Wir dürfen nicht vor geschlossenen Gesellschaften kapitulieren
Karl Popper diagnostizierte als Feinde der „offenen Gesellschaft“Faschismus und Kommunismus. Der reaktionäre politische Islam gehört in diese Kategorie.
Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“, ist Karl Poppers Hauptwerk, das auf seinen Erfahrungen mit totalitären Systemen im 20. Jahrhundert beruht. Zeitlebens blieb er ein scharfer Kritiker des Nationalsozialismus wie auch des Kommunismus. Er erkannte in „geschlossenen Gesellschaften“die größte Gefahr für Demokratie und Freiheit. Er definierte sie als „magisch, stammesgebunden oder kollektivistisch“. Diesen stellte er die „offene Gesellschaft“gegenüber, in der der Einzelne für sich entscheidet und Verantwortung übernimmt.
Popper nennt mehrere Kriterien, die eine geschlossene Gesellschaft charakterisieren: Starrheit einer stammesbedingten Lebensweise, alle Lebensbereiche werden von Tabus beherrscht, der „richtige“Weg ist stets vorgezeichnet und darf niemals kritisch hinterfragt werden, Vernunft spielt keine Rolle, sondern magische Ideen und die Allmacht eines Gottes und des Schicksals. In diesen Gesellschaften, die von Angst geprägt sind, übernimmt das Individuum keine Verantwortung für sein Handeln, sondern unterwirft sich dem Kollektiv.
Popper war von den totalitären Systemen seiner Zeit geprägt, sein Werk zeigt aber darüber hinaus. Er betont, dass in der Geschichte diese beiden Gesellschaftsformen immer wieder gegeneinander kämpften. In der westlichen Welt hat im 20. Jahrhundert die Demokratie obsiegt. Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Liest man heute sein Hauptwerk, so drängt sich unweigerlich der Vergleich mit dem Islam auf. Er erfüllt alle Prinzipien für eine „geschlossene Gesellschaft“: Er ist stammesbezogen auf die „Umma“, die Gemeinschaft der Gläubigen, einer Art auserwählter Herrenmenschen, der sich alle anderen Menschen zu unterwerfen haben. Jeder Lebensbereich ist von starren Vorschriften bestimmt, es bleibt kein Raum für individuelle Entscheidungen und Eigenverantwortung. Man unterwirft sich der Allmacht Gottes. Kritische Reflexionen sind verboten, der Einzelne hat sich dem Kollektiv unterzuordnen. Verweigert
man dies, wird man mit Hass verfolgt und bedroht. Das bekommen auch die Vertreter eines „Islam europäischer Prägung“zu spüren, die genau diese geschlossene Gesellschaft aufbrechen wollen.
Die Geschichte zeigt, dass eine geschlossene Gesellschaft nie eine offene akzeptiert oder gar respektiert hat. Im Gegenteil hat sie immer versucht, diese zu zerstören und ihr das eigene Muster aufzuzwingen. Popper wurde Zeitzeuge, wie erfolgreich geschlossene Gesellschaftsmodelle waren. Dieser Befund ist höchst beunruhigend. Das Beispiel des Iran zeigt, dass dies auch heute im Hinblick auf den reaktionären Islam Gültigkeit hat: Eine offene Gesellschaft in Persien etwa wurde binnen kürzester Zeit zu einer geschlossenen, totalitären Herrschaft mit brutaler Unterdrückung. In der Türkei verlief das Muster ähnlich, wenngleich auf demokratische und nicht revolutionäre Weise.
Umgekehrt bedeutet dies, dass eine offene Gesellschaft nicht bestehen bleibt, wenn es eine geschlossene Gesellschaft akzeptiert und vor ihr zurückweicht.
Popper verwendet mehrfach den Begriff des „Kampfes“, er ruft dazu auf, sich nicht passiv zu verhalten, sondern eigenverantwortlich zu handeln. Es gebe keine Alternative. In seinem Schlusswort schreibt er: „Wenn wir mit der Unterdrückung von Vernunft und Wahrheit beginnen, dann müssen wir mit der brutalsten und gewaltsamsten Zerstörung all dessen rechnen, was menschlich ist.“Das sollte allen, denen eine offene, friedliche und gleichberechtigte Gesellschaft am Herzen liegt, eine ernste Mahnung sein, nicht vor geschlossenen Gesellschaften zurückzuweichen.
Eine offene Gesellschaft zu sein, heißt nicht, alles zu tolerieren und zu akzeptieren, auch jene Kräfte, die diese zerstören wollen. Sondern es heißt, für die Prinzipien der Humanität und gegen deren Feinde mutig aufzutreten.