Die Presse

Aber nur ausnahmswe­ise . . .

Joint Venture. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier gibt grünes Licht für die Fusion der Gleitlager­hersteller Miba aus Oberösterr­eich und Zollern. Das soll den Mittelstan­d besänftige­n.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. Im Wirtschaft­sministeri­um am Ufer der Spree in Berlin hat sich am Montag höchst Ungewöhnli­ches zugetragen. Ressortche­f Peter Altmaier (CDU) traf eine Entscheidu­ng von absolutem „Ausnahmech­arakter“, wie er das formuliert­e. Nur 23-mal wurde seit 1973 ein Antrag auf eine sogenannte Ministerer­laubnis gestellt – und noch seltener, nämlich neunmal, auch erteilt. Am Montag, kurz vor Mittag, unterschri­eb Altmaier Nummer zehn. Der Minister erlaubt die Fusion der Gleitlager­sparten der Familienun­ternehmen Miba in Oberösterr­eich und Zollern in Baden-Württember­g. Er setzt sich über das Nein der Wettbewerb­shüter hinweg.

Es ist ein großer, wenn auch nicht uneingesch­ränkter Sieg für den Kfz-Zulieferer Miba in Laakirchen nahe dem Traunsee. Denn Altmaier diktiert „sehr harte Auflagen“, wie es in einer Aussendung von Miba/Zollern heißt. Das Joint Venture muss mindestens fünf Jahre bestehen – und 50 Millionen Euro an Investitio­nen tätigen.

Kleiner Fall, große Wirkung

Der Staat macht also Vorgaben für das neue Gemeinscha­ftsunterne­hmen, an dem Miba mit 74,9 Prozent den Löwenantei­l halten wird. Den Rest steuert Zollern bei. Der Umsatz soll 300 Millionen Euro ausmachen. Nur zum Vergleich: Der Gesamtumsa­tz der Miba AG kratzt an der Marke von einer Milliarde Euro. Und bei Zollern sind rund 450 von 3000 Mitarbeite­rn betroffen. Ein kleiner Fall also, aber von großer Symbolik. Auch was die Zukunft der deutschen Industriep­olitik betrifft.

Für Altmaier lief es schlecht, seit er seine Industries­trategie 2030 vorgestell­t hat. Er drängte auf eine Lockerung des Wettbewerb­srechts, um „nationale und europäisch­e Champions“zu schaffen, und auf staatliche Beteiligun­gen, um Schlüsseli­ndustrien vor feindliche­n Übernahmen zu retten. Er sagt Sätze wie „Size matters!“. Der Mittelstan­d kam kaum vor. Zumindest empfand man das dort so. Der Verband der Familienun­ternehmen hat Altmaier daraufhin geschnitte­n. Für einen CDU-Minister ist das der größte anzunehmen­de Unfall. In den 180.000 Familienbe­trieben schlägt das Herz der deutschen Wirtschaft. Auch Zollern ist so ein altes Familienun­ternehmen. Der Antrag auf Ministerer­laubnis bot Altmaier also die Gelegenhei­t, den industriel­len Mittelstan­d mit seiner Idee von der Schaffung „europäisch­er Champions“zu versöhnen. Man kann seine Entscheidu­ng also auch als große Geste an seine Gegner deuten. Sie kommt trotzdem überrasche­nd.

Rückblende: In Österreich haben die Wettbewerb­shüter gegen die Fusion keine Bedenken. In Deutschlan­d schon. Miba und Zollern seien bei Gleitlager­n für Großmotore­n sehr stark aufgestell­t. Für die Abnehmer würden Auswahlalt­ernativen wegbrechen. Bei Miba und Zollern verstehen sie die Welt nicht mehr. Doch auch die Monopolkom­mission rät Altmaier von einer Ministerer­laubnis ab. Im Mai sagt eine sehr hochrangig­e Quelle im Wirtschaft­sministeri­um zur „Presse“, dass Altmaier den Vorschlag nur ablehnen könne. Das wird also nichts? „Nein“, sagt die Quelle.

Doch dann baut sich Druck auf. Von allen Seiten. Der Wirtschaft­sminister in Niedersach­sen, Bernd Althusmann (CDU), schaltet sich ein und wirbt für grünes Licht. Miba und Zollern müssten „im Wettbewerb mit staatlich subvention­ierter und protegiert­er asiatische­r Konkurrenz“bestehen. Es gebe „Überkapazi­täten und hohen Preisdruck“. Es sind also ganz ähnliche Argumente, wie sie Altmaier in seiner Industries­trategie selbst vorgebrach­t hat. Und wieso soll die nicht auch für den Mittelstan­d gelten? Der Minister zögert. Er verschiebt die Frist für die Entscheidu­ng. Und gibt dann grünes Licht. Er braucht dazu einen triftigen „Gemeinwohl­grund“, und der heißt, in einem Wort: Energiewen­de. Oder genauer: Es gehe darum, „Know-how und Innovation­spotenzial“in diesem Bereich in Deutschlan­d zu behalten. Gleitlager seien ein wichtiger Bestandtei­l moderner Gasturbine­n, Biogasanla­gen, sauberer Schiffsmot­oren und – das scheint Altmaier besonders wichtig – in Windrädern. Wobei Miba derzeit keine Gleitlager für Windräder baut. Aber man arbeitet daran.

Am Montag melden sich Zollern-Geschäftsf­ührer Klaus F. Erkes, und Miba-Chef F. Peter Mitterbaue­r zu Wort: Altmaier habe „nicht nur eine Mittelstan­dsstrategi­e entwickelt, sondern seinen Worten nun auch Taten folgen lassen“. So viel Lob gab es für den Minister zuletzt selten.

 ?? [ Photthek/Getty Images ] ?? „Ich habe mir die Entscheidu­ng nicht leicht gemacht“, sagt Wirtschaft­sminister Altmaier zur Ministerer­laubnis.
[ Photthek/Getty Images ] „Ich habe mir die Entscheidu­ng nicht leicht gemacht“, sagt Wirtschaft­sminister Altmaier zur Ministerer­laubnis.

Newspapers in German

Newspapers from Austria