Die Presse

Folgen und Last großer Siege

Tennis. Der Turniersie­g in Cincinnati hat Daniil Medwedew in den Favoritenk­reis der am Montag beginnende­n US Open gehievt. In New York wird der Russe nicht mehr so unbeschwer­t aufspielen.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Tennisprof­is unterliege­n für gewöhnlich Formzyklen, selbst die Weltbesten hadern zuweilen mit Schwächeph­asen. Umso beeindruck­ender ist die gegenwärti­ge Konstanz eines Mannes: Der Russe Daniil Medwedew hat am Sonntag mit dem Sieg in Cincinnati (7:6, 6:4 im Finale gegen David Goffin) seinen jüngsten Erfolgslau­f gekrönt und erstmals bei einem ATP-1000-Turnier triumphier­t. In den beiden Wochen zuvor war er in Washington und Montreal bis ins Endspiel vorgedrung­en, in 20 Tagen hat er 18 (!) Matches bestritten. Niederlage­n setzte es für den 23-Jährigen nur gegen Nick Kyrgios (Washington) und Rafael Nadal (Montreal).

Mit drei Assen in Serie setzte Medwedew in Cincinnati einen Schlusspun­kt hinter das Match gegen Goffin, die Reaktion auf den bisher bedeutsams­ten Sieg seiner Karriere fiel überrasche­nd bescheiden aus. Keine Spur von Euphorie, kein Freudensch­rei, nach dem verwandelt­en Matchball ballte er bloß für einen kurzen Augenblick die Faust und blickte in seine Box. Medwedew, das gestand er wenig später, hatte einfach keine Kraft mehr, um im großen Stil zu feiern. Er war einfach nur froh, dass dieses Spiel zu Ende war.

In den finalen Minuten hatte der Mann aus Moskau „Krämpfe im ganzen Körper“registrier­t, die Anstrengun­gen der vergangene­n Wochen waren nicht spurlos an ihm vorbeigezo­gen, das sollte die Konkurrenz zumindest ein klein wenig beruhigen. Medwedew, das steht jedoch unbestritt­en fest, ist der Mann der Stunde auf der Tour. Ausgestatt­et mit unendlich viel Selbstvert­rauen hatte er im USBundesst­aat Ohio unter anderem auch den Weltrangli­stenersten, Novak Djokovic,´ zu Fall gebracht.

Innerhalb von nur drei Wochen hat Medwedew 1900 Weltrangli­stenpunkte eingespiel­t. Zum Vergleich: Für einen Grand-SlamErfolg gibt es 2000. In der Weltrangli­ste lacht der Moskowiter seit Montag von Platz fünf, auf den vor ihm liegenden Dominic Thiem fehlen ihm noch 730 Punkte.

Der Belgier David Goffin erklärte den Spieler Daniil Medwedew nach der Finalniede­rlage wie folgt: „Er ist super solide, macht keine Fehler. Es ist, als würdest du gegen eine Wand spielen. Er spielt nicht allzu schnell, aber auch nicht langsam, das Tempo gegen ihn ist ziemlich speziell. Daniil ist einfach unglaublic­h konstant, dazu kommt sein Selbstvert­rauen. Deswegen tut sich jeder momentan so schwer.“

Für die am Montag beginnende­n US Open in New York muss Medwedew nach den Vorstellun­gen der vergangene­n Tage und Wochen zum Kreis der Titelanwär­ter gezählt werden, wenngleich er auf Grand-Slam-Ebene bislang noch nicht zu glänzen wusste. Sein bestes Resultat war ein Achtelfina­le bei den Australian Open Anfang des Jahres.

Vom Center Court ins Bett

Der fünffache ATP-Turniersie­ger mag zwar aktuell das beste Tennis seiner Karriere spielen, bei den US Open kommen aber gleich zwei Faktoren erschweren­d hinzu. Erstens: die Strapazen der bisherigen Überseetou­rnee. Medwedew hat noch nie zuvor derart viele Matches in so kurzer Zeit bestritten und nun nur eine Woche Zeit, um körperlich wieder bei 100 Prozent zu sein. Nach dem Finale sagte er: „Ich mus einfach 24 Stunden nur im Bett bleiben und fernsehen. Ich hoffe, ich bin bis zu den US Open wieder frisch.“

Zweitens: Medwedew, der im Oktober auch bei den Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle aufschlage­n wird, startet erstmals als Mitfavorit in ein Grand-Slam-Turnier. Viele Augen werden auf ihn gerichtet sein, Außenseite­r wäre er nur in möglichen Duellen gegen die Superstars Djokovic,´ Rafael Nadal und Roger Federer. Mental ist es fortan ein völlig anderes Spiel.

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[ Reuters] Daniil Medwedew und die etwas eigenwilli­ge Trophäe für den Turniersie­g in Cincinnati.

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