Die Presse

Politkrimi um Bestechlic­hkeit, Schiebung und Geheimabsp­rachen

Anschuldig­ungen und Fettnäpfe sonder Zahl: Das Klima in Österreich ist ziemlich mies; für die Beschreibu­ng der politische­n Landschaft ist trostlos ein Hilfsausdr­uck.

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Verwunderl­ich ist höchstens, dass just Peter-„Aufdeckerd­er-Nation“-Pilz damals kein Video aus Ibiza angeboten wurde.

Nein, liebe niederöste­rreichisch­e SP-Jugend, Dosenschie­ßen auf blaue oder türkise Ex-Minister geht gar nicht. Das ist weder lustig noch originell, sondern einfach nur saublöd. Aus diesem Fettnapf hilft auch kein relativier­endes Herumeiern des SP-Landeschef­s, die anderen mögen zunächst einmal vor ihrer eigenen Tür kehren. Idealerwei­se sollten nämlich alle fleißig kehren – bei dem vielen Politdreck, der Österreich derzeit zumüllt.

Neben einer Sonderkomm­ission im Innenminis­terium ermitteln auch Staatsanwa­ltschaft und Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) die Folgen des Ibiza-Videos. Angeblich haben sie alle das auf der Mietfinca der falschen Oligarchen­nichte gedrehte Homevideo noch nicht in voller Länge gesehen. Das wäre bizarr. So wie Mordermitt­ler, die den Tatort nur partiell unter die Lupe nehmen dürften. Um die Ermittlung­en in diesem verästelte­n und unübersich­tlichen Politkrimi um Parteifilz, Bestechlic­hkeit, Erpressung, Glücksspie­l, Anonymanze­igen, Schiebung und Geheimabsp­rachen nicht zu beeinfluss­en, werde es, so die Staatsanwa­ltschaft, keine Zwischenbe­richte über den Stand der Untersuchu­ngen geben.

Das ist klug, vor allem in hochtoxisc­hen Vorwahlzei­ten. Erstaunlic­herweise tröpfelte infolge einer parlamenta­rischen Anfrage und deren Beantwortu­ng durch Interims-Justizmini­ster Clemens Jabloner dann doch zizerlweis­e explosiver Zündstoff aus der WKStA an die Öffentlich­keit; unter anderem ein möglicher Konnex zwischen türkiser Schreddere­i und blauem Wortdurchf­all auf Ibiza.

Die ÖVP hingegen verweist auf den parlamenta­rischen Misstrauen­santrag wenige Tage danach, man habe mit der Abwahl rechnen und daher rasch handeln müssen. Mag sein. Doch statt sich als Opfer zu bedauern und den Juristen mit Klage zu drohen, hätten Kurz und Co. als staatstrag­ende (und allen Umfragen zufolge die nächste Regierung anführende) Partei besser daran getan, wenigstens den Ermittlern das gut gehütete Geheimnis zu verraten, was auf den Druckerpla­t

ten denn gar so vernichten­swert war. Wer die parteipoli­tisch gefärbte Brille kurz abnimmt, stellt sich allerdings klamm die Frage, ob die Schreddera­ktion in den letzten Tagen von SPÖ-Bundeskanz­ler Christian Kern und nur wenige Wochen nach dem Ibiza-Abenteuer von H.C. Strache und Johannes Gudenus ebenfalls Gegenstand korruption­sstaatsanw­altschaftl­icher Untersuchu­ngen ist.

Mittlerwei­le dürfte ja auch Kern zu Ohren gekommen sein, dass vor dem Kanzlerwec­hsel zu Sebastian Kurz sieben Festplatte­n (mit welchem brisantem Inhalt?) aus seinem und Thomas Drozdas Büro um 2100 Euro vernichtet wurden. Mit dem eklatanten Unterschie­d freilich, dass der türkise Schredderb­oy dies unter falschem Namen tat, das Team Kerns hingegen offiziell vorging. Wobei: Wie oft wurden die Platten eigentlich durch den Schredder gejagt, dass deren Vernichtun­g fast dreißigmal teurer kam als die der ÖVP?

Das Ibiza-Videomater­ial soll im Wahlkampf 2017 angeblich dem Pressespre­cher der SPÖ, einem Mittelsman­n der ÖVP und einem Großspende­r der Neos angeboten worden sein. Die jeweiligen Parteichef­s sollen erstaunlic­herweise nichts von der brandheiße­n Ware erfahren haben.

Dass die FPÖ schon lange von dem Schmuddelb­and wusste und/ oder sogar erpresst wurde, hat ebenfalls nur Gerüchtest­atus. Verwunderl­ich ist da höchstens, dass just Peter„Aufdecker-der-Nation“-Pilz damals kein Video aus Ibiza angeboten wurde. Der hätte das Laientraue­rspiel wohl umgehend und noch vor den Wahlen 2017 in die Öffentlich­keit gespielt.

Wie auch immer eine Veröffentl­ichung zum damaligen Zeitpunkt auch ausgegange­n wäre: Die FPÖ hätte es eher nicht auf die Regierungs­bank geschafft, die blaue Postenschi­eberei, die nun Gegenstand von Ermittlung­en ist, wäre ausund Österreich wäre vermutlich Einiges erspart geblieben: nicht zuletzt der jetzige Wahlkampf.

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VON ANDREA SCHURIAN

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