Was passieren kann, wenn Powell nicht liefert
Geldpolitik. Nach der umstrittenen Lockerung der Geldpolitik durch die EZB ist diese Woche die US-Notenbank an der Reihe. Die Erwartungen der Anleger an sie sind hoch, ihre Macht möglicherweise überschätzt. Das kann gefährlich werden.
Die Bühne im ausgehenden Jahr gehört den Notenbanken. Bestimmten sie das Geschehen der Wirtschaft und insbesondere des Kapitalmarktes schon in den vergangenen zehn Jahren so sehr wie nie zuvor, so ist ihnen nun im Herbst 2019 die absolut ungeteilte Aufmerksamkeit der Wirtschaftsakteure und der Anleger-Community gewiss. Vor allem Zweitere hängt ja am Tropf des ultralockeren Notenbankgeldes wie an einer Droge. Und während Experten Sinn und Zweck dieser Geldpolitik immer mehr anzweifeln, weil die Staaten die damit erkaufte Zeit für Strukturreformen ja doch kaum nützen, richten Börsianer ihre Anlageentscheidung weiterhin stark an den Entscheidungen der Notenbanker aus.
Aktuell betreten gleich drei wichtige von ihnen binnen einer Woche die Bühne. Der erste, Mario Draghi, hatte seinen Part bereits am Donnerstag absolviert. Zwar stieß der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) im EZB-Rat auf ungewöhnlich viel Gegenwind, am Ende aber hat er mit der weiteren Senkung des negativen Einlagenzinssatzes für Banken und mit der umstrittenen Wiederaufnahme der Anleihenkäufe die Erwartungen der Börsenwelt vollauf erfüllt.
Das wird wohl auch der Chef der Schweizer Notenbank, Thomas Jordan, an diesem Donnerstag tun, indem er den Leitzinssatz zum ersten Mal seit 2015 voraussichtlich um 25 Basispunkte auf minus ein Prozent senkt. Er hat wenig Alternativen, ist sein Land doch eng mit der Eurozone verflochten, weshalb er im Interesse der Exportwirtschaft die Aufwertung des Franken abwenden muss.
Wie viel Spielraum hingegen der mächtigste Notenbanker, Jerome Powell, nützt, wird sich diesen Mittwoch zeigen. Der Chef der US–Notenbank Fed wird Prognosen zufolge wohl wegen des Handelskonflikts den Leitzins, der bei 2,0 bis 2,25 Prozent liegt, zum zweiten Mal in diesem Jahr senken. Darauf hat er die Märkte vorbereitet.
Gewiss, vielen Interessensgruppen ist das nicht genug. So fordert US-Präsident Donald Trump, der Ende 2020 seine Wiederwahl anstrebt, den Leitzins zur Ankurbelung der Wirtschaft auf „null oder weniger“zu senken. Und auch an den Märkten kursieren Fantasien, Powell könnte schon am Mittwoch einen überhaupt größeren Zinsschritt vollziehen oder nach dem Mittwoch heuer die Zinsschraube noch zwei Mal nach unten drehen.
Gerade in diesen übermäßigen Fantasien aber lauert eine der Gefahren. „Der Kapitalmarkt erwartet sehr viel“, sagte Markus Müller, Chefanlagestratege der Deutschen Bank, dieser Tage vor Journalisten in Wien. Viele würden die Aktivitäten der Zentralbanken auch überschätzen. „Das kann dann leicht zu Enttäuschungen bei Anlegern führen.“Mit gewissen Korrekturen auf den Aktienmärkten sei daher immer zu rechnen, so Müller. Der Auslöser dafür könne auch von geopolitischen Risken kommen.
Ob in den kommenden zwölf Monaten ein dramatische Korrektur ins Haus steht? Müller sagt „nein“. Denn „wir haben den Peak noch nicht gesehen“.
Müller meint, dass die Fed nach dem jetzigen Mittwoch in den nächsten zwölf Monaten nur noch ein Mal die Zinsen senken werde - je um einen Viertelprozentpunkt. Sein Argument: Trotz Handelskonflikts und abflauender Konjunktur sei der US-Arbeitsmarkt stark und der Konsum – „the last man standing“– solide. Die Fed habe also vorsichtig zu balancieren.
Übrigens, so die Deutsche Bank, hätten Leitzinssenkungen mit dem Ziel, eine Rezession zu verhindern, in der Vergangenheit an den Aktienmärkten nicht funktioniert. Die Märkte seien nach der ersten Leitzinssenkung gestiegen, so im folgenden Jahr keine Rezession gefolgt sei. Bei einer Rezession aber seien die positiven Effekte aus dem ersten Monat schnell verpufft, und die Aktienkurse hätten in den nächsten elf Monaten deutlich nachgegeben. „Leitzinssenkungen allein genügen nicht als Treiber an den Aktienmärkten, es gilt auf die Makrodaten zu achten.“