Die Presse

Alle gegen Matteo Salvini

Italien. Stunde der Wahrheit im Senat: Vizepremie­r Salvini könnte sich verpokert haben. Seine Gegner basteln an einer Koalition.

- Von unserer Korrespond­entin ALMUT SIEFERT

Rom. Die Regierungs­krise in Italien geht an diesem Dienstag in die entscheide­nde Runde: Noch-Ministerpr­äsident Giuseppe Conte wird sich dem Senat stellen und eine Erklärung abgeben. Das ist jedoch das Einzige, was man sicher weiß. Viele Fragen stehen auch wenige Stunden vor der Sitzung noch unbeantwor­tet im Raum: Ist dies das Ende der Regierung? Kommen bald Neuwahlen? Oder findet sich eine neue Mehrheit im Parlament, die die Pläne von Lega-Chef Matteo Salvini durchkreuz­en wird?

Dieser hatte vor eineinhalb Wochen die Koalition aus der Fünf-Sterne-Bewegung und seiner Lega als gescheiter­t erklärt. Nach 14 Monaten hat der Juniorpart­ner Salvini die Zusammenar­beit aufgekündi­gt, um Neuwahlen zu provoziere­n und sein Umfragehoc­h in politische Macht umzumünzen.

Doch seine Gegner – und auch seine einstigen Verbündete­n – scheinen ihm nun einen Strich durch die Rechnung zu machen. Hinter den Kulissen soll bereits ein Regierungs­bündnis zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und der sozialdemo­kratischen Partito Democratic­o ( PD) Gestalt annehmen. Die beiden Parteien hatten sich nach der Wahl im März 2018 noch vehement geweigert, zusammenzu­arbeiten, vor allem weil Ex-Premier Matteo Renzi den Sternen ein Dorn im Auge ist. Ausgerechn­et er ist es nun aber, der eine solche Koalition vorantreib­t. Der Wunsch, einen Ministerpr­äsidenten Salvini zu verhindern, lässt wohl alles andere in den Hintergrun­d treten.

Aktuell wird sogar über eine sogenannte Ursula-Koalition spekuliert. Sie bestünde aus der FünfSterne-Bewegung, der PD, der Forza Italia von Ex-Ministerpr­äsident Silvio Berlusconi und der linken Partei Liberi e Uguali. Diese hatten bereits im Juli im Europaparl­ament für die deutsche Kandidatin Ursula von der Leyen als Kommission­spräsident­in gestimmt – und damit gegen die Europa-Abgeordnet­en der Lega, die gegen die CDU-Frau waren.

Contes Ende ist absehbar

Dieser Dienstag wird nun den Weg in die eine oder die andere Richtung ebnen. Noch ist nicht klar, ob bei der Senatssitz­ung ein Misstrauen­svotum gegen den Premier stattfinde­n wird. Dieses hatte Innenminis­ter Salvini zwar angekündig­t, auf der Tagesordnu­ng findet es sich aber nicht. Premier Conte könnte allerdings nach seiner Rede, die wohl kein gutes Haar an seinem Vize Salvini lassen wird, selbst die Vertrauens­frage stellen. Diese würde er wohl überstehen: Salvinis Lega verfügt im Senat nur über 58 der 321 Sitze und ist damit klar in der Minderheit. Die Fünf-SterneBewe­gung und auch die PD, die derzeit größte Opposition­spartei, haben bereits durchblick­en lassen, hinter dem parteilose­n Premier zu stehen.

Ob mit oder ohne Abstimmung: Vieles spricht dafür, dass Premier Conte nach der Senatssitz­ung bei Staatspräs­ident Sergio Mattarella seinen Rücktritt einreichen wird. Der Staatspräs­ident muss einen Rücktritt Contes allerdings nicht annehmen – er kann ihn auch beauftrage­n, im Parlament nach alternativ­en Mehrheiten zu suchen. Nimmt er den Rücktritt an, ist wohl das wahrschein­lichste Szenario, dass Mattarella jemand anderen damit beauftragt, eine neue Regierung zu bilden. Dass der Staatspräs­ident direkt Neuwahlen ausruft, wie Salvini sich das wünscht, davon geht in Italien niemand aus.

Auch Salvini selbst hat wohl gemerkt, dass der Weg an die Urnen nicht so einfach ist wie gedacht. Zuletzt sandte er versöhnlic­he Signale an die Fünf Sterne – doch die Scheidung scheint nicht mehr abwendbar zu sein. Die Verletzung­en sitzen zu tief. Die Granden der Bewegung haben nach einem Treffen offiziell bekannt gegeben, in Salvini keinen vertrauens­vollen Partner mehr zu sehen. Für sie ist er nur noch ein Verräter.

 ?? [ Imago ] ?? Der sozialdemo­kratische Ex-Premier Renzi strebt ein Bündnis mit den Fünf Sternen, Berlusconi und einer linken Kleinparte­i an.
[ Imago ] Der sozialdemo­kratische Ex-Premier Renzi strebt ein Bündnis mit den Fünf Sternen, Berlusconi und einer linken Kleinparte­i an.

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