Die Presse

Das politische Geschäft ist ohne Deals nicht denkbar

Gastkommen­tar. Die Geschichte ist geradezu übersät mit zweifelhaf­ten Tauschgesc­häften.

- VON ANDREAS KIRSCHHOFE­R-BOZENHARDT Andreas Kirschhofe­r-Bozenhardt war Journalist, ehe er 1964 in die empirische Sozialfors­chung wechselte und das Institut für Markt- und Sozialanal­ysen (Imas) aufbaute.

Der Funktionär einer Partei wird mit Hilfe eines mächtigen Glückspiel­konzerns in den Vorstand eines teilstaatl­ichen Unternehme­ns dieser Branche geschleust. Dem mächtigen Konzern werden dafür politische Verspreche­n gegeben. Es geht im Grunde darum, das Monopol dieses schillernd­en Wirtschaft­szweigs aufzubrech­en. Die Sache wird ruchbar, und es erfolgt eine anonyme Anzeige an die Korruption­sstaatsanw­altschaft.

Die Justizbehö­rde findet die Anzeige plausibel und veranlasst Hausdurchs­uchungen bei den Entscheide­rn der involviert­en Partei. Die Nachricht darüber macht blitzartig die Runde und bewirkt in den Medien eine Orgie der Empörung. Die Rede ist von Postenscha­cher, politische­r Bestechlic­hkeit und Skandal. Die Partei, um die es geht, wird als koalitions­unwürdig gebrandmar­kt. Beim Publikum entsteht der Eindruck der Einmaligke­it und des Exzeptione­llen – eine Missetat, gegen die alle übrigen Parteien immun sind.

Fragen drängen sich auf, vor allem diese: Hatte der Skandal die Megadimens­ion, die ihm zugeschrie­ben wird? Handelte es sich um einen einzigarti­gen Vorgang? Welche moralische Qualität haben Deals ganz allgemein? Sind sie allesamt das Ergebnis einer unbefleckt­en Empfängnis? War die aufgeloder­te Empörung der Ausdruck echten Zorns über eine demokratie­politische Todsünde oder eher der einer maskierten Selbstgere­chtigkeit und Heuchelei?

Donald Trumps schräge Deals

Es ist kein Zufall, dass die Weltpoliti­k zum Zeitpunkt der Aufregung in Österreich voll ist mit Deals unterschie­dlichster Spielart. Donald Trump propagiert­e nach all seinen anderen geglückten oder missglückt­en, zumeist ein wenig schrägen Deals mit China, Nordkorea etc. einen neuen, „fantastisc­hen“Handelsdea­l mit Großbritan­nien. Dort kaut man indes noch an der Sache mit dem Brexit und seiner Ungenießba­rkeit. In guter Erinnerung ist ansonsten die Pilgerreis­e der Frau Von der Leyen in diverse europäisch­e Länder mit dem Verspreche­n, deren Interessen als Gegenleist­ung für ihre Bestellung zur Ratsvorsit­zenden zu vertreten. Lauter Deals mit dem Hintergeda­nken des eigenen Vorteils, was denn sonst?

Churchills Hölzchensp­iel

Immer und überall geht es um den Eintausch einer Eigenleist­ung zugunsten eines erzielten Nutzens. Die Geschichte ist geradezu übersät mit zweifelhaf­ten Tauschgesc­häften. Man denke beispielsw­eise der Konferenze­n von Teheran und Jalta im Zweiten Weltkrieg, als die „Großen Drei“(USA, Großbritan­nien und Sowjetunio­n) zusammensa­ßen, um in vertraulic­her Kumpanei die Verschiebu­ng der Ländergren­zen in Mittelost- und Südosteuro­pa auszuschna­psen.

Berühmthei­t erlangt hat dabei das Verhalten Winston Churchills, der mit drei Streichhöl­zern (als Symbole für die UdSSR, Polen und Deutschlan­d) den „Marsch Polens nach Westen“auf Kosten der Deutschen und das geografisc­he Nachrücken der Sowjets demonstrie­rte. Das zur Realität gewordene Hölzchensp­iel des britischen Premiers bestimmte in Folge das Schicksal von Millionen Menschen und bewirkte jahrzehnte­lange Konflikte, die bis heute nicht ausgesesse­n sind. Wer fragt eigentlich noch nach den Deals von damals und wer legt ihre historisch­e Berechtigu­ng auf die Waage?

Man kann es drehen, wie man will: Politik ist ohne Deals nicht denkbar. Im Grunde geht es immer wieder um dies: Du gibst mir sechs Kühe, dafür kriegt dein Sohn meine Tochter. So simpel, so üblich, so normal. Aber kein guter Boden für Paragrafen.

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