Wie Firmen von Niedrigzinsen profitieren
Anleihen. Zahlreiche Firmen haben die günstigen Konditionen auf dem Kapitalmarkt genutzt, um sich nach der Sommerpause zu verschulden. Auch hierzulande stieg das Volumen neuer Emissionen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) wird den Anleihenmarkt also erneut fluten. Und zwar bereits ab November dieses Jahres und im Ausmaß von 20 Mrd. Euro monatlich. Wann dieses Anleihenkaufprogramm auslaufen wird, hat EZB-Chef Mario Draghi in der Vorwoche nicht verraten. Was man aber weiß: Die Zentralbank wird bis zu ihrer ersten Zinserhöhung auf dem Markt intervenieren – was bekanntlich ewig dauern kann.
Die Experten der Commerzbank rechnen ab dem Frühjahr mit einer Aufstockung der monatlichen Anleihenkäufe. Das wird wohl auch Auswirkungen auf Unternehmensanleihen haben. Bei ihnen hat die EZB ja schon in der Vergangenheit beherzt zugegriffen.
Der Anlagenotstand und die Aussicht auf noch billigeres Geld haben die Renditen für sichere Unternehmensanleihen im bisherigen Jahresverlauf ziemlich stark nach unten gedrückt. Im Schnitt betrug die Rendite dieser Papiere rund 0,4 Prozent (ohne Finanzwerte), zu Jahresbeginn waren es noch 1,25 Prozent gewesen.
Kaum verwunderlich, dass große europäische Firmen den Kapitalmarkt nach der Sommerpause regelrecht gestürmt haben. Der Telekomkonzern Orange verschuldete sich etwa für die Dauer von 30 Jahren, was in Europa eher unüblich ist. Der deutsche DAX-Gigant Siemens nutzte das Zeitfenster vor der EZB-Zinssitzung, um sich zu rekordniedrigen Konditionen zu refinanzieren. Teilweise warfen die Anleger dem Industrie-Flaggschiff sogar Geld für seine Schulden nach.
Kritiker monieren, dass die Firmen das Geld nicht für Investitionen verwenden, sondern zur Umschuldung. „Teilweise stimmt das natürlich. Aber man muss sich das wirklich von Fall zu Fall ansehen“, sagt Raiffeisen-Experte Georg Nitzlader. Sind die Konjunkturaussichten verhalten, neigen Firmen eher dazu, auf die Entwicklung neuer Geschäftsfelder zu verzichten.
Auch auf dem österreichischen Anleihenmarkt hat sich in diesem Jahr einiges getan, wiewohl in Wien kleinere Brötchen gebacken werden. Im bisherigen Jahresverlauf wurden 78 neue Anleihen im Volumen von rund 12,7 Mrd. Euro emittiert. Ein Plus von fünf Mrd. Euro gegenüber dem Gesamtjahr 2018. Wobei sich heimische Emittenten zurückhaltender zeigten.
So platzierte die S Immo im Mai eine 150 Mio. Euro schwere Anleihe. Der siebenjährige Bond ist mit einem fix verzinsten Kupon von 1,875 Prozent ausgestattet. Die Immofinanz emittierte schon im Jänner einen 500 Mio. Euro schweren Titel. Damals kommunizierte man, den Erlös für die Refinanzierung „und allgemeine Unternehmenszwecke“zu verwenden. Das Papier ist allerdings nur in einer 100.000er Stückelung verfügbar. Ein Phänomen, dass man seit Einführung der Finanzmarktrichtlinie MiFID II immer öfter beobachten kann. „Viele Firmen wollen sich den Anlegerschutz ersparen, weshalb sie auf eine große Stückelung setzen“, sagt Nitzlader. Bei derart hohen Beträgen schlagen nämlich meist institutionelle Investoren zu. Diese können Risken streuen - und sie wohl auch besser einschätzen. Österreich ist aber nach wie vor
klassischer Retailmarkt, so ein Nitzlader. Setzen Kleinanleger nur auf ein Pferd, können sie alles verlieren. Eine vernünftige Diversifikation ist für Private jedoch kaum möglich. „Unsere Empfehlung ist daher ganz klar, den Markt über Fonds abzudecken“, so Nitzlader.
Anleger, die diesen Rat in den Wind schlagen, sollten dann mitunter auf das Rating einer Firma achten. Einige ATX-Emittenten besitzen für ihre Anleihen ein solches – manche wie die Voest aber nicht. Die Bewertung durch eine Agentur hat für Kleinanleger den Vorteil, dass Experten eine Risikoeinschätzung abgegeben haben. Manche Firmen wollen sich aber nicht in die Karten schauen lassen, andere wiederum können sich eine externe Bewertung nicht leisten.
Unternehmensanleihen, deren Rendite im derzeitigen Umfeld ein Prozent übersteigt, müsse man jedenfalls mit Vorsicht genießen. „Ab zwei Prozent wird es schon kritisch“, so Nitzlader. Dann sehen die Investoren nämlich gewisse Themen oder Risken, die sie kompensiert haben wollen.
Von „guter Qualität“– so stuft Michiel Van Der Werf von der Erste Asset Management die Bonds großer heimischer Emittenten ein. Auf Länderebene sei man in österreichischen Firmen deshalb übergewichtet, vor allem bei Finanzwerten. Vergleiche man die Bankanleihen mit jenen westeuropäischer Institute, seien die heimischen Titel wegen ihres Exposures in Zentral- und Osteuropa zum Teil günstiger. Obwohl das Risiko im Osten geringer als früher sei.
Sorgen, dass Firmen ihre Schulden nicht bedienen können, muss man nur bedingt haben: „Ausfälle wird es immer geben“, sagt Van Der Werf. „Aber die Blue Chip-Firmen sind gut aufgestellt.“Zwar seien die Renditen nicht mehr „das Gelbe vom Ei“. Im Vergleich zu deutschen oder holländischen Firmen gibt es aber durchaus Investmentmöglichkeiten.