Nur „Kümmerer“haben noch die Chance, Wahlen zu gewinnen
Von Sachsen und Brandenburg ergeht auch eine Mahnung an Österreich, die Reformen fortzusetzen. Ohne eine erneuerte VP-FP-Koalition wird das nicht gehen.
Das politische Vokabular der Deutschen ist seit dem Wahlsonntag um ein Wort reicher geworden: „Kümmerer“. Damit sind Politiker gemeint, die nicht über die Leute reden, sondern ihnen zuhören, die sich ihrer Sorgen annehmen, die sich um sie „kümmern“.
Die „Süddeutsche Zeitung“(SZ) erklärte in einem Kommentar den Geradenoch-Sieg des Sachsen Michael Kretschmer ( CDU) und des Brandenburgers Dietmar Woidke (SPD) damit, dass sie sich im Endspurt des Wahlkampfes als „Kümmerer“präsentiert hätten: „Sie gingen und fuhren und reisten durchs Land als Kümmerer, die sich jeder Debatte und jeder Kritik stellten. Aus Ministerpräsidenten wurden Oberbürgermeister, mit wenig Partei, viel Person und jeder Menge konkreter Fragen. Das ist es, was die Wähler goutieren.“Die „SZ“wäre nicht die Zeitung, die sie ist, wenn sie nicht hinzugefügt hätte: Dies sei es, „was die beiden Politiker am deutlichsten von den rechten Populisten abgrenzt, die vor allem eines können: alles schlechtmachen“.
In Wirklichkeit bestätigt das Lob der beiden „Kümmerer“, was die AfD dem Parteienkartell der Merkel-Koalition und der Links-grün-Opposition seit Jahren vorwirft: dass ihre Politiker nicht den Bürgern zuhören und sich ihrer Anliegen annehmen, sondern sich, Verständnis heuchelnd, in einem politischen Paralleluniversum selbst bespiegeln.
Ein Beispiel dafür war Anne Wills Talkshow am Sonntagabend nach der Veröffentlichung der Wahlergebnisse. Die eingeladenen Politiker des Parteienkartells schafften es tatsächlich, über ihre katastrophalen Verluste und die riesigen Gewinne der AfD zu reden, ohne auch nur ein einziges der Probleme anzusprechen, die den Deutschen unter den Nägeln brennen. Und alle taten, als wüssten sie nicht Bescheid über den Elefanten im Raum – die Asylpolitik der Regierung Merkel, die den rasanten Aufstieg der Rechtspartei überhaupt erst möglich machte.
Die Erfahrung der Distanz zwischen den beiden Welten – der realen der Bürger auf der einen, der irrealen der Parteien auf der anderen – ist auch den Österreichern nicht fremd. Schließlich ist es nicht allzu lang her, dass wir von einer abgehobenen großen Koalition regiert wurden, die nicht einmal bereit war, über die Risken der Massenmigration ernsthaft nachzudenken. Anders als in Deutschland ist es hier jedoch gelungen, den Kurs zu ändern. Zu diesem Erfolg hat vieles beigetragen. Eines aber ganz sicher: Ohne Kurz und die türkise ÖVP, und ohne die Zusammenarbeit zwischen ÖVP und FPÖ, hätten wir immer noch Zustände wie in Deutschland.
Kurz hat den meisten anderen Politikern voraus, dass er gut zuhören kann und keine vorgefassten Meinungen hat. Er war immer schon ein „Kümmerer“. In ihrer sehr lesenswerten Biografie („Sebastian Kurz“, Finanzbuchverlag, 2019), die in diesen Tagen in die Buchhandlungen kommt, erinnert Judith Grohmann daran, wie Kurz am Beginn seiner Karriere noch als „Unterhaltungskünstler“und „Profilierungsneurotiker“bespöttelt wurde: „Er sei damals auf der Straße sogar angespuckt worden, erzählt Kurz heute. Fast hätte er alles hingeworfen.“Hat er aber nicht. Er hat weitergemacht, ohne sich um den ORF, die linksdrehenden Medien oder gar um den Mob zu scheren, der sich in den sozialen Medien austobt.
Die große Mehrheit der Österreicher hat es enorm geschätzt, dass sich die türkis-blaue Regierung auf die Arbeit konzentrierte und interne Konflikte lange Zeit nicht in aller Öffentlichkeit austrug. In weniger als zwei Jahren konnte jedoch nicht mehr erreicht werden, als erste Reformen in Gang zu setzen. Es liegt im Interesse des Landes, dass diese Politik fortgesetzt wird. Mit den Sozialdemokraten, den Grünen oder den nach links driftenden Neos wird das nicht gehen. Letztlich führt an der FPÖ kein Weg vorbei. Damit wird sich die ÖVP abfinden müssen, wenn sie auf der Überholspur bleiben möchte.