Wenn uns Königinnen anderes als ihr Gesicht zuwenden
Der Versuch, im Theater an einstige Erfolge anzuknüpfen, erfordert mehr Fingerspitzengefühl als zeitgenössische Regisseure meist aufbringen. Wie gewinnt man verlorene Operntöchter und -söhne wieder?
Der Skandal war zu minimal, als dass er Schlagzeilen gemacht hätte. Verstehen kann man es gut, wenn Vertreter der Kirche, die ihr Gotteshaus gerade einem theatralischen Spektakel geöffnet haben, dagegen opponieren, dass leicht geschürzte Damen mit erotischer Freudenspendergerätschaft um den Altar herumspringen. Wie sich die Zeiten ändern, mag man daran erkennen, dass wegen weitaus geringerer Unziemlichkeiten schon einmal Festspielproduktionen abgesagt worden sind: George Taboris szenische Version von Franz Schmidts tönender Apokalypse „Das
Buch mit sieben Siegeln“war wegen einer in der TV-Vorschau sichtbaren, von keinem Besucher der Premiere jedoch wahrgenommenen, allzu menschlichen Gebärde einst aus dem Salzburger Programm genommen und in eine konzertante Aufführung verwandelt worden!
Heute gibt es im Stift Klosterneuburg hochgezogene Augenbrauen angesichts von Dingen, vor denen sensiblere Gemüter die Augen verschließen sollten. Skepsis ist freilich auch angebracht, ob eine, sagen wir stilistisch entfremdete Darstellungsweise einer romantischen Oper dienlich sein kann. Diesfalls ging es um den Wiederbelebungsversuch von Carl Goldmarks „Königin von Saba“, die man hierzulande nach Jahrzehnten wieder einmal szenisch erleben konnte.
Da es im Fall dieser Oper, die vor dem Zweiten Weltkrieg zu den meistgespielten Repertoirewerken der Wiener Oper gezählt hat, keine jüngere Spieltradition gibt, ist eine modische Regiedeutung eher kontraproduktiv, ginge es doch zunächst darum, das einst so geliebte Werk möglichst textgetreu neu zur Diskussion zu stellen; damit man weiß, worüber man nachzudenken hat. Etwa über die Frage, ob eine Generation, die offenkundig den Bezug zur Makart-Üppigkeit verloren hat, zu Goldmarks blühender Spätromantik zumindest musikalisch einen Zugang finden kann.
Einen Beitrag dazu zu leisten, ist für „freie Gruppen“das edelste Unterfangen und könnte immer wieder die Grundlage für Remakes einstiger Zugstücke ins große Repertoire bilden. Übertrieben ambitionierte Regiekonzepte stehen der Akzeptanz weniger bekannter Werke aber entgegen.
Das gilt auch dann, wenn solche Versuche gleich in den ersten Häusern gestartet werden: Ist nicht die Staatsoper in der Ära Holender an heiklen Aufgaben wie „Rienzi“oder „Der Prophet“immer wieder gescheitert – und stets wegen entstellender Inszenierungen? Verhaut ein Regisseur die „Tosca“, wird niemand den Komponisten für den Misserfolg verantwortlich machen.
Aber Meyerbeer? Ein vom Meister nicht kanonisierter Wagner? Oder eben Goldmark? Wer sie wieder willkommen heißen will, müsste den Regiezeitgeist verabschieden . . .