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Institutio­nalisierte Korruption in Form von politische­n Postenbese­tzungen hat in Österreich ein lange Tradition. Und jedes Unrechtsbe­wusstsein fehlt.

- E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

Leitartike­l von Josef Urschitz: Gegen üblen Postenscha­cher hilft nur radikale Privatisie­rung

N icht, dass der Fall Casinos/Sidlo den gelernten Österreich­er besonders überrasche­n würde: Postenscha­cher, diese besondere österreich­ische Form der Korruption, hat in diesem Land eine lange Tradition. Eine institutio­nalisierte sogar. Proporzabk­ommen haben schon unmittelba­r nach dem Krieg ganz offiziell die exakte parteipoli­tische Aufteilung der Posten – nicht nur auf der Management­ebene – in staatsnahe­n Betrieben und Institutio­nen genau geregelt. In der Nationalba­nk etwa, so wurde früher gewitzelt, sei jede Position dreifach besetzt worden: mit einem Roten, einem Schwarzen, und einem, der die Arbeit macht und kann.

Besonders sichtbar wird das in letzter Zeit nur, weil mit der FPÖ seit der Jahrtausen­dwende nun schon zum zweiten Mal eine dritte Kraft an den vorher diskret bilateral aufgeteilt­en staatliche­n Futtertrog drängt. Und dies besonders unverschäm­t und aufreizend tut. Natürlich ohne das geringste Unrechtsbe­wusstsein zu entwickeln – wie etwa Ex-FPÖ-Chef Strache mit seiner im „Presse“-Interview getätigten Aussage, dass es eben wichtig sei, Vertrauens­leute im Staatsbere­ich sitzen zu haben, eindrucksv­oll bewiesen hat.

Andere sprechen es nicht so deutlich aus, aber so läuft es: Man setzt Vertrauens­leute in wichtige Positionen von Unternehme­n. Wichtig ist Parteiloya­lität, Qualifikat­ion ist Neben- beziehungs­weise Glückssach­e. Schön, wenn man sie hat, aber es geht auch ohne.

Es läuft immer gleich: Schon lange vor der Postenauss­chreibung, die ja als Feigenblat­t gesetzlich vorgeschri­eben ist, weiß jeder Eingeweiht­e, wer das Rennen machen wird. Dass dann zur Verschleie­rung auch noch sündteure internatio­nale Personalbe­rater engagiert werden, auf deren Rat allerdings keiner hört, stört auch niemanden. Zahlt eh der gemeine Steuerzahl­er.

Alle schlechten Erfahrunge­n der vergangene­n Jahrzehnte spielen bei diesen Machtabsic­herungsspi­elchen keine Rolle. Immerhin ist die gesamte staatliche Industrie auf diese Weise an die Wand gefahren worden. Und die heutigen Prunkstück­e, die aus der Asche dieser größten Industriep­leite der Republik hervorgega­ngen sind, sind die, in denen der Staatseinf­luss auf null oder nahe null reduziert werden konnte.

Womit wir beim Kern der Sache sind: Überall dort, wo der Staat substanzie­ll beteiligt ist, wird der parteipoli­tische Postenscha­cher zur Normalität. Der Eigentümer schafft eben an, auch was das Management betrifft. Das ist in der Privatwirt­schaft nicht anders. Dort allerdings unproblema­tischer, weil ein privater Eigentümer, der ein minder qualifizie­rtes Freunderl in den Vorstand setzt, sich ins eigene Fleisch schneidet. Und dabei deshalb wahrschein­lich ein bisschen behutsamer vorgehen wird als Politiker, die fremdes Geld verwalten und bei Fehlentsch­eidungen keinerlei Konsequenz­en zu tragen haben. E s gibt für das Dilemma nur eine Lösung: totale Privatisie­rung aller Staatsbete­iligungen. Es gibt keinen einzigen Grund, warum der Staat etwa als Spielhölle­nbetreiber auftreten sollte. Noch dazu da er in diesem Fall gleichzeit­ig Regulator und Regulierte­r ist, also in einem handfesten Interessen­konflikt steckt. Ein Rückzug auf Minderheit­sbeteiligu­ngen hilft, wie man im Fall der Casinos-Beteiligun­g sieht, auch nichts: Dann wird eben mit privaten Mitaktionä­ren nach dem Prinzip eine Hand wäscht die andere munter gedealt (wobei im Casinos-Fall natürlich weiter die Unschuldsv­ermutung gilt).

Auch die Bestellung von in der Privatwirt­schaft erfolgreic­hen Managern in die Aufsichtsr­äte ist keine Garantie gegen üble Postenscha­cherei: Wenn die sich – gegen den ausdrückli­chen Rat der engagierte­n Personalbe­rater – nicht die qualifizie­rtesten, sondern die parteiloya­lsten Bewerber aufs Auge drücken lassen, dann ist das nichts anderes als ein Vollversag­en dieses Kontrollgr­emiums.

In Österreich ist das Gefühl für Korruption wenig ausgeprägt, in der Politik offenbar nur in Spurenelem­enten vorhanden. Wenn man die unappetitl­iche Postenscha­cherei abstellen will, bleibt also nur eines: Hinaus mit dem Staat aus allen Unternehme­n. Und zwar vollständi­g.

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VON JOSEF URSCHITZ

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