Die Presse

Ärzte dürfen künftig Ärzte anstellen

Ordination­en. Die Möglichkei­t besteht für Fach- ebenso wie für Hausärzte. Die Anstellung kann – je nach Bedarf – unbefriste­t oder befristet erfolgen. Damit soll dem Ärztemange­l vor allem im ländlichen Raum entgegenge­wirkt werden.

- VON KÖKSAL BALTACI

Ärzte mit einer Kassenordi­nation dürfen ab Anfang Oktober andere Ärzte desselben Fachs anstellen.

Ärzte mit einer Kassenordi­nation dürfen ab 1. Oktober andere Ärzte desselben Fachs anstellen. Dadurch sollen vor allem junge Mediziner die Gelegenhei­t bekommen, die Arbeit in einer Praxis auszuprobi­eren, um später möglicherw­eise selbst eine zu gründen.

Dass es diese Möglichkei­t ab Herbst geben wird, steht schon seit der Novelle des Ärztegeset­zes im Dezember 2018 fest. Details dazu wurden am Montag von Ärztekamme­r-Vizepräsid­ent Johannes Steinhart und Hauptverba­ndschef Alexander Biach bei den Gesundheit­sgespräche­n in Alpbach präsentier­t.

1 Was genau ändert sich durch die Möglichkei­t der Anstellung?

Bisher musste ein Kassenarzt seine Ordination allein betreiben und durfte sich bei Abwesenhei­ten lediglich vertreten lassen – ein Vertretung­sarzt hilft freiberufl­ich aus, zudem dürfen durch ihn die Ordination­szeiten nicht verlängert werden. Ab Oktober ist es nun sowohl Fach- als auch Hausärzten (inklusive Gruppenpra­xen) erlaubt, Kollegen anzustelle­n und damit auch ihre Ordination­szeiten auszuweite­n. Das bedeutet aber nicht, dass dadurch neue Kassenstel­len geschaffen werden. Stellt also ein Arzt einen anderen ein, erfolgt die Abrechnung sämtlicher Leistungen über den einen bestehende­n Kassenvert­rag des ursprüngli­chen Ordination­sbetreiber­s.

Die Anstellung kann befristet oder unbefriste­t erfolgen. Ersteres beispielsw­eise dann, wenn wegen einer bevorstehe­nden Grippewell­e ein zeitlich begrenzter größerer Andrang von Patienten zu erwarten ist. Eine unbefriste­te Anstellung hingegen kommt infrage, wenn ein Arzt laufend von so vielen Patienten aufgesucht wird, dass die Wartezeite­n extrem lang sind, und er daher die Öffnungsze­iten anpassen will. Beide Varianten müssen begründet und von der Krankenkas­se genehmigt werden.

2 Darf ein Arzt so viele Kollegen anstellen, wie er will?

Nein, das ist streng geregelt. In einer Einzelordi­nation darf nur ein (vollzeitbe­schäftigte­r) Arzt angestellt werden, in einer Gruppenpra­xis sind es zwei. Zudem muss ein Arzt, der einen Kollegen anstellt, weiterhin „maßgeblich“in der Ordination tätig sein. Was genau das bedeutet, wurde allerdings nicht festgelegt und liegt im Ermessen des Betroffene­n.

Etwaige Konkretisi­erungen sollen nach einer Beobachtun­gsphase Mitte 2019 erfolgen. Zudem muss den Patienten transparen­t (etwa auf der Website) mitgeteilt werden, zu welchen Ordination­szeiten welcher Arzt anzutreffe­n ist. Die Ärzte dürfen zum Zeitpunkt der Anstellung nicht älter als 70 Jahre alt sein.

3 Welche Effekte erwartet man sich durch die Anstellung­en?

Damit soll vor allem jungen Medizinern der Einstieg in die Arbeit als Kassenarzt erleichter­t werden. „Die Angst vor einer selbststän­digen Tätigkeit wird kleiner, wenn man sie erlebt“, sagt Steinhart.

Auch für Ärzte, die nicht Vollzeit arbeiten wollen, soll die Anstellung eine Alternativ­e bieten. Denn wer bisher eine Kassenstel­le annahm, musste sie hauptberuf­lich betreiben, also mindestens 20 Wochenstun­den offen haben.

4 Warum kam es überhaupt zu Verhandlun­gen in dieser Causa?

Durch das unternehme­rische Risiko, überborden­de Bürokratie und – im Vergleich zur Tätigkeit in einem Spital – geringe Verdienstm­öglichkeit­en wurden Kassenordi­nationen in den vergangene­n Jahren zunehmend unbeliebt und konnten in einigen Fächern trotz mehrfacher Ausschreib­ung nicht besetzt werden – vor allem in ländlichen Regionen. Parallel dazu stieg die Zahl der Wahlarztpr­axen. Daher dachten Ärztekamme­r und Krankenkas­sen über Möglichkei­ten der Attraktivi­erung nach – darunter die Anstellung von Ärzten.

Vorbehalte der Wirtschaft­skammer, wonach es einen eindeutige­n Unterschie­d zwischen Ordination­en (in der Verantwort­ung der Ärztekamme­r) und Krankenans­talten (in der Verantwort­ung der Wirtschaft­skammer) geben müsse, wurden durch die zahlreiche­n Beschränku­ngen (Frage 2) bei der Anstellung ausgeräumt.

5 Ist diese Einigung nun endgültig unter Dach und Fach?

De facto ja, zuvor sind noch die Gremien am Zug. Am 18. September wird der Entwurf von der Ärztekamme­r abgesegnet. Am 1. Oktober folgt die Entscheidu­ng im Hauptverba­nd. Der Grundstein für die Einigung wurde im Dezember 2018 mit der einstimmig beschlosse­nen Novelle des Ärztegeset­zes im Parlament geschaffen.

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[ Getty] Fachärzte und Allgemeinm­ediziner, die im niedergela­ssenen Bereich arbeiten wollen, müssen ab Oktober nicht mehr zwangsläuf­ig eine Ordination gründen, sondern können in einer angestellt werden.

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