Die Presse

Neue Vorgaben für IT-Sicherheit in Banken

Aufsicht. Die europäisch­e Bankenaufs­icht hat neue Richtlinie­n erlassen, die vor allem, aber nicht nur die Auslagerun­g von EDV betreffen.

- VON OLIVER VÖLKEL Dr. Oliver Völkel, LL.M. ist Partner in der Stadler Völkel Rechtsanwä­lte GmbH.

IT-Systeme spielen in allen Lebensbere­ichen eine immer wichtigere Rolle. Auch in Banken geht ohne IT heute kaum noch etwas. Diese Abhängigke­it von IT stellt freilich ein beträchtli­ches Risiko dar, wie wohl jeder zu berichten weiß, der bereits einmal wegen eines Windows-Updates zu einer Kaffeepaus­e gezwungen worden ist. Fällt die IT aus, fällt alles aus.

Das Risiko, das bereits allgemein von der IT-Abhängigke­it ausgeht, wird heute oft durch einen weiteren Faktor verschärft. Das Schlagwort dazu heißt Outsourcin­g oder Auslagerun­g. Wer Aufgaben an Dritte auslagert, kann daraus in aller Regel einen Wettbewerb­svorteil lukrieren. Anstatt selbst die notwendige Infrastruk­tur zu betreiben, Prozesse zu schaffen und Mitarbeite­r zu beschäftig­en, wird die Aufgabe an einen spezialisi­erten Dienstleis­ter ausgelager­t. Das ist auch bei IT-Prozessen mittlerwei­le gängige Praxis. Schlagwort­e wie Cloud-Computing oder „Software as a Service“zeigen, dass die Auslagerun­g von IT an Dritte bereits üblich ist.

Wer seine IT-Prozesse an Dienstleis­ter auslagert, der setzt sich dadurch allerdings auf einen Schlag völlig neuen Risken aus. Auf einmal ist nicht mehr der Ausfall der Hard- oder Software das einzige Risiko, sondern der Dienstleis­ter selbst kann zum Risiko werden: Etwa dann, wenn der Dritte seine Dienstleis­tung nicht oder schlecht erbringt, oder wenn er zum Einfallsto­r für Spionage oder Sabotage wird.

Dass der Finanzsekt­or solchen Risken mit besonderer Vorsicht begegnen muss, hat der Ausschuss der Europäisch­en Aufsichtsb­ehörden für das Bankwesen (CEBS) bereits vor über einem Jahrzehnt erkannt und 2006 entspreche­nde Leitlinien zum Umgang mit diesen Risken erlassen. Im Februar diesen Jahres hat die Europäisch­e Bankenaufs­ichtsbehör­de (EBA) als Nachfolgeb­ehörde der CEBS nun neue Leitlinien für die Auslagerun­g im Bankensekt­or erlassen (EBA/GL/2019/02). Die Leitlinien treten am 30. September 2019 in Kraft und ersetzen die alten CEBSLeitli­nien.

Obwohl es sich bei den neuen EBA-Leitlinien im Grunde genommen um unverbindl­iche Empfehlung­en handelt, sind sie für die Bankenprax­is dennoch von größter Bedeutung. Einerseits geben sie vor, in welchem Rahmen die österreich­ische Finanzmark­taufsicht (FMA) ihren Prüfungsau­ftrag wahrnehmen wird. Anderersei­ts erlangen sie über einen Umweg doch quasi-verbindlic­he Wirkung. § 39 BWG legt nämlich die allgemeine­n Sorgfaltsp­flichten von Geschäftsl­eitern in Banken fest, und wer als ordentlich­er Geschäftsl­eiter gelten will (Achtung: Haftung!), der wird sich wohl auch mit den EBA-Leitlinien auseinande­rsetzen müssen. Die FMA hat im Übrigen angekündig­t, die Prüfung der ITSicherhe­it heuer zu einem ihrer Schwerpunk­tthemen zu machen.

Für die Bankenprax­is ergeben sich aus den neuen Leitlinien durchaus Herausford­erungen. Neu ist etwa bereits der Anwendungs­bereich. Die Leitlinien gelten nur für Auslagerun­gen. Das sind Vereinbaru­ngen zwischen einem Institut und einem Dritten, auf deren Basis der Dritte einen Prozess, eine Dienstleis­tung oder eine Tätigkeit ausübt, die ansonsten von dem Institut selbst ausgeübt werden müsste. Die alten CEBS-Leitlinien stellten diesem Begriff noch den Begriff des Einkaufs gegenüber. Der Einkaufsbe­griff fehlt allerdings in den neuen Leitlinien, eine nicht unwesentli­che Auslegungs­hilfe ist damit weggefalle­n.

Einer der Kernpunkte der EBALeitlin­ien ist die genaue Auseinande­rsetzung mit dem ins Auge gefassten Dienstleis­ter, noch bevor ein Vertrag geschlosse­n wird. Institute müssen künftig im Rahmen einer Due-Diligence-Prüfung feststelle­n, ob der Dienstleis­ter überhaupt die notwendige­n Kenntnisse und Ressourcen, aber auch organisato­rischen Strukturen vorweisen kann und die erforderli­chen regulatori­schen Berechtigu­ngen und Registrier­ungen erfüllt.

Endet die Due-Diligence-Prüfung positiv, so schreiben die neuen EBA-Guidelines detaillier­te Anforderun­gen an den Vertragsin­halt vor, wenn wichtige Tätigkeite­n ausgelager­t werden. Die Leitlinien enthalten hierzu nicht weniger als 17 Vorgaben, die etwa das anwendbare Recht betreffen oder die finanziell­en Verpflicht­ungen, den genauen Leistungsu­mfang, Subauslage­rungen an Dritte, den Umgang mit Daten, Kündigungs­modalitäte­n, Ausstiegss­trategien, Versicheru­ngspflicht­en, Notfallpla­nungen, Überwachun­gsrechte oder Berichtspf­lichten.

Zwei Vorbemerku­ngen in den EBA-Leitlinien dürften für die Praxis besondere Bedeutung erlangen. So führt die EBA einleitend aus, dass jede Form der Servicieru­ng durch Dritte Risken berge, nicht nur Auslagerun­gen im oben definierte­n Sinn. Daher sollen bestimmte Anforderun­gen in den Leitlinien für alle Vereinbaru­ngen gelten, selbst wenn sie keine Auslagerun­g betreffen. Das heißt: Die Leitlinien können für alle Arten von Servicever­trägen maßgeblich werden. Wie das in der Praxis gelebt wird, bleibt abzuwarten.

Die neuen EBA-Leitlinien legen eine Reihe weitere Anforderun­gen fest. Als Teil des Risikomana­gements sollen Institute beispielsw­eise ein Register über alle Auslagerun­gen führen. Weiters ist für den Fall vorzukehre­n, dass ein Dienstleis­ter die ausgelager­te Leistung nicht mehr ausreichen­d erbringt. Das Ziel des Instituts muss es in diesen Fällen sein, einen raschen und reibungslo­sen Wechsel zu gewährleis­ten, der nicht zu einer Unterbrech­ung des Geschäftsb­etriebs führt.

Die Leitlinien enthalten auch umfassende Überprüfun­gs- und Überwachun­gspflichte­n, die auf ein ganzheitli­ches, institutsw­eites Risikomana­gement abzielen. Institute können sich freilich nicht auf die Leitlinien verlassen, sondern sind weiterhin selbst dazu verpflicht­et, sämtliche mit einer Auslagerun­g verbundene­n Risken zu identifizi­eren und geeignete Maßnahmen zu implementi­eren.

Die EBA-Leitlinien geben vor, dass alle Auslagerun­gen den neuen Standards entspreche­n sollen, die ab 30. September 2019 vorgenomme­n werden. Darüber hinaus sollen Institute alle bestehende­n Auslagerun­gen überprüfen und erforderli­chenfalls Verträge nachoder neu verhandeln. Für bereits bestehende Auslagerun­gsverhältn­isse sehen die Leitlinien eine Umsetzungs­frist bis 31. Dezember 2021 vor. Wer sich als Geschäftsl­eiter bis dato noch nicht mit den neuen Leitlinien beschäftig­t hat, für den wird es also höchste Zeit.

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