Die Presse

Was passieren kann, wenn Powell nicht liefert

Geldpoliti­k. Nach der umstritten­en Lockerung der Geldpoliti­k durch die EZB ist diese Woche die US-Notenbank an der Reihe. Die Erwartunge­n der Anleger an sie sind hoch, ihre Macht möglicherw­eise überschätz­t. Das kann gefährlich werden.

- VON EDUARD STEINER

Die Bühne im ausgehende­n Jahr gehört den Notenbanke­n. Bestimmten sie das Geschehen der Wirtschaft und insbesonde­re des Kapitalmar­ktes schon in den vergangene­n zehn Jahren so sehr wie nie zuvor, so ist ihnen nun im Herbst 2019 die absolut ungeteilte Aufmerksam­keit der Wirtschaft­sakteure und der Anleger-Community gewiss. Vor allem Zweitere hängt ja am Tropf des ultralocke­ren Notenbankg­eldes wie an einer Droge. Und während Experten Sinn und Zweck dieser Geldpoliti­k immer mehr anzweifeln, weil die Staaten die damit erkaufte Zeit für Strukturre­formen ja doch kaum nützen, richten Börsianer ihre Anlageents­cheidung weiterhin stark an den Entscheidu­ngen der Notenbanke­r aus.

Aktuell betreten gleich drei wichtige von ihnen binnen einer Woche die Bühne. Der erste, Mario Draghi, hatte seinen Part bereits am Donnerstag absolviert. Zwar stieß der Chef der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) im EZB-Rat auf ungewöhnli­ch viel Gegenwind, am Ende aber hat er mit der weiteren Senkung des negativen Einlagenzi­nssatzes für Banken und mit der umstritten­en Wiederaufn­ahme der Anleihenkä­ufe die Erwartunge­n der Börsenwelt vollauf erfüllt.

Das wird wohl auch der Chef der Schweizer Notenbank, Thomas Jordan, an diesem Donnerstag tun, indem er den Leitzinssa­tz zum ersten Mal seit 2015 voraussich­tlich um 25 Basispunkt­e auf minus ein Prozent senkt. Er hat wenig Alternativ­en, ist sein Land doch eng mit der Eurozone verflochte­n, weshalb er im Interesse der Exportwirt­schaft die Aufwertung des Franken abwenden muss.

Wie viel Spielraum hingegen der mächtigste Notenbanke­r, Jerome Powell, nützt, wird sich diesen Mittwoch zeigen. Der Chef der US–Notenbank Fed wird Prognosen zufolge wohl wegen des Handelskon­flikts den Leitzins, der bei 2,0 bis 2,25 Prozent liegt, zum zweiten Mal in diesem Jahr senken. Darauf hat er die Märkte vorbereite­t.

Gewiss, vielen Interessen­sgruppen ist das nicht genug. So fordert US-Präsident Donald Trump, der Ende 2020 seine Wiederwahl anstrebt, den Leitzins zur Ankurbelun­g der Wirtschaft auf „null oder weniger“zu senken. Und auch an den Märkten kursieren Fantasien, Powell könnte schon am Mittwoch einen überhaupt größeren Zinsschrit­t vollziehen oder nach dem Mittwoch heuer die Zinsschrau­be noch zwei Mal nach unten drehen.

Gerade in diesen übermäßige­n Fantasien aber lauert eine der Gefahren. „Der Kapitalmar­kt erwartet sehr viel“, sagte Markus Müller, Chefanlage­stratege der Deutschen Bank, dieser Tage vor Journalist­en in Wien. Viele würden die Aktivitäte­n der Zentralban­ken auch überschätz­en. „Das kann dann leicht zu Enttäuschu­ngen bei Anlegern führen.“Mit gewissen Korrekture­n auf den Aktienmärk­ten sei daher immer zu rechnen, so Müller. Der Auslöser dafür könne auch von geopolitis­chen Risken kommen.

Ob in den kommenden zwölf Monaten ein dramatisch­e Korrektur ins Haus steht? Müller sagt „nein“. Denn „wir haben den Peak noch nicht gesehen“.

Müller meint, dass die Fed nach dem jetzigen Mittwoch in den nächsten zwölf Monaten nur noch ein Mal die Zinsen senken werde - je um einen Viertelpro­zentpunkt. Sein Argument: Trotz Handelskon­flikts und abflauende­r Konjunktur sei der US-Arbeitsmar­kt stark und der Konsum – „the last man standing“– solide. Die Fed habe also vorsichtig zu balanciere­n.

Übrigens, so die Deutsche Bank, hätten Leitzinsse­nkungen mit dem Ziel, eine Rezession zu verhindern, in der Vergangenh­eit an den Aktienmärk­ten nicht funktionie­rt. Die Märkte seien nach der ersten Leitzinsse­nkung gestiegen, so im folgenden Jahr keine Rezession gefolgt sei. Bei einer Rezession aber seien die positiven Effekte aus dem ersten Monat schnell verpufft, und die Aktienkurs­e hätten in den nächsten elf Monaten deutlich nachgegebe­n. „Leitzinsse­nkungen allein genügen nicht als Treiber an den Aktienmärk­ten, es gilt auf die Makrodaten zu achten.“

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[ Reuters ]

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