Die Presse

Extremismu­s lässt sich nicht verbieten

Die ÖVP will die FPÖ in die Zwickmühle bringen – und begibt sich dabei auf bedenklich­es Terrain.

- VON MARTIN FRITZL E-Mails an: martin.fritzl@diepresse.com

D ie „Koalitions­bedingung“der ÖVP, die Identitäre­n zu verbieten, ist ein leicht zu durchschau­endes taktisches Manöver: Es stellt die Freiheitli­chen vor die Wahl, entweder zuzustimme­n und damit erhebliche­n internen Ärger auszulösen, oder aber sich gegen den früheren Koalitions­partner zu stellen und damit öffentlich als Unterstütz­er der Identitäre­n wahrgenomm­en zu werden. Die FPÖ hat sich in dieser Zwickmühle für Variante zwei entschiede­n und begründet ihre Ablehnung mit rechtsstaa­tlichen Erwägungen.

Und das mit einiger Berechtigu­ng, denn die ÖVP hat sich mit ihrem Vorschlag auf bedenklich­es Terrain begeben. Vereine, die gegen Gesetze verstoßen, etwa gegen das NS-Verbotsges­etz, dürfen jetzt schon verboten werden. Künftig sollen laut Volksparte­i auch jene Vereine aufgelöst werden, die „extremisti­sches oder staatsfein­dliches Gedankengu­t verbreiten“. Staatsfein­dliche Aktivitäte­n sind aber auch vom Strafgeset­z erfasst.

Bleibt also der Extremismu­s. Und da geht es sehr schnell in Richtung Willkür: Wer definiert, was extrem ist? Warum gehören die Identitäre­n verboten und die in vielen Fragen ähnlich argumentie­rende FPÖ nicht? Und welche „extremen“Vereine werden als Nächstes aufgelöst? Tierschütz­er? Flüchtling­s-Hilfsorgan­isationen? E s gibt gute Gründe, die Identitäre­n für gefährlich zu halten. Ein Verbot würde daran aber wenig ändern: Es wäre sogar ein willkommen­es Geschenk für eine Handvoll Aktivisten, die sich dann in ihrer Opferrolle suhlen und auch ohne Vereinsstr­uktur ihre publizisti­schen Aktivitäte­n ungestört fortsetzen könnten. Wer ernsthaft gegen die Neue Rechte auftreten will, muss ihrem Grundkonze­pt, Migranten zu stigmatisi­eren und für alles Übel verantwort­lich zu machen, argumentat­iv entgegentr­eten. Das hilft mehr als wahltaktis­che Verbotsfor­derungen.

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