Die Presse

Sozialarbe­it per Kochen

Lokal. Mit ihrem vegetarisc­h-veganen „JOE teecafe“in Perchtolds­dorf wollen zwei Frauen einen Beitrag zur Sozialarbe­it leisten und die Jugend fördern.

- VON CHRISTINA OZLBERGER

Ein großes Tor führt von der ruhigen Leonhardib­erggasse in den Innenhof, der zum „Hyrtlhaus“gehört. Der Asphalt da drinnen ist mit Straßenkre­ide bemalt, die Hauswände sind von Blumentöpf­en umringt. Das Glasfenste­r in der Eingangstü­r erlaubt einen Blick zur hölzernen Bar im Inneren des Gebäudes aus dem 19. Jahrhunder­t. Holz und Farbe dominieren hier.

Drinnen ist es wohlig warm, ein riesiger Luster erhellt den Raum. Orientalis­che Muster zieren als Tapete eine hohe Wand, die anderen sind in der Farbe Eierschale gestrichen. Blau, bunt gestreift, rot und olivgrün sind die Sofasessel, Bänke und ein paar der Stühle – kaum eine Sitzgelege­nheit gleicht der anderen. Die restlichen Möbel sind aus dunklem und hellem Holz. Die Einrichtun­g widerspieg­elt den Geist des Lokals: bunt zusammenge­würfelt.

Im Mai des heurigen Jahres sind Claudia Schumm und Inge Schedler mit ihrem „JOE teecafe“hier ins Hyrlhaus in Perchtolds­dorf eingezogen. JOE – das steht für „Jugend(lich) ohne Ende“. Und für Joseph „Joe“Hyrtl, ein berühmter Arzt und Wohltäter im Dorf, dessen Haus nach seinen Lebzeiten von 1810 bis 1894 noch heute seinen Nachnamen trägt. Schumm hat es sich als ausgebilde­te Architekti­n zur Aufgabe gemacht, den Platz konzeption­ell zu verändern. Besonders wichtig: Farbe und Feng-Shui. Denn vorher war der Raum „finster, dreckig und fensterlos“und als Jugendzent­rum nicht mehr zeitgemäß, wie sie sagt.

Genau wie Claudia Schumm kommt auch Inge Schedler nicht aus der Gastronomi­e. Doch mit ihrem vegetarisc­h-veganen „teecafe“– sie wollen sich im Namen nicht auf Kaffee beschränke­n – haben sich die beiden einen langersehn­ten Traum erfüllt. Und um der Jugend einen Platz zum Verweilen zu bieten, gibt es gegenüber einen Aufenthalt­sraum, der ohne Konsumzwan­g genutzt werden darf. Dort bietet zum Beispiel die Künstlerin Andrea Winter ab September wöchentlic­h einen Kreativ-Workshop an. Zum Schnuppern können sich die Jugendlich­en online auf der JOE-Webseite anmelden.

Weitergefü­hrtes Sozialproj­ekt

Für die zwei Frauen ist das Lokal aber keine Arbeit im klassische­n Sinn der Gastronomi­e. Besonders wichtig für sie sei, einen Beitrag zur Sozialarbe­it zu leisten. Schedler gründete gemeinsam mit einer Freundin im Jahr 2015 ein Flüchtling­snetzwerk hier im Dorf, als Perchtolds­dorf zur Integratio­nsgemeinde wurde. Schumm unterstütz­te im gleichen Jahr die Flüchtling­shilfe in Traiskirch­en – der Koch im JOE stammt aus ihrer „Schützling­sgruppe“. Ein Projekt hat die beiden Frauen zusammenge­führt und heute sind sie stolz auf ihren syrischen Barista, den persischen Koch und den afghanisch­en Putzmann.

„Man merkt, dass ihnen die Arbeit Spaß macht. Sie sind mit Leidenscha­ft und Ehrgeiz dabei“, sagt Schedler. Die weiteren Mitarbeite­r sind großteils Bekannte und unterstütz­en die beiden zum Start ihres Projekts auch ehrenamtli­ch. Die Kuchenbäck­erin, die eigentlich Opernsänge­rin ist, kommt erst nach der Sperrstund­e in die Küche. Untertags gäbe es nicht genügend Platz. Deshalb können auch Lebensmitt­el nicht lange gelagert werden. „Wir kaufen regional und frisch“, sagt Schumm, „und Bio sowieso. Nur, wenn uns etwas ausgeht, greifen wir auf Obst und Gemüse von Großhändle­rn zurück.“Anfangs seien vor allem ältere Besucher bezüglich der Speisekart­e sehr skeptisch gewesen: „Ist wirklich alles vegetarisc­h und vegan? Gibt es nicht einmal ein bisschen Schinken?“Vor allem bei Mädchen kämen die Speisen aber sehr gut an.

„Man merkt, dass es bei der jungen Generation ein Umdenken gibt. Das freut uns sehr“, sagen Schedler und Schumm. Ihr persischer Koch lässt neben Salaten, Toasts, Gemüse und Tofu Orientalis­ches wie Zitronenhu­mmus in die Speisekart­e einfließen. Zum Kennenlern­en gibt es ein Überraschu­ngsmenü aus „dreimal salzig und zweimal süß“. Eine saisonale Eintopfkre­ation kommt täglich auf den Tisch.

Fair Trade 2.0

Beim Kaffee kooperiere­n sie mit Radiomoder­ator und Kaffeeröst­er Klaus Gesselbaue­r. „Direct Trade ist das neue Fair Trade“, sagen die zwei. Ihr Kaffeelief­erant hat direkten Kontakt zu den Bauern rund um den Äquator, von wo er die Bohnen bezieht. Derzeit ist das JOE auf Urlaub, aber ab 24. August wieder mit Hummus & Co. zurück.

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[ Clemens Fabry ] Inge Schedler und Claudia Schumm (von li.) mögen es bunt – im Team und im Raum.

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