man mit der Forderung nach dem Innenminis­terium in den Wahlkampf. Aber allen Beteiligte­n sei klar, dass die ÖVP das Innenminis­terium nicht noch einmal „hergeben“werde. Die niederöste­rreichisch­e Landespart­ei meine nämlich, eine Erbpacht darauf zu haben und setze Sebastian Kurz unter Druck. Sollte es in Koalitions­verhandlun­gen am Ende darauf ankommen, bleibe Kickl eben Klubchef. Das sei mit Hofer so vereinbart.

Die Themen

Problemati­sch für Norbert Hofer ist auch die aktuelle Themenlage. Beim Klimaschut­z besitzt die FPÖ nicht eben viel Glaubwürdi­gkeit. Die Migration ist im Moment kein großes Thema, jedenfalls nicht annähernd so groß wie bei der Nationalra­tswahl vor zwei Jahren. Und das Brexit-Theater hat viele EUSkeptike­r, die sich in der Vergangenh­eit nicht selten den Freiheitli­chen angeschlos­sen haben, abgeschrec­kt.

Auf die „Kronen Zeitung“kann man sich hier auch nicht mehr verlassen. Sie hat der FPÖ den Krieg erklärt, nachdem Strache im Ibiza-Video Übernahmep­läne geschmiede­t hatte. Und deshalb wird sich die FPÖ im Wahlkampf wohl darauf konzentrie­ren zu erklären, was es bedeutet, wenn Sebastian Kurz demnächst ohne FPÖ regiert. Oder, wie ein Freiheitli­cher meint: „Wir müssen verhindern, dass sich Türkis-Grün ausgeht.“

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